101.22 Berufung gegen den Bescheid vom 30. November 1928

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 18. Dezember 1928
Seite von 4

G.Z. P.B. 691/1/1928

BundespolizeidirektionWien.

Karl Kraus.Schützenhofer Robert,Babad Max,Blatt Max,Rosenberg Hugo,Kaiser Karl

durch:

1 fach

erheben Berufung gegen den Bescheid vom 30. November 1928,zugestellt am 4. Dezember 1928.

Den von uns gestellten Schadenersatzan-sprüchen wurde mit Bescheid der Bundespolizei-Direktion Wienvom 30. November 1928, G.Z. P. B. 691/1/1928 keine Folge gegeben,mit der Begründung, dass weder das Pressgesetz noch das Bundes-verfassungsgesetz eine Handhabe zur Erkenntnis im gegenteiligenSinne gebe. Der Ausspruch auf Ersatz der durch die Rechtsver-tretung der Parteien erwachsenen Kosten wurde im Sinne des§ 74/1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erheben wir fristge-recht dieBerufung:

Richtig ist, dass eine vorsätzliche odergrob fahrlässige Rechtsverletzung der Bundespolizei-Direktion nicht nachgewiesen ist und dieser Nachweis gar nicht angetretenwurde, weil die Gesetzesbestimmung des Bundesverfassungsgesetzesfür die Geltendmachung der Schadenersatzansprüche absolut nichtherangezogen werden sollte, da die dort angekündigte Durchführungnoch nicht erlassen wurde. Dagegen ist die Ansicht der Bundes-polizei-Direktion, dass das Pressgesetz nicht extensiv inter-pretiert werden könne, unrichtig. Es kann nicht im Sinne des Ge-setzgebers gewesen sein, die Schadenersatzpflicht bei Beschlag-nahme von Druckwerken – die ja an und für sich eine Ausnahmebe-stimmung bildet, da sonst bei Beschlagnahme von anderen Ver-fallsgegenständen keine solche Schadenersatzpflicht aufgestelltist –, lediglich auf Beschlagnahme durch Gerichte und Staatsan-waltschaften zu beschränken und den politischen Behörden dieunsühnbare Möglichkeit zu geben, die staatsgrundsätzlich statu-ierte Freiheit der Presse auf eigenem Wege zu vereiteln. Es wargerade im Gegenteil die Absicht des Gesetzgebers, im Pressgesetzdie Freiheit der Presse dadurch zu gewährleisten, dass jede un-berechtigte Beschlagnahme, sei es die des Staates oder einesPrivatanklägers, die Schadenersatzpflicht, unabhängig von jedemVerschulden, nach sich zieht, wenn eine strafbare Handlung nichtvorlag. Aus dem Geist des Gesetzes ist also klar zu entnehmen,

dass auch ohne ausdrückliche Einbeziehung der sicherheitsbe-hördlichen Beschlagnahme, eine solche, wenn sie ungerechtfer-tigt war, die Schadenersatzpflicht des Staates nach sich zieht.

Was nun die Kostenfrage betrifft, so istnicht der § 74, Absatz 1 des allgemeinen Verwaltungsverfahrens-gesetzes, sondern der § 66 des Verwaltungsstrafgesetzes bei derEntscheidung heranzuziehen, laut welchem die Kosten des Ver-fahrens von der Behörde zu tragen sind, wenn ein Strafverfahreneingestellt oder eine verhängte Strafe infolge Berufung oderWiederaufnahme des Verfahrens aufgehoben wird.

Wir beantragen daher, uns die Schadener-satzbeträge im Sinne unseres Ansuchens zuzusprechen.

Karl Kraus.Schützenhofer Robert.Babad Max.Blatt Max.Rosenberg Hugo.Kaiser Karl.

KrausSonderausgabeexp. 18.12.28.