69.1 Brief Samek an RA Max Hirschberg

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 16. April 1928
Betreff: Kraus – Kerr.
Diktiersigle: Dr.S./W.

Empfänger

An: Wohlgeboren | Herrn Dr. Max Hirschberg, | Rechtsanwalt
Kaufingerstrasse Nr. 70
MÜNCHEN, C 7
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich ersuche Sie um die Beantwortung folgenderFragen nach deutschem Recht:

Herr Kraus hat Herrn Kerr in einemöffentlichen Vortrag einen Schuft geheissen. Herr Kerr hateinige Tage später im „Berliner Tageblatt“ ein Gedicht ver- öffentlicht, in dem er Kraus als „Kruppzeug“, „Polemistvieh“,Winkelanwalt“, „Kniffgruppierer“, „Ehrenschänder“, „Parasit“,Schmierian“, „gerechten Lumpen“, nennt. Es ergibt sich nundie Frage, ob eine einige Tage nach der Beleidigung, wenn auchohne Hinweis auf die Beleidigung erfolgte Gegenbeleidigungals Erwiderung im Sinne des § 199 St.G. anzusehen ist, dieunter Umständen straffrei bleibt, ob diese Straffreiheit auchbei anderen als formellen Beleidigungen oder unter Umständengerade nur bei formellen Beleidigungen eintritt, ferner ob,wenn für den Erwiderer der Beleidigung die Straffreiheit ein-tritt, auch für den verantwortlichen Redakteur eine solche be-

steht, und auch ob man überhaupt den verantwortlichen Re-dakteur anklagen kann, wenn man den Beleidiger selbst nichtanklagen will.

Ihrer geschätzten Rückantwort entgegensehendzeichne ich mit vorzüglicher kollegialerHochachtung

Betrifft: Kraus ca. Kerr expediert am 16. April 1928.