125.59 Brief Frankfurter Städtisches Schauspielhaus an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Hedwig Levi-Michel
FRANKFURT AM MAIN
Datum: 8. Januar 1932

Empfänger

An: Herrn Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor!

Aus Ihrem Schreiben vom 30. v.Mts. ersehe ich,dass es Ihnen, bezw. Ihrem Auftraggeber in erster Linieauf den Erhalt der Vertragsstrafe ankommt. Dieser Stand-punkt berührt mich umso eigenartiger, als nach IhremSchreiben eine ganze Reihe von Bühnen ihrer Aufführungs-verpflichtung bisher nicht nachgekommen sind. Ich hatteangenommen, dass Herr Kraus umso mehr Wert auf eineAufführung in Frankfurt a.M. legen würde. Dassich hierzu nicht nur heute, sondern bereits im Frühjahrv.Js. bereit war, bitte ich aus unserem Schriftwechselnochmals festzustellen. Unter dem 25.II.1931 nannte ichIhnen als letzten Termin für die Aufführung den 19.4.1931.Nur mit Rücksicht auf Ihren Brief vom 3.3. v.Js. habe ichdamals die Aufführung in das Spieljahr 1931/32 verschoben.Selbstverständlich konnte ich mir nicht vorschreibenlassen, das Stück in einem bestimmten Monat der folgendenSpielzeit herauszubringen, nachdem seine Aufführung schoneinmal festgesetzt war. Bei der Gestaltung des Spielplaneshabe ich nicht nur auf die Interessen des Herrn Kraus Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf diejenigen des vonmir geleiteten Instituts, das heute einen harten Exi-stenzkampf führt. Ich gestatte mir, auch darauf

hinzuweisen, dass das Frankfurter Schauspielhaus – abge-sehen von den unentbehrlichen Kassenstücken – in derlaufenden Spielzeit angesichts des Goethejahres sich imbesonderen Masse den Klassikern zu widmen hat. Ich habedeshalb mit guten Gründen in meinem Schreiben vom 12.3.31 mich nur auf die Spielzeit im ganzen festgelegt, wobeiich selbstverständlich die berechtigten Wünsche des Autors nach Möglichkeit zu erfüllen beabsichtigte. Da das Schrei-ben vom 12.3.31 unbeantwortet blieb, musste ich auf IhrEinverständnis schliessen.

In Uebereinstimmung mit dem Justitiar unseresHaus, Herrn Magistratsrat Dr. Heun, lehne ich demgemässdie freiwillige Zahlung einer Vertragsstrafe ab. MeinerAufführungsverpflichtung werde ich durch Heranziehung desLeipziger Komödienhauses genügen, da mir die LeipzigerAufführung, an der, wie mir mitgeteilt wird, der Autor persönlich sehr stark mitgearbeitet hat, in besonderemMasse geeignet erscheint. In dieser Absicht bestärkt michauch die Tatsache, dass das Frankfurter Publikum aufGesamtgastspiele auswärtiger Bühnen besonders günstigreagiert.

In vorzüglicher HochachtungDr. Kronacher

KrausStädtische Bühnen 11. JAN. 1932