101.23 Berufungsbescheid der Bundes-Polizeidirektion in Wien an Samek (G.Z. P.B. 115/2)

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Datum: 24. Mai 1929
Seite von 2

P.B.115/2 Wien, am 24. Mai 1929.

Kraus Karl und Genossen,Ersatzansprüche wegen Be-schlagnahme beziehungswei-se Verfallserklärung vonExemplaren der Sonderausgabeder „Fackel“ Nummer 1.

WohlgeborenHerrn Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt,Wien, I.,Schottenring 14.

Das Amt der Wiener Landesregierung m.B.V. hat am 5. April1929, unter Zahl M. Abt. 55/K/86/Str./29 nachstehenden Berufungsbe-scheid erlassen:

Ueber die Berufung des Rechtsanwaltes Dr. Oskar Samek in Wien als Vertreter des Karl Kraus und Genossen wird der Bescheid derPolizei-Direktion Wien vom 30. November 1928, P.B. 691/1/28, womit diewegen der Beschlagnahme, beziehungsweise Verfallserklärung von 1.210Exemplaren der Sonderausgabe der Fackel Nr. 1 erhobenen Ersatzansprü-che auf den entgangenen Gewinn von 121 S und Vertretungskosten vonzusammen 250 S abgewiesen wurde, hinsichtlich des Ausspruches überden Ersatz von 121 S behoben, hinsichtlich des Ausspruches über dieVertretungskosten von 250 S bestätigt.

Begründung: Die Bundespolizeibehörde ist weder auf Grund des Pressgesetzesnoch auf Grund des A.V.G. beziehungsweise V.St.G. zu einer Entschei-dung über ein Schadenersatzbegehren wegen unbegründeter Verfalls-erklärung oder Beschlagnahme von Exemplaren eines Druckwerkes nach§ 13/2 des Pressgesetzes vom 7. April 1922, B.G.Bl. Nr. 218, zuständig.Zu einer meritorischen Erklärung in Bezug auf eine gegen den Bund

erhobene finanzielle Forderung ist nur diejenige Zentralstelledes Bundes (und zwar im Einvernehmen mit dem Bundesministeriumfür Finanzen) berufen, der das Verfügungsrecht über die für dieBefriedigung des Anspruches allenfalls zustehende budgetmässigeDotation zusteht. Der Bescheid war daher in dieser Richtung wegenUnzuständigkeit zu beheben.

Der Anspruch auf Rückersatz der Kosten für die Vertretungdurch den Rechtsanwalt besteht nicht zu Recht, weil die den Be-teiligten im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten gemäss §74/1 A.V.G. von ihnen selbst zu bestreiten sind; § 66 V.St.G. kann entgegen den Ausführungen der Berufung nicht herangezogenwerden, weil er sich nur auf die der Behörde selbst im Strafver-fahren erwachsenen Kosten bezieht. Der angefochtene Bescheid wardaher in dieser Richtung zu bestätigen.

Gegen diesen Bescheid steht die binnen 2 Wochen nach Zustellung bei der Polizei-Direktion (P.B.) Wien einzubringendeweitere Berufung offen.

Dr. Samek

KrausSonderausgabe29. MAI 1929