112.52 Brief Elfride Schmaltz an RA Botho Laserstein

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

Sender

Elfride Schmaltz
Klingsorstraße 71
Berlin-Steglitz
Datum: 24. April 1931

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Laserstein
Landsberger Allee
Berlin
Seite von 5

Abschrift

Sehr geehrter Herr Doktor, Sie hatten die Freundlich-keit, mir zu versprechen, daß Sie Herrn Karl Kraus übermittelnwollen, ich lasse ihn bitten, mir einige Hefte seiner Zeit-schrift zur Verfügung stellen zu wollen. – Mir sind vor allemjene Hefte wichtig, in welchen Herr Kraus Maximilian Harden angegriffen hat, dann jenes, in welchem, wie Harden sich ausdrück-te, Herr Kraus ihm eine „Ehrenerklärung“ abgegeben hat und dannvielleicht noch das Heft, in welchem er zu Hardens TodEiniges über ihn sagte. – Wie ich Ihnen schon mitteilte, braucheich diese Hefte der „Fackel“ dringend. In die Staatsbibliothek zu gehen ist mir, zu Folge meines sehr schlechten Gesundheits-zustandes, nicht möglich.

Ich würde mich direkt an Herrn Kraus wenden, denke aber,daß es ihm lieber ist, ich übermittele ihm meine Bitte um eineGefälligkeit durch Sie.

Dankbar wäre ich auch für eine genaue Auskunft darüber,ob es wahr ist, daß – wie Herr Rechtsanwalt Dr. Landsberger mirmitteilte – Herr Kraus gesagt hat, Harden sei ein Lügner gewesen. Ich hatte vor dem mich vernehmenden Landgerichtsrat erklärt: „Harden ist immer ein sehr wahrhaftiger Mensch gewesen;er hat nie gelogen! Und wie sollte er wohl dazu gekommensein, in dieser, für ihn wie für mich höchstens interessantenaber unwichtigen Angelegenheit, eine Lüge zu sagen? Ichbin doch auch kein ‚öffentlicher‘ Mensch …“ Auf diese meineErklärung behauptete R.A. Landsberger, Herr Kraus habe selberHarden einen Lügner genannt! Ich habe dazu noch weiter erklärt,daß ich, obgleich Herr Kraus mir ganz unbekannt sei, dies nichtvon ihm glauben könne, weil ja auch die erbittertsten FeindeHardens ihm niemals eine niedrige Handlungsweise nachsagen konn-ten. Ich habe Herrn R.A. Landsberger auch gefragt, wo HerrKraus Harden einen Lügner genannt habe; Herr R.A. Landsberger istmir die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben. Er hat sichdarauf beschränkt, mit mir sich darüber zu unterhalten, mit wel-cher Aufführung Max Reinhardt sein Zirkustheater eröffnet undwer darin mitgespielt habe. Die einzige zur Sache stehende Aeuße-rung dieses Herrn welche mir verständlich war (ich hatte zweiTage vorher eine Operation an einem Ohr): „Ich bitte der Zeugin vorzuhalten, daß Max Reinhardt unter seinem Eid ausgesagt hat,er habe zu TW gesagt, daß Harden ihm gegenüber geäußert habe –nachdem wieder einmal eine schlechte Kritik des Herrn Kerr im BT

gestanden: ‚Da haben Sie ihren Freund Wolf‘! wie stellt sich dieZeugin dazu“? – Ich habe darauf geantwortet: „Dazu kann ich nichtssagen, denn ich bin niemals bei Unterredungen, die Harden mitReinhardt gehabt hat, zugegen gewesen; ich weiß nur, daß Hardenstets immer wieder hervorgehoben hat: ‚Reinhardt ist empfindlichwie ein Kind; wenn man ihn nicht bis in den Himmel lobt ist erunzufrieden; Harden hat auch häufiger in der ‚Zukunft‘ über dieseEmpfindlichkeit Reinhardts geschrieben.“

Ich bin gefragt worden, ob es richtig sei, daß Reinhardt mir geschrieben habe, ich solle nicht aussagen. Auf meineFrage, wer dies aufgebracht habe, wurde mir vom vernehmendenRichter ausweichend geantwortet (ich darf wohl vermuten, daß dieseFrage ein sogen. „Anwaltstrick“ gewesen ist? man wollte wohl nurdie Rede auf meine Korrespondenz mit Max Reinhardt bringen?) Ichhabe zu dieser Frage gesagt: „Reinhardt wird doch nicht so dummsein und derartiges schreiben“?! Worauf der Richter sagte, mitsehr starker ironischer Betonung, die mich erfreute: „dergleichenschreibt man nicht, das sagt man höchstens“!

Wie Sie wohl schon wissen, bin ich ersucht worden,den Brief Max Reinhardts zu den Akten zu legen. Ich habe erklärt,daß meine Auseinandersetzung mit M.R. eine rein private gewesensei und daß ich deshalb den Brief nicht zu den Akten legen möchte.Ich bin dann ersucht worden, wenigstens eine Abschrift zu geben.Ich habe auch dieses abgelehnt, habe gebeten, man möge mir erlauben,daß ich mir überlege, ob ich eine Abschrift geben kann. Dann wur-de ich gebeten, wenigstens den einen Satz aus dem R.-Brief, denich citiert hatte, den Richter lesen zu lassen. „Uebrigens habeich gegen einen Mann ausgesagt, der Harden zeitlebens in der nied-rigsten

Weise angegriffen hat“. Dieser Satz ist auf Wunsch Ihres HerrnVertreters protokolliert worden. – (Hier muß ich bedauern, daßnicht meine Aussage in allen Teilen protokolliert worden ist.)

Ich wäre froh, wenn die an dieser peinlichen Angelegen-heit beteiligten Herren (Wolf, Reinhardt, Kerr) sich bemühenwollten, den vom Richter angeregten Sühnetermin zu einem fürdas Andenken meines verstorbenen Freundes guten Ende zu bringen.Ich wäre auch Herrn Kraus dankbar, wenn er dazu mithelfen wollte.Selbst kann ich nun zu der Sache nichts mehr sagen.

Sie hochschätzend und dankbar für dieUebermittelung meiner Bitte

KrausKerr, Wolf