79.2 Brief Paul Cassirer an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Paul Cassirer
VIKTORIASTR. 35
BERLIN W. 10
Datum: 2.2.27
Diktiersigle: F/W.

Empfänger

An: Herrn Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 2

Auf Ihr Schreiben vom 31. Januar möchte ich IhnenFolgendes erwidern:

Wir haben bezüglich des Kokoschka-Porträts „Karl Krausausschliesslich mit der Besitzerin des Bildes Frau Helene Kann aufGrundlage unseres Schreibens vom 11. Januar 1927 verhandelt. Nachder mir vorliegenden Korrespondenz haben wir uns Frau Kann gegenü-ber verpflichtet, das Bild in Höhe von Mk. 20.000,– zu versichernund fernerhin das Bild sofort nach Beendigung der Ausstellung derBesitzerin wieder zuzustellen. Irgendwelche anders geartete Ver-pflichtungen sind wir nicht eingegangen.

Das Gemälde ist in unserem Katalog der Ausstellung re-produziert. Unsere Absicht, das Bild zu reproduzieren war der Be-sitzerin bekannt, da wir sie in unserem Schreiben vom 20.I. aus-drücklich um die Ueberlassung einer Fotografie zum Zweck der Re-produktion gebeten haben. Frau Kann konnte uns ein Foto des Bil-des nicht überlassen, da sie, wie sie in ihrem Schreiben vom 22.I. mitteilte, eine solche nicht besitzt, abgesehen von der Ansichtskar-

te, die für Reproduktionszwecke nicht geeignet ist.

Im übrigen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dassHerr Kraus an dem Bild keinerlei Urheberrechte geltend machen kann,sondern dass sämtliche Reproduktionsrechte an den Werken von OskarKokoschka ausschliesslich die Firma Paul Cassirer innehat. Es dürfteIhnen bekannt sein, dass die Reproduktionsrechte eines Kunstwerkesnicht mit dem Erwerb (bezw. der Schenkung) auf den neuen Besitzerübergehen, sondern dass die Rechte ausschliesslich bei dem Künstlerbezw. dessen Vertreter bleiben. Das trifft nicht nur auf Privatper-sonen, sondern sogar auf Museen zu.

Die Herausgabe der Fotografie des Bildes ohne unsereausdrückliche Genehmigung auf einer Ansichtskarte war rechtlich un-zulässig, da die Herausgabe nur mit unserer Genehmigung hätte er-folgen dürfen. Wenn wir dagegen nicht eingeschritten sind, so tatenwir das nur aus besonderer Rücksichtnahme.

Die Erwähnung einer angeblich zugesagten Forderung von3.000 Mark ist mir völlig unverständlich. Sollten Herr Kraus oderFrau Kann irgendwelche geldlichen Forderungen an den Künstler haben,so würde ich Sie bitten, sich doch direkt mit Herrn Prof. Kokoschka in Verbindung zu setzen.

HochachtungsvollPaul Cassirer

KrausCassierer 4. Feb. 1927