86.3 Brief Samek an Neues Wiener Journal (verantw. Red. Desiderius Papp)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 17. Mai 1927
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: den | Verantwortlichen Redakteur des „Neuen Wiener Journals“ | Dr. Desiderius Papp
Zeinlhofergasse 12
Wien V.
Seite von 2

Auf Grund des § 23 Pr.G. ersuche ichSie im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus, Herausgebersder Fackel, um Aufnahme der folgenden Berichtigung der in Ihremder „Roten Fahne“ entnommenen, unter dem Titel „Genossen untersich. Karl Kraus, Bekessy, Eldersch und Mataja.“ am 14. Mai 1927erschienenen Artikel behaupteten, meinen Mandanten betreffendenTatsachen in der im Pressgesetz vorgeschriebenen Weise:

Es ist unwahr, dass Karl Kraus,dem ganz fraglos durchdringende Scharfsichtigkeit in allenDingen literarischer und sonstiger Korruption zugesprochen werdenmuss, es seit einigen Jahren trotzdem für geraten hielt, derSozialdemokratischen Partei Gefolgschaft zu leisten.“ Wahr ist,dass Karl Kraus keiner Partei Gefolgschaft geleistet hatund leistet. Wahr ist, dass er, soweit die SozialdemokratischePartei gegen Krieg und Kriegsgewalt Stellung nahm, diese Haltunganerkannt hat. Wahr ist, dass er auf wiederholte Einladungen dersozialdemokratischen Kunststelle sowie auch einzelner Arbeiter-

vereine mit der grössten Bereitwilligkeit und aus Zuneigung zurArbeitersache Vorträge zu Gunsten von Fürsorgezwecken der Arbei-terschaft gehalten hat. Wahr ist, dass er der Arbeitersache Gefolg-schaft geleistet hat und leistet.

Sie schreiben: „Nunmehr ist derSozialdemokrat Karl Kraus mit der sozialdemokratischenWipag‘ zusammengestossen.“ Es ist unwahr, dass KarlKraus Sozialdemokrat ist oder war, wahr ist, dass er keinerpolitischen Partei angehört und nie einer solchen angehört hat.

Es ist unwahr, dass ihm „dieSozialdemokratie zwecks Unterzeich-nung des Fritz Grünbaum-Aufrufeseifrig – allerdings auch vergebens –nachgelaufen ist: Karl Kraus hattedie Selbstachtung, diesen Aufrufnicht zu unterschreiben …“ Wahrist, dass Herr Karl Kraus nie aufge-fordert wurde, jenen Aufruf zu unter-schreiben, offenbar aus dem Grunde,weil man der Verweigerung seinerUnterschrift von Aufrufen sicher war.

KrausWipag (Wr. Journal)