119.2 Brief Samek an Neues Wiener Journal (verantw. Red. Desiderius Papp)
Materialitätstyp:
- Durchschlag
Sender
Dr. OSKAR SAMEK | RECHTSANWALTSchottenring 14
Wien I.
Empfänger
An: den | verantwortlichen Redakteur des „Neuen Wiener Journals“ | Herrn Dr. Desiderius PappBiberstrasse 5
Wien I.
Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus fordere ich die Berichtigung der in Ihrer Nr. 12635 vom Freitag den25. Januar 1929, Seite 5 mitgeteilten meinen Mandanten betreffendenTatsachen gemäss § 23 Pr.G.
Sie berichten unter dem Titel „KarlKraus’ neueste Affäre. Ein-spruch gegen die geplante BerlinerAufführung eines Schlüsseldramasaus der Wiener Gesellschaft.“, dassKarl Kraus „bereits wieder in eine neue Affäre verwickelt“ ist,indem „im Theater am Schiffbauerdamm als nächste Vorstellung imStudio die Satire ‚Die Unüberwindlichen‘ unter der Regie von BertBrecht vorbereitet“ wird, „ein Schlüsseldrama schlimmsterSorte, in dem führende Persönlichkeiten der Wiener poli-tischen und Finanzwelt verunglimpft werden“,und indem „nun von seiten einer in diesem Stücke verspotteten Per-sönlichkeit Einspruch gegen die Aufführung erhoben und der
Schutz, der nach dem reichsdeutschen Gesetz dem Privatleben ge-währleistet ist, erbeten“ wurde; „falls, woran nicht zu zweifelnist, diesem Einspruch Folge geleistet wird, müsste die Premiereunterbleiben“.
Die in diesem Bericht enthaltenen tatsächlichen Be-hauptungen sind unwahr. Es ist unwahr, dass „Die Unüberwindlichen“ein Schlüsseldrama aus der Wiener Gesellschaft sind, gegen welcheseiner der darin vorkommenden Persönlichkeit nach dem reichs-deutschen Gesetz der Schutz des Privatlebens gewährleistet ist.Wahr ist, dass den „Unüberwindlichen“ Vorgänge des öffentlichenLebens, wie die Ereignisse des 15. Juli 1927, die Angelegenheit derLeumundsnote für Emmerich Bekessy und dessen publizistische Be-ziehungen zu führenden Persönlichkeiten der Wiener politischen undFinanzwelt zugrunde liegen. Es ist unwahr, dass von seiten einerin diesem Stücke verspotteten Persönlichkeit Einspruch gegen dieAufführung erhoben wurde. Wahr ist, dass ein solcher Einspruchnicht erhoben wurde. Es ist somit unwahr, dass Karl Kraus bereitswieder in eine neue Affäre verwickelt ist. Wahr ist, dass er imZusammenhang mit der geplanten Aufführung der „Unüberwindlichen“in keinerlei Affäre verwickelt ist. Es ist unwahr, dass als nächsteAufführung im Studio des Theaters am Schiffbauerdamm „Die Unüber-windlichen“ vorbereitet werden. Wahr ist, dass dieses Stück alsübernächste Aufführung vorbereitet wird und als nächste Aufführung„Wolkenkuckucksheim“, ein Versspiel auf Grundlage der „Vögel“ desAristophanes von Karl Kraus.