112.58 Brief RA Willy Katz an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. Willy Katz
Friedrichstraße 46
Berlin SW 68
Datum: 4. Juni 1931

Empfänger

An: den | Verlag der Fackel
Hintere Zollamtsstraße
Wien III.
Seite von 4

Im Anschluss an meinen Bericht über die am 3. Juni cr. erfolgteVernehmung des Zeugen Reinhardt habe ich noch folgendes mitzuteilen:

Der Richter machte am Schluss der Beweisaufnahme einen neuerlichenund dringlichen Versuch, die Parteien zum Abschluss eines Vergleicheszu bringen. Rechtsanwalt Landsberg erklärte sich prinzipiell sofortdazu bereit, und auch Dr. Laserstein meinte, dass bei Beschränkung aufbestimmte Punkte ein Vergleich nicht ausserhalb des Bereichs der Mög-lichkeit läge. Es wurde, wenn auch ganz vage, über die etwa abzugebendenErklärungen verhandelt, bis Dr. Landsberg in die Debatte warf, dass vonunserer Seite eine Erklärung abgegeben werden müsste, wonach Herr Kraus sich von der Unrichtigkeit der Harden’schen Behauptung überzeugt hätte.Dies wies ich, als von Anfang an indiskutabel und unannehmbar, zurück.Darauf sagte Dr. Landsberg, „ich habe es ja immer gesagt, Herr Kraus willeben keinen Vergleich “.

Ich habe leider den Eindruck, dass der Richter die Streitsituationund den tieferen Gehalt der Beleidigungsklage nicht erfasst hat. Da mirbekannt ist und durch den Verlauf des Rechtsstreits in I. Instanz darge-tan ist, wie ungünstig einer Partei es ausschlagen kann, wenn sie, auchin berechtigten Grenzen, als nichtvergleichswillig erscheint, möchte ichzur Diskussion stellen, die Grenzen eines acceptablen Vergleiches an-zugeben, von dem ich übrigens als unbedingt sicher annehme, dass die

Gegenseite ihn ablehnt. Meinem Ermessen nach könnte man sich etwa auffolgender Basis einigen:

„Der Angeklagte Wolffhat in No … des BerlinerTageblatts vom 6.9.28 geschrieben: ‚Obwohl die erwähnte Mit-teilung der 2 Herren kein ernster Anlass zur Widerlegung seinkann, stellt der Chefredakteur des Berliner Tageblatts fest, dassdie von ihnen vorgebrachte Verdächtigung in das Reich der einfa-chen Lüge gehört.‘ Er bedauert, diesen Satz geschrieben zu haben.Er erklärt, nicht länger die Mitteilung des Privatklägers übereine Aeusserung Hardens – wonach Herr Dr. Kerr nur unter bestimm-ten Bedingungen betreffend sein Verhalten zu Reinhardt’schen Insze-nierungen an das Berliner Tageblatt engagiert worden sei – als un-wahr oder als eine Lüge charakterisieren zu können. Ferner bedau-ert er, in einigen Privatbriefen Herrn Kraus Reklamesucht vorge-worfen, die Beweggründe seiner publizistischen Tätigkeit verdäch-tigt und sein Verhalten im Krieg als zweideutig und zur Täuschungleichtgläubiger Leser eingerichtet, charakterisiert zu haben. Ergibt zu, dass diese Herabsetzungen des Privatklägers ohne jede Be-rechtigung erfolgt sind.

Hiernach erklärt der Privatkläger, dass zur Aufrechterhaltungdes Ausdruckes ‚frecher Schwindel‘ in seinem Vortrag vom 1. Oktober1928, abgedruckt No 795 bis 99 der Fackel Anfang Dezember 1928, keinAnlass mehr vorhanden sei. Jene Bemerkung bezog sich auf den Ver-such des Angeklagten, die Mitteilung des Privatklägers über dieerwähnte Aeusserung Hardens, so zu deuten, als habe der Privat-

kläger sie nicht nur erfunden, sondern sich deren Inhalt zu eigen ge-macht, obwohl er aus dem Text der Fackel erkennen musste, dass von vorn-herein der Privatkläger eine Uebernahme der Beschuldigung als solcherund eine Identifizierung mit derselben ablehnte.“

Dieser Vergleich müsste vom Berliner Tageblatt wörtlich publiziertwerden.

Ich halte es natürlich für ausgeschlossen, dass die Gegenseite einendem Sinne nach ähnlichen Vergleich abschliesst, glaube aber unsere takti-sche Situation zu verbessern, wenn wir, den vielfachen Anregungen des Rich-ters folgend, zur Annahme einer derartigen Beilegung des Prozesses uns be-reit erklärten. Ich habe gestern mit Dr. Laserstein darüber gesprochen undmit ihm vereinbart, dass ich eine entsprechende Anregung an Herrn Kraus gelangen liesse. Wir beide würden es sehr begrüssen, die Meinung vonHerrn Dr. Samek zu diesem Punkte zu hören und eventuell eine von ihm ge-billigte Formulierung zu erhalten.

Zur Prozesslage selbst möchte ich bemerken, dass sie mir nach wie vornicht schlecht und bei weitem günstiger als in der I. Instanz zu seinscheint. Die Aussage des Zeugen Reinhardt hat bestimmt auf den Richter keinen überzeugenden und durchschlagenden Eindruck gemacht. Sie hat ihreerheblichen Schwächen und wird sich in der Hauptverhandlung eher für alsgegen uns auswerten lassen. Immerhin halte ich lediglich eine VerurteilungWolffs und eine Freisprechung des Herrn Kraus nur zu einem geringerenTeil als wahrscheinlich. Man muss damit rechnen, dass entweder beide Partei-en freigesprochen oder (aus formellen Gründen hinsichtlich des Herrn Kraus)beide Parteien verurteilt würden. Dagegen scheint mir die Aufrechterhal-

tung des Urteils I. Instanz als die bei weitem unwahrscheinlichste Aussicht.

Wie ich aus Pressenotizen und wohl auch mündlichen Berichten weiss,hat Herr Kraus in der ersten Hauptverhandlung eine grosse Anzahl von Kriti-ken Kerr’s aus seiner Tätigkeit bei Scherl zur Vorlesung gebracht. Mir sindjene Kritiken nur aus der von Kerr selbst im Verlag Fischer veranstaltetenund redigierten Auswahl bekannt. Ich wäre Herrn Kraus sehr verbunden, wenn ichdie Nummern und Daten der betreffenden Ausgaben des „Tag“ erfahren könnte. Dennes scheint mir notwendig, die wichtigsten Kritiken sowohl vor wie nach demUebertritt zu Mosse dem Gericht vor der Hauptverhandlung einzureichen. Hierzumöchte ich bemerken, dass Herr Dr. Leschnitzer trotz vielfachen Erinnernsuns die oft versprochene Zusammenstellung von „Berliner Tageblatt“ Kritikennoch immer nicht übermittelt hat.

Nach dem Ausfall der Notwendigkeit, die Zeugen Reinhardt, Holländerund Schmaltz für die kommende Verhandlung zur Stelle zu schaffen, rechneich damit, dass der Termin etwa Ende September 1931 angesetzt und statt fin-den wird.

Mit der Bitte, Herrn Kraus meine sehr ergebene Empfehlung zu über-mitteln zeichne ich

mit vorzüglicher HochachtungDr. Katz

Kraus KerrWolff