78.22 Brief Samek an Friedrich Austerlitz

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Datum: 8.2.1928

Empfänger

An: Wohlgeboren | Herrn Nationalrat Friedrich Austerlitz
Rechte Wienzeile 97
Wien V.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Nationalrat!

Ihrem Wunsche entsprechend übersende ichIhnen eine Abschrift des oberstgerichtlichen Urteiles in Sa-chen Kraus ca. Schifter. Da ich bei dem telefonischen Gespräch,das ich mit Ihnen führte, über den Inhalt des Urteils nichtorientiert war, möchte ich nicht unterlassen darauf hinzuweisen,dass der oberste Gerichtshof ein reines Feststellungsurteilüber die begangene Gesetzesverletzung gefällt hat, im Übrigenaber das Urteil erster Instanz unberührt liess, das auch voll-zogen wird. Ferner möchte ich meine Ansicht dahin berichtigen,dass ich das Urteil des obersten Gerichtshofes zumindestensin der Hinsicht für gesetzmässig halte, dass bei Idealkon-kurrenz ein Ausscheidungsbeschluss nicht gefasst hätte werdensollen. Dagegen halte ich es für unrichtig, dass nach § 30 P.G. wegen mehrerer, in einem Artikel begangener strafbarer Hand-lungen die Strafverfolgung mit der Verurteilung in einer Hin-sicht, für die anderen Verletzten verbraucht sein soll. Nachmeinem Dafürhalten wäre nur vorzukehren gewesen, dass das

Strafbezirksgericht bei einer Verurteilung wegen § 30 nicht,wie sonst geübt, die Vernachlässigung der Obsorge in derVeröffentlichung des Artikels, sondern in der Veröffentli-chung bestimmter, in dem Artikel enthaltener Stellen zu er-blicken, und dies auch im Urteilstenor genau auszudrückenhabe. Dass diese Rechtsansicht die einzig richtige ist, habeich in einem Falle selbst erlebt, in welchem der verantwort-liche Redakteur erklärte, den Artikel bis zur Hälfte gelesenzu haben, für diesen Teil die Verantwortung als Mittäter zuübernehmen, bezüglich des restlichen Teiles sich aber auf§30 PR.G. zu berufen.

Eine Rücksendung des Urteiles ist nichterforderlich, da ich noch eine zweite Abschrift habe.

Ich zeichne mitvorzüglicher Hochachtung

1 Beilage.

exp. am 8. Feber 1928.