68.38 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Justizrat Victor Fraenkl
Potsdamer Str. 86b
BERLIN W. 57
Datum: 22. August 1927

Empfänger

An: Herrn Rechtsanwalt Dr. O. Samek
Schottenring
Wien
Seite von 1

Sehr geehrter Herr College,

nach fünfwöchiger Abwesenheit zurückgekehrt, übersende ich Ihnenden anliegenden neuen Schriftsatz des Gegners mit der Bitte umgfl. Rückgabe.

Ich gebe Ihnen die Paragraphen im Wortlaut:

§ 4 StGB.: „Wegen der im Ausland begangenen Verbrechen undVergehen findet in der Regel keine Verfolgung statt.

Die hernach aufgezählten Ausnahmen sind für den vorliegenden Fallohne Belang.

§ 7 Absatz 2 StPO.Wird der Tatbestand der strafbaren Handlungdurch den Inhalt einer im Inland erschienenen Druckschrift begrün-det, so ist als das zuständige Gericht nur das Gericht anzusehen,in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist inden Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Pri-vatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druck-schrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk diebeleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Da der 2. Satz dieser Bestimmung gedanklich vom 1.abhängt, setzt er eine „im Inland erschienene“ Druckschrift voraus.Eine solche ist aber die „Fackel“ nicht. Angesichts dessen sucht derGegner die Zulässigkeit der Widerklage damit zu begründen, dass dieVerbreitung der Druckschrift in Deutschland mit Wissen und Kenntnisdes Privatklägers, der zugleich Verleger sei, erfolge. Ueber dieseArgumentierung gegenüber den nun im Lauf des Verfahrens gegen Kerr ge-richteten Aeusserungen lässt sich allerdings reden. Wir werden daherdagegen Stellung nehmen müssen.

Ich bringe auch meinen Brief vom 24. Juni d.J. ergeben in Erinnerungund zeichne mit kollegialer Hochachtung

Victor Fraenkl