112.59 Brief Samek an RA Willy Katz

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift
  • Karl Kraus, Bleistift

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 10. Juli 1931
Betreff: Kraus – Kerr – Wolf
Diktiersigle: Dr.Sa/W

Empfänger

An: Wohlgeboren | Herrn Dr. Willy Katz, | Rechtsanwalt
Friedrichstrasse 48
Berlin SW 68
Seite von 3

Sehr geehrter Herr Kollege!

Mit bestem Dank und herzlichster Empfehlungdes Herrn Karl Kraus teile ich Ihnen über Ihren Wunsch auf Ihrefreundliche Zuschrift vom 4. Juni, die Sie an den Verlag derFackel gerichtet haben, das folgende mit:

Das prinzipielle Eingehen auf einen Vergleichkönnte wirklich nur aus den von Ihnen mit Recht berührten takti-schen Rücksichten in Erwägung gezogen werden, das heisst also,wenn Sie tatsächlich der Ansicht sind, dass ein Vergleichsvor-schlag, dessen Ablehnung von der Gegenseite sicher zu erwartenist, gleichwohl auf dem Niveau der Judikatur, die die Sache alsPrivathandel betrachtet, den ungünstigen Eindruck vermeidenhilft, den eine prinzipielle Vergleichsverweigerung hervorruft.Zu diesem Zwecke könnte Ihr sonst ausgezeichneter Vorschlagaber nur mit solchen Ergänzungen eingebracht werden, die denSachverhalt ausgiebig darstellen, also der Gefahr begegnen, dassauch nur einem Aktenstück die Version zu entnehmen sei, dass inder Beurteilung des Falles Kerr irgend eine Konzession gemachtwird. Wenn man auch ohne weiters und vor aller Welt zugeben kann,

dass in jenem Vortrage die Aeusserung Hardens nicht in ihremInhalte – der Behauptung eines formellen Vertragsabschlusses –annektiert wurde, so muss doch Klarheit in der Richtung ge-schaffen werden, dass Herr Kraus eine tatsächlich vollzogenekritisierte Sinnesänderung des Kerr nach wie vor behauptet, diesich eben durch den blossen Uebertritt von Scherl zu Mosse inSachen Reinhardt von selbst verstand.

Es wäre also der erste Absatz von „Der AngeklagteWolff“ bis „ohne jede Berechtigung erfolgt sind“ – als die uner-lässliche Erklärung des Herrn Wolff zu belassen. Das folgendeWort des nächsten Absatzes „Hiernach“ könnte sowohl statt einestemporellen wie auch einen causalen Sinn haben und wäre wegen eines des Missverständnisses zu vermeiden. Ich würde vorschlagen,anzuschliessen:

Der Privatankläger erklärt, dass zur Aufrechterhaltungdes Ausdruckes ‚frecher Schwindel‘ in seinem Vortrage vom 1. Okto-ber 1928, abgedruckt Nr. 795–799 der Fackel, Anfang Dezember 1928,kein Anlass mehr vorhanden sei. Jene Bemerkung bezog sich auf denVersuch des Angeklagten, die Mitteilung des Privatklägers über dieerwähnte Aeusserung Hardens so zu deuten, als habe der Privat-kläger sich deren Inhalt zu eigen gemacht, obwohl er aus demText der Fackel erkennen musste konnte , dass von vornherein der Privat-kläger die Uebernahme der Beschuldigung als solche und eine Iden-tifizierung mit derselben nicht im Sinne hatte, sondern lediglichdie Tatsache kritisierte, dass auf die Beschuldigung Hardens, dieFranz Pfemfert veröffentlicht hat hatte und die durch die divergierendeHaltung Kerr’s eine Stütze zu finden schien, keine Antwort erfolgt

ist. Da sich herausstellte, dass der Angeklagte durch eine falsche[¿¿]ndlicheInformation über den Inhalt des Vortrags irregeführt, der Meinungwar, dass eine solche Uebernahme und Identifizierung tatsächlicherfolgte, so ist zu dem Vorwurf einer dolosen Deutung, die mitden Worten ‚frecher Schwindel‘ charakterisiert war, kein Grundvorhanden.

Wenn diese Abänderung Ihres Vorschlages IhreBilligung findet, so bitte ich Sie also den Ausgleichsvorschlageinzureichen.

Mit vorzüglicher kollegialerHochachtung