112.51 Brief RA Willy Katz an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte

Sender

Dr. Willy Katz
Friedrichstraße 48
BERLIN SW 68
Datum: 22. April 1931

Empfänger

An: den | Verlag „Die Fackel“
Hintere Zollamtsstraße
Wien
Seite von 4

In Bestätigung meines heutigen Telegramms bitte ich, HerrnKraus mitzuteilen, dass der Termin in Sachen Wolff vom 30.April aufgehoben ist, und ein neuer Termin wahrscheinlich vor demHerbst ds. Js. nicht zu erwarten ist. Den Grund für die Aufhebungbildet die Absage der Herren Wolff (durch Krankheit bedingte Erholungs-reise), Reinhardt (Tätigkeit im Ausland) und Holländer. Auf Wolff wollte naturgemäss das Gericht nicht verzichten. Inzwischen war, undzwar versehentlich, Herr Mosse-Lachmann für den 18. ds. Mts. zur kommis-sarischen Vernehmung in Moabit erschienen. Da er einen sehr unbefange-nen Eindruck machte und gleich vor der offiziellen Vernehmung erklärtean der Beteiligung Mosses am Deutschen Theater sei kein wahres Wort,im übrigen aber die dahingehende Behauptung schriftsätzlich längstzurückgenommen ist, – habe ich auf eine Vernehmung des Zeugen, dievon der Gegenseite nur gegen uns ausgebeutet worden wäre, verzichtet.Am 21. ist die Zeugin Schmalz in ihrer Wohnung vernommen worden. IhreAussage lautet folgendermassen:

Ich bin mit dem Schriftsteller Maximilian Harden eng befreun-det und bei seinen am 30. Oktober 1927 in Montana-Vermala in der Schweiz erfolgten Tode zugegen gewesen. Der Schrift-steller Dr. Kerr hatte, solange er noch für „Den Tag“ schrieb,die Theateraufführungen von Max Reinhardt derart schlecht kri-tisiert, dass Reinhardt nach Angabe Hardens ihm sogar seine

Theater verboten hatte. Harden war mit Reinhardt sehr be-freundet, und wurde von Reinhardt zu den wichtigsten Pro-ben fast immer zugezogen. An einem späten Nachmittage– es muss im Jahre 1919 oder 1920 gewesen sein –, kam Har-den von einer Probe bei Reinhardt zu mir und sagte: „Duwirst sehr erstaunt sein, Reinhardt hat mir gesagt, dassKerr an das B.T. als Kritiker engagiert würde. Reinhardt ist ausser sich darüber. Aber ich habe ihm gesagt, er solledoch froh sein darüber, denn sein Freund Wolff wird dochdafür sorgen, dass Kerr nun besser über ihn schreibt.“Wie mir Harden dann weiter mitteilte, hat Reinhardt dannnoch gesagt, der Angeklagte Wolff t-te Reinhardt selbst mitgeteilt,dass Kerr sich ihm, d.h. dem Angeklagten gegenüber, ver-pflichtet hätte, nunmehr Reinhardt in seinen Kritiken nichtmehr so anzugreifen.

Ich habe im Laufe der folgenden Jahre ungefähr noch5 bis 6 mal mit Harden über den Fall ReinhardtKerr ge-sprochen, Harden hat immer das Gleiche über diesen Fallgesagt, zum letzten Male etwa 4 bis 5 Tage vor seinem Tod,als weder die Aerzte noch er selbst an seinen Tod dachten.Er sagte das in Gegenwart der Schriftsteller Franz Pfemfert und Fritz Spiro. Nachdem Dr. Kerr an das B.T. engagiert war,sagte ich zu Harden; „Wir wollen nun darauf aufpassen, obdie Kritiken über R. jetzt besser würden.[“] Nachdem Harden einige Kritiken Kerrs mit mir zusammen gelesen hatte, sagte

er zu mir ungefähr: „Du siehst ja, Kerr ist schon viel zahmer. “

Auf meinen Vorhalt wurde die Zeugin gefragt, ob Reinhardt nichtin einem Briefe an sie versucht hätte, sie zu beeinflussen, nicht fürHerrn Kraus oder gegen Kerr auszusagen. Die Zeugin verneinte das. Eben-so meine weitere Frage, ob Reinhardt ihr nicht vorgehalten hätte, dasssie mit ihrer Aussage einem Manne nütze, der Zeit seines Lebens ein er-bitterter Feind Hardens gewesen wäre. Der anwesende Dr. Landsberg liessdie verneinenden Antworten auf meine Fragen protokollieren. Ferner wurdefolgendes protokolliert: „Der Vertreter der Angeklagten hält der Zeugin vor, Reinhardt habe in der I. Instanz seine Auffassung dahinausgedrückt, dass die Kritiken Kerrs im Tageblatt für ihn genau soungünstig gewesen wären, wie die im „Tag“ erschienenen, und dass Har-den, wenn Reinhardt sich darüber beschwerte, höhnisch geantwortet habe:„Da haben Sie Ihren Freund Theodor Wolff“. Die Zeugin erklärte dazuweiter: „Hierüber kann ich nichts aussagen, da ich bei Unterredungenzwischen Harden und Reinhardt nie zugegen gewesen bin.“

Immerhin glaube ich, dass mit dieser Aussage in sachlicher Bezie-hung ein erheblicher Fortschritt für uns getan ist. Auf eine VernehmungReinhardts wird das Gericht allerdings bestimmt nicht mehr nach dieserAussage verzichten. Ich werde Herrn Dr. Laserstein bitten, möglichstzu erreichen, dass der Termin für die nächste Hauptverhandlung schonjetzt festgesetzt wird, damitum Reinhardt gezwungen werden kannzu zwingen, anzugeben,zu welchem Zeitpunkt er entweder in Berlin oder Wien vernommen werdenkann. Jetzt wäre es natürlich von Wichtigkeit, einen Zeugen dafür auf-

zubringen, dass Reinhardt sich in entgegengesetztem Sinne geäusserthat, als er es in seiner Aussage vor dem Gericht I. Instanz darstell-te.

Mit Herrn Dr. Lapp, der nach wie vor bereit ist, zu bekunden,dass Beeinflussungen der Redakteure durch die Schriftleitung besondersaber in der Richtung eines gewünschten Wohlwollens für Reinhardt tat-sächlich erfolgt sind, habe ich nochmals korrespondiert. Das ist alles,was ich im Augenblick über den Stand der Sache Wolff mitteilen kann.

Mit der Bitte, mich Herrn Kraus bestens zu empfehlenergebenstDr. Katz

KrausKerr Wolf