112.29 Brief Franz Pfemfert (Die Aktion) an Kraus

Materialitätstyp:

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Sender

Franz Pfemfert
Nassauischestraße Nr. 17
Berlin-Wilmersdorf
Datum: Den 6. November 1929

Empfänger

An: Karl Kraus
Verlag „Die Fackel“ | Hintere Zollamtsgasse 3
Wien III
Seite von 1

Werter Herr Karl Kraus,

ich gratuliere Ihnen zu dem Urteil des Gerichts!Meine Befürchtung, der Richter könnte vielleicht zu der „Entschliessung“kommen, beide Parteien seien zu verurteilen oder freizusprechen, istgrundlos und eine Ueberschätzung der Justiz gewesen. Die zeitungsfressendeWelt kann nun nicht faseln, es sei ein „gerechter Spruch“ gefällt worden.Daß Herr Theodor Wolff als Unschuldslamm aus der ersten Instanz entlassenworden ist, obwohl er der Verleumder und seine „Widerklage“ nur eine Hilfs-aktion der Furcht war, diese Tatsache ist so lustig, daß ich gestern Abendnicht aus dem Lachen herausgekommen bin.

Leider wird die Berufungsinstanz mir die Freude zerstören. Denn eswird keinen zweiten Richter geben, der so objektiv urteilen kann wie derHerr Dahl. Was stand zu Verhandlung? Eigentlich doch wohl nur, ob ich inder „Prager PresseHardens Worte wiedergegeben habe und die Wolff- Kerr sie mit vornehmem Schweigen beantwortet oder ihnen widersprochen haben.Nichts weiter! Nichts anderes hatten Sie geschrieben, als daß die Wölffenicht aufgeheult, als ihnen die „Prager Presse“ vor Augen kam.

Sie haben natürlich gegen das Urteil Berufung eingelangt? Da derklassische Richter sogar dem Kerr eine Ehrenerklärung zu geben für möglicherachtete, dürfte Herr Kerr in der zweiten Instanz wohl nicht zum Eidkommen.

Mit herzlichen GrüssenIhrFranz Pfemfert