70.13 Brief RA Botho Laserstein an Kraus

Materialitätstyp:

  • Manuskript
  • Kopie

Sender

Dr. jur. Botho Laserstein | RECHTSANWALT
LANDSBERGER ALLEE 55
BERLIN NO 18
Datum: 28./10.28

Empfänger

An: Karl Kraus
Hintere Zollamtsstraße
III., Landstraße
Seite von 2

Sehr verehrter Herr Kraus,

soeben erhalte ich das Dreckblatt desHirschberg. Ich bin unbedingt dagegen, daß man diesemgeballten und gestuften Vorwurf auch nur die Ehreeiner Beleidigungsklage erweist. Das würde dem bisher völligunbekannten Lausejungen, der nicht mal einen Schulaufsatzfür Tertia zusammenbringt, sich aber am Teetisch oder imBett – da ist kein Unterschied – der Frau Bankier Meyer-Cohn (die den Hirschberg mitsamt dem Revolverblatt (vgl. Seite 9) wohlaushält) recht respektabel ausnehmen mag, nur die Gelegenheitgeben, für sich Reklame zu machen und sich in eine Rollehineinzuspielen, die er nicht zu spielen hat.

Nach dieser Lektüre gebe ich Ihnen recht:man muß sich darauf beschränken, den Hauptdreckfinken zu

erledigen und alles Gewürme, was um ihn kriecht, durchNichtachtung zu vertreten.

Den „wehmütigen Zug auf dem Rücken“ hat derweltberühmte Kritiker meines Wissens übrigens dem Heine contra Börne – welche Vergleichsmöglichkeit! – oder demDenunzianten-Menzel gestohlen!

NB! Die Gedichte des Kerr kostenlos, schenkweise –also nicht gewerbsmässig – in Deutschland zu vertreiben (z.B.an alle Redaktionen zu senden), verbietet Ihnen die einstweilige Verfügungnicht. Ein sehr guter Weg, dem Zivilrechts-Kerr ein Schnippchenzu schlagen, wäre deshalb: ein dünnes Heftchen schmierigster Gottlieb-Gedichte (1 Bogen – keine Fackel-Nummer – herauszubringen undunter Kerrs Namen allen geistigen und zahlreichen Zeitungenkostenlos zu übersenden (Kostenpunkt m.E. etwa 3–400 Mk).

Mit besten GrüssenIhnen ergebenLaserstein