100.13 Indizien [Notizen zur Beweisführung]

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 12. April 1928
Seite von 4

Indizien für die Hinzielung des Angriffesauf K.K.

1.) In der Rede wird von Personen gesprochen. Diesonstigen Angriffe erfolgten entweder von Zeitungen odervon politischen Parteien, als deren Sprecher allerdings ein-zelne Abgeordnete auftraten. Im Gegensatz zu Blättern kannaber das Wort „Personen“ nur Privatpersonen bedeuten. MeinesWissens aber ist Herr K.K. die einzige nichtpolitische Persongegen die die Polizei und Schober aufgetreten ist.

2.) Der Vizepräsident Dr. Pamer ist namentlich genanntund gerade er war es der die von K.K. veröffentlichten be-denklichen Urkunden der Polizeidirektion Wien gezeichnet hat.

3.) Die Blätter haben Angriffe lediglich für kurze Zeitwegen der Nichteruierung der Autodiebe gegen die Polizeidirek-tion gerichtet. In der Rede wird von Angriffen durch Monategesprochen und als solche kommen nur die des Privatanklägers in Betracht.

4.) Erörterung der Materie Bekessy am Tage vorher imParlament durch Vizekanzler Hartleb und Nationalrat Eisler,durch dessen ausdrücklichen Hinweis auf K.K.

5.) Artikel des Neuen Wiener Journals.

6.) Notiz des Kleinen Blattes.

Dem Polizeipräsidenten Schober wurde nachgerühmt,dass er die Rede im Gewerbeverein in mannhafter Selbstwehr ge-halten habe. Wenn seine Selbstwehr wirklich so mannhaft ist,so möge er denjenigen nennen, gegen den er sich gewehrt hat.

Es gibt zwei Arten von Anonymität. Eine solchebei welcher das Subjekt, eine bei welcher das Objekt anonym bleibt.Die Letztere ist noch viel verwerflicher als die Erstere.Sie bedeutet eine viel grössere Unsachlichkeit als diesubjektive Anonymität, da es im öffentlichen Leben schliesslichmehr darauf ankommt, dass die Uebelstände besprochen werdenals dass festgestellt werde, wer sie bespricht. Die subjektiveAnonymität ist also nur eine persönliche. Die objektiveAnonymität auch eine sachliche Feigheit.

Wenn der Herr Verteidiger die Angelegenheit dadurch abtunwill, dass er die Frage aufwirft warum gerade Herr Kraus sichgetroffen fühle, so verfolgt er damit nur eine bereits vor28 Jahren von ihm selbst eingeschlagene Taktik, da er damals alsVertreter des Herrn Julian Sternberg von der Neuen Freien Presse,der in der „Breslauer Zeitung“ ohne Nennung des Herrn K.K. aber mit deutlichem Hinweis auf dessen Person das WortLümpchen“ gebraucht hatte, gleichfalls die Verteidigung daraufaufbaute „ja wenn sich Herr K.K. dadurch getroffen fühlt, sosei das seine Sache“. Allerdings liess ihn der damalige Richterder spätere Präsident des Landesgerichtes Dr. Haid diese Artder Verteidigung nicht zu Ende führen drohte ihm eine Diszi-plinierung an und Herr Sternberg wurde zu einer Geldstrafe ver-urteilt.

Wenn Herr Schober zu seiner Verteidigung anführt,dass man die Angriffe des Herrn Kraus nicht beachte, so istdem entgegenzuhalten, dass es hier nicht auf die Person desAngreifers ankommt und dass hier nicht über Beachtung oderNichtbeachtung diskutiert werden kann. Es kommt nicht daraufan, ob man eine Person nicht beachtet sondern ob man sich gegenVorwürfe von „Amtsmissbrauch“, Felonie und Fälschung nichtzu verteidigen habe, wer immer sie erhoben hat. Uebrigens hatdie Polizeidirektion diese Angriffe wohl beachtet, so langesie noch nicht konkretisiert waren und an den Oesterr. Volks-wirt eine Zuschrift gerichtet. Allerdings hörte diese Beach-tung sofort auf, als man die Unwiderleglichkeit nach der Kon-kretisierung sah. In einem viel geringeren Fall, hat die Poli-zeidirektion selbst erklärt, dass sie auch falsche Beschuldi-gungen beachten müsste, damit man nicht glaube es sei dochetwas Wahres daran.

Wenn die Verteidigung anführt, dass der Vortrag von denSicherheitsverhältnissen gehandelt habe, so ist darauf zu er-widern, dass es noch niemals ein solcher Vortrag dagewesen ist,dass ein Polizeipräsident einen Vortrag hält. Klarerweise mussteer das fachliche Thema als Vorwand nehmen, um sein Herz aus-schütten zu können, denn es war ihm sachlich darum zu tun, sichüber die Angriffe zu beklagen. Dass er einen Vortrag über dieLeumundsnote des Bekessy halten würde, war vorweg nicht anzu-nehmen, folglich musste er das Thema der Sicherheitsverhältnissewählen. Er kann aber nicht im Ernst glauben, dass man die vor- übergehende, nur durch kurze Zeit währenden Angriffe wegen derSicherheitsverhältnisse ihm als Hauptbeschwerdepunkt glaubenwerde. In Wirklichkeit wollte er sich über die durch monate-währenden Angriffe wegen des 15. Juli und der Bekessyaffärebeschweren.

Dass das Verhältnis der Polizeidirektion mit demErpresser Bekessy ein noch viel intimeres war, als man bishergeglaubt hat, wird in kurzer Zeit klargestellt werden.

Wenn der Herr Polizeipräsident sich damit verantwortet,dass er wegen Versagens der Gesetze und Gerichte Herrn K.K. vor dem Gewerbeverein verklagt hat, so muss dieser im Mundeeines Polizeipräsidenten gewiss sehr seltsame Ausspruch nichteinmal als vollständig glaubwürdig hingestellt werden. WennHerr Schober an ein solches Versagen der Gesetze und Gerichtewirklich glaubte, so hätte er ja den Angreifer, dem er denAngriff wider besseres Wissen nachsagt viel beruhigter nennenkönnen und hätte ihn auch genannt. In Wirklichkeit hat aberdas Gesetz allerdings versagt aber nicht im Falle der Angriffe,sondern im Fall der von der Polizei getöteten Personen, diemangels einer gesetzlichen Bestimmung den erlittenen Schadengegen den Staat nicht geltend machen konnten und auf dieWohltätigkeit ihrer Mitbürger angewiesen waren, weshalb Herr K.K. auch für die Angehörigen eines der Todesopfer eine öffentlicheSammlung veranstalten musste, also der Oeffentlichkeit einePflicht auferlegte, die dem Staate zugekommen wäre.

Regierungsrat Dr. Feigl.Das ist nicht widerlegt jedes anderen