101.2 [Aussageprotokoll] von Max Babad

Schreiberhände:

  • Max Babad, Bleistift
  • schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
Datum: 11. August 1928
Seite von 1

Am 5. August habe ich mit einem Genossen um 11h vorm. das Blatt kolportiert.Als ein Zug von Schutzbündlern zum Festplatz kam, habe ich Sie lautzum Kaufe des neuen Schoberliedes von Karl Kraus aufgefordert. In diesemAugenblicke wurde ich sowohl von einem Wachmann zu Pferd und einem zuFuss verhaftet. Diese führten mich in die Wachstube Böcklinstrasse undwurde mir dort das Nationale abgenommen. Dann wurde ich dem Polizeikom-missariat Prater Ausstellungsstrasse übergeben. Vom diensthabendenKommissär wurde ich mit folgendem Gruss empfangen: „Sie schämen sich nichtein solches Spottlied über unseren Polizeipräsidenten zu verbreiten, vordem die ganze Welt den Hut zieht? Wenn Sie das in Rumänien, Bulgarienoder in Ungarn täten, wären Sie schon längst am Galgen. Wahrscheinlichist es euch am 15. Juli zu gut gegangen; wir hätten euch alle ausrottensollen dann hätten wir endlich einmal von Euch Ruhe. Wenn es abernoch einmal zu einem 15. Juli kommen sollte, dann werden wir es schonanders machen.“

Darauf machte ich den Polizeikommissär aufmerksam, dasswir nicht soviel geistig so hochstehende Persönlichkeiten, wie KarlKraus hätten und wenn Sie der Ansicht sind dass wir vor unserem Polizei-präsidenten Hans Schober den Hut ziehen sollten, so bin ich persönlichnicht dieser Ansicht. Hier machte er Miene mir eine Ohrfeige zu geben,überlegte es sich scheinbar, da ein Genosse anwesend war. Daraufhin wurdeich einem höheren Polizeibeamten vorgeführt, dieser erklärte das Lied für konfisziert. Nachdem die Identität festgestellt wurde, wurde ichnach 2 Stunden freigelassen. Hierauf ging ich zum Festplatz zurückund verständigte die anderen Kolporteure dass die Verbreitung des Scho-berliedes verboten sei. Ich versuchte nochmals zu kolportieren und wurdedann von einem Funktionär, erkenntlich durch die Binde und der auch auf seine Mitgliedschaft zum Festkomite pochte, des Festplatzes aufgefordert die Kolportage einzustellen,widrigenfalls er mich verhaften lassen wolle und im Nu waren sämtlicheKolporteure verhaftet. Ich habe die feste Ueberzeugung dass die Verhaftungauf Veranlassung des betreffenden Funktionärs vorgenommen wurde,weil der Funktionär vorher mit dem Wachmann gesprochen hatte.

Max Babad