79.3 Brief Samek an Verlag Paul Cassirer

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
Datum: 23. Februar 1927
Betreff: Kraus – Cassierer

Empfänger

An: den Verlag | Paul Cassirer
Viktoriastrasse Nr. 35
Berlin W 10
Seite von 4

Im Auftrage des Herrn Karl Kraus habeich Ihr Schreiben vom 2. Februar 1927 in folgender Weisezu beantworten.

Ihre Verhandlungen mit der Besitzerin desKokoschka-Porträts „Karl Kraus“ konnten Ihnen keine Repro-duktionsrechte geben, da Frau Helene Kann nicht Eigentümerin,sondern nur Verwahrerin des Bildes ist. Selbst wenn Siewährend der Unterhandlungen noch annehmen durften, dass Sievon Frau Kann irgendwelche Reproduktionsrechte erwerben könn-ten, so musste diese irrige Annahme nach Eintreffen meinesSchreibens vom 31. Jänner 1927 wegfallen und Sie hatten undhaben daher zu nachträglichen Reproduktionen und Verviel-fältigungen und zum Vertrieb derselben keine Berechtigung.Die Urheberrechte an dem Kokoschka-Porträt stehen ausschliess-lich Herrn Karl Kraus zu. Kokoschka hat seinen Wohnsitz inWien, ist österreichischer Staatsbürger, das Porträt wurdein Wien gegen Entgelt und zwar als Ersatz für ein früheres,

von Herrn Kraus bezahltes Porträt Kokoschkas geschaffen.(Er hatte dieses seinerzeit für die Ausstellung in Hagen entlehnt, nicht zurückgestellt, und es hat seither wieder-holt den unrechtmässigen Besitzer gewechselt. Sollte Ihrein Klammer gesetzte Bemerkung: „bezw. der Schenkung“ auf einerInformation beruhen, so war diese falsch und ungebührlich.)Nach § 13 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes stehenbei Porträts, welche gegen Entgelt bestellt wurden, sie mögenWerke der bildenden Künste oder der Photographie sein, dieRechte des Urhebers dem Besteller zu. Herr Kokoschka konnteIhnen daher keine wie immer gearteten Reproduktionsrechte anseinen in Österreich gegen Entgelt verfertigten Porträtseinräumen. Es ist übrigens merkwürdig, dass Sie sich nocheine Zustimmung der Frau Kann einholen zu müssen glaubten,wenn Ihnen das Reproduktionsrecht ohnedies nach Ihrer Meinungvon Herrn Kokoschka übertragen wurde. Wie Sie übrigens glau-ben konnten, dass Frau Kann Ihnen irgendwelche Rechte, wel-che dem Urheber zustehen, übertragen konnte, ist mir nichtrecht klar, da Ihnen als Verleger doch bestimmt bekannt war,dass nach deutschem Recht dem Verfertiger des Porträts, nachösterreichischem Recht dem Besteller die Urheberrechte zu-stehen, keinesfalls also einer blossen Besitzerin. Nach Er-halt meines Schreibens konnten Sie keinesfalls mehr im unkla-ren darüber sein, dass Herr Kraus eine Reproduktion des Bildesverbietet und es war daher jede nachher erfolgte Reproduktion

und Verbreitung desselben eine Verletzung der Urheber-rechte meines Mandanten. Mein Mandant behält sich auchdie Geltendmachung seiner Ansprüche wegen Verletzungseiner Rechte vor.

Was endlich die erwähnten 3.000.– Mark be-trifft, so wurden diese von Herrn Kokoschka ausdrücklichfür die Gestaltung der Ausstellung zu Gunsten des Dvorak-Mauseoleums zugesagt, und es wird noch weiter aufzuklärensein, ob Herr Kokoschka diese Zusage für Sie machen durfteoder ob er hiebei seine Vollmacht überschritten hat. Ichwerde auf diesen Punkt nach Einholung entsprechender In-formationen von Seiten des Herrn Kokoschka zurückkommen.Herr Kraus hatte einem mit ihm befreundeten KunsthistorikerDr. Ludwig Münz die Ordnung dieser Angelegenheit überlassenund war damit einverstanden, dass die Darbietung des Ge-mäldes für Zwecke des Kunsthandels, der er sonst nie zuge-stimmt hätte, an die Bedingung geknüpft wurde, dass HerrKokoschka die längst geplante malerische Arbeit an dem Mau-soleum des auch von ihm hoch verehrten Professor Dvorak aus-führe und dass der für die Bauarbeiten erforderliche Geld-betrag zur Verfügung gestellt werde. Leider wurde im Ver-trauen auf seine Zusage nicht deren Erfüllung abgewartet,sondern das Porträt abgesendet.

Besonders zurückweisen muss ich Ihre Äusserungwegen Unterlassung eines Schrittes über die Herausgabe derAnsichtskarte mit dem Porträt des Herrn Kraus und Ihre Annahme,

dass Sie damit eine besondere Rücksicht geübt haben. HerrKraus wünscht bei dem feststehenden Tatbestande seines Urhe-berrechtes keine Rücksichtnahme, und duldet auch nicht,dass Sie ihm eine Verletzung Ihrer Rechte insinuieren, überdie Sie sich, bevor Sie eine derartige Behauptung aufstell-ten, bei jedem Anwalt informieren konnten und mussten.

Hochachtungsvoll

rekommandiert.

Betrifft: KrausCassirer expediert am 23. Februar 1927.