125.91 Brief RA Willy Katz an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. Willy Katz
Friedrichstraße 204
Berlin SW 68
Datum: 3. März 1932

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt | Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 8

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ueber den Verlauf der Verhandlung in Sachen Fackel ./.Stadt. Bühnen habe ich Sie gestern schon telefonisch unter-richtet und Ihnen mitgeteilt, dass ich schliesslich dazu ge-kommen bin, die Klage zurückzunehmen und die bisher entstandenenKosten anzuerkennen. Die Verhandlung spielte sich folgender-massen ab:

Ich gab in einem ausführlichen Plädoyer dem Gerichtshof,der aus fünf Personen besteht, eine eingehende Darstellung desSachverhalts und unserer Rechtsauffassung unter Hervorhebungund Verlesung der wichtigsten Stücke der Korrespondenz. DerAnwalt der Gegenpartei war der Kollege Tovote. Schon vor Beginnder Verhandlung nahm am Verhandlungstisch der RechtsanwaltWenzel Goldbaum Platz, der auf eine später zur Verhandlungkommende Sache wartete. Ich möchte noch bemerken, dass vordem Bühnenschiedsgericht in etwas lockererer Form als vordem ordentlichen Gericht verhandelt wird, und dass der Rechts-und Streitstand auch während der Plädoyers oft in einer hin-

und hergehenden Erörterung zwischen den Parteien behandeltwird. Schon während meines Plädoyers unterbrach mich der Vor-sitzende, Landgerichtsdirektor Dr. Weigert, der auch den Vor-sitz der landgerichtlichen Zivilkammer, der den ProzessFackel gegen Volksbühne vorgelegen hatte, geführt hat, öfters.Er wies wiederholt darauf hin, dass er gegen die Begründet-heit des Anspruchs auf Konventionalstrafe Bedenken habe. Erliess keinen Zweifel darüber, dass er das Schreiben der Be-klagten vom 12. März 1931 so auslege, als sei die Beklagte ledig-lich die Verpflichtung eingegangen, das Stück im Laufe derganzen mit dem Herbst 1931 beginnenden und im Sommer 1932endigenden Spielzeit aufzuführen. Sämtliche von mir gegendiese Auffassung vorgetragenen Argumente liess er nicht alsstichhaltig gelten. Er wandte ein (der Vorsitzende) dass dieKlägerin durch ihr Schweigen auf dieses Schreiben sich desRechts begeben habe, eine Aufführung bis zum 31. Dezember 1931zu verlangen. Aber auch gegen den zweiten Punkt, mit dem ichden Anspruch auf Vertragsstrafe begründete, nämlich, dass dieBeklagte ja keinesfalls die versprochene Zweimonatsfristfür Ankündigung des Aufführungstermins innegehalten habe, äusser-te er Einwände und betonte, dass man ihre Verpflichtung nachdieser Richtung nicht als eine derart schwerwiegende auf-zufassen brauche, dass ihre Verletzung mit der Verwirkung derKonventionalstrafe gesühnt werden müsse. So unverständlichmir dieser Standpunkt erschien und auch heute noch ist, sokonnte ich meinem Gefühle nach trotz Hervorhebung der hier-hergehörigen Argumente und trotz genauer Vorlegung und Er-örterung der betreffenden Korrespondenzstücke auch

hier nicht durchdringen. Dagegen liess er keinen Zweifel erkennen,dass er den Standpunkt der Klage, dass die einmalige Aufführungdurch das Leipziger Komödienhaus keine wirksame Vertragser-füllung darstelle, billige, und begründete dies vor allem da-mit, dass nach der Rechtsprechung des Bühnenschiedsgerichts eszur Erfüllung der Aufführungspflicht nicht genüge, wenn einStück als einmalige Aufführung angekündigt werde. Er fügte hin-zu, hier würde der Beklagten nichts übrig bleiben als dasWerk noch einmal aufzuführen.

Nachdem ich etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde ge-sprochen hatte, begann der gegnerische Vertreter sein Plädoyerund stützte den Klageabweisungsantrag auf zum Teil meines Er-achtens ganz lächerliche und aus der Korrespondenz leicht zuwiderlegende Behauptungen. Er war ungefähr am Schlusse seinerAusführungen angelangt, als sich plötzlich der RechtsanwaltGoldbaum, der inzwischen vorübergehend den Raum verlassen hatte,erhob und dazwischen rief: „Ich habe soeben festgestellt, dassHerr Kraus garnicht Mitglied des Verbands der Bühnen schrift-steller bezw. der entsprechenden oesterreichischen Vereini-gung ist, und dass daher die Prozessführung vor dem Bühnenschieds-gericht unzulässig ist.“ Hierauf folgte eine Reihe durchein-andergehender Erörterungen und Fragen sämtlicher Beteiligtenund der einzelnen Mitglieder des Gerichtshofs. Unterbrochenwar der Vortrag des Kollegen Tovote, der den ihm zugerufenenEinwand bereitwilligst aufgriff. Ich protestierte gegen dieunzulässige Unterbrechung von dritter Seite und erklärte sofortnach der materiellen Richtung, dass es auf den Einwand nicht

ankommen dürfe, da die prozessbeteiligten Parteien, nämlichdie verklagte Bühne und der klagende Verlag Mitglieder der indem Tarifabkommen vorgesehenen Verbände seien, und dass es aufdie Eigenschaft des Autors prozessual nicht ankommen könne,weil er in diesem Verfahren ausserhalb des Rechtsstreitesstünde, dass er aber überdies Alleininhaber des Verlages sei. Der Vorsitzende fragte zunächst Herrn Goldbaum, woher erdenn sein Wissen habe. Dieser bemerkte, dass Herr Kraus inden deutschen Listen des Verbandes nicht geführt würde und einanderer Herr bestätigte etwas später, dass auch die Listendes österreichischen Verbandes Herrn Kraus nicht enthielten.Es wurde nun zunächst dadrüber gesprochen, ob der nunmehrvom Beklagten vorgebrachte Einwand als solcher rechtserheblichsei, wenn er zuträfe. Dem Vorsitzenden, Direktor Dr. Weigert,war zunächst die Tragweite des Einwands in prozessualer Hin-sicht zu mindestens sehr zweifelhaft, und ich hatte das Ge-fühl, dass er nicht abgeneigt sei, hier zunächst meinen wieder-holt vorgebrachten Standpunkt, dass die Mitgliedschaft oderNicht-Mitgliedschaft des Herrn Kraus in einem der in Rede stehen-den Verbände völlig unerheblich sei, zu folgen. Hier drängtesich nun noch wiederholt Herr Wenzel Goldbaum in die Debatte,indem er bemerkte, dass dieser Fall schon früher wiederholtvon den Bühnenschiedsgerichten im Sinne seiner Behauptungentschieden worden sei, dass der Verband der Bühnenschrift-steller nicht sein Geld dazu hergäbe, um es einem Nichtmit-glied zu ermöglichen, vor einem Forum, an dem der Verband betei-ligt sei, seine Recht wahrnehmen zu können, dass er bei Ab-fassung des Tarifvertrages ectr. beteiligt gewesen sei, daher

den Standpunkt und die Absicht der Vertragsschliessenden Ver-bände genau kenne, und dass er hier als Syndikus des Verbandes auch als Aussenstehender die Rechte der dort vereinigtenSchriftsteller wahren müsse. Dies auf meinen wiederholtenProtest gegen sein Dazwischenreden. Nun verbat sich aber auchder Vorsitzende jede weitere Einmischung des Herrn Goldbaum und schloss seine Rüge mit den Worten: „Seien Sie ruhig.“ –Das Gericht besprach nun unter sich die Erheblichkeit des nun-mehr von der Beklagten vorgebrachten Einwandes der Unzustän-digkeit des Schiedsgerichts und gab zu erkennen, dass es demEinwand stattgeben und die Unzuständigkeit des angerufenenGerichts erklären würde. Bevor es einen dahingehenden Spruchverkündete wurde mir Gelegenheit gegeben, Anträge zu dem Ein-wand der Beklagten zu stellen, ich entschloss mich, nach einigerUeberlegung, die Klage zurückzunehmen, und die bisher ent-standenen Kosten anzuerkennen, hierbei waren ausschlaggebendfür mich folgende Erwägungen:

Es war nicht daran zu zweifeln, dass bei Antrag auf Ab-weisung des gegnerischen Einwandes das Gericht in einem Spruchder Beklagten die Unzuständigkeit des Gerichtes bestätigen würde.Hierdurch wären die so entstandenen Kosten noch erhöht worden.Ein Rechtsmittel an das Oberschiedsgericht wäre möglich gewesenund vielleicht hätte dieses die Zuständigkeit des Bühnenschieds-gerichts bejaht. In diesem Falle war damit zu rechnen, dass derAntrag auf Verurteilung zur Konventionalstrafe abgewiesen undnur dem Feststellungsantrag entsprochen worden wäre. Hiergegenwäre kein Rechtsmittel zulässig gewesen, da der Streitwertdie Grenze von 3000,– RM. nicht überstieg. Ich nahm nun nicht

an, dass es dem Interesse von Herrn Kraus entsprochen hätte,die Beklagte ohne Konventionalstrafe davonkommen zu lassen.Andererseits halte ich den Anspruch auf diese vor einem ordent-lichen Gericht für mit, an Sicherheit grenzender, Wahrschein-lichtkeit durchsetzbar. Durch den nunmehr von der Beklagten selbst vorgebrachten Einwand der Unzuständigkeit des Bühnen-schiedsgerichts wird der Klage der Weg vor dem ordentlichenGericht eröffnet und zwar nach § 9 des Vertrages vom 23. Mai1929 in Wien oder wahlweise in Frankfurt a.M. Dies erschienmir als ein so erheblicher Gewinn, dass ich damit die Zu-rücknahme der Klage für gerechtfertigt ansah.

Nachdem ich, wie geschildert, verfahren war, erklärteDirektor Weigert nochmals im Beisein noch sämtlicher Prozess-beteiligten: „ich für meine Person hätte den Antrag auf Kon-ventionalstrafe abgelehnt “. Die Verletzung der Wahrung derZweimonatsfrist erscheint mir nicht wesentlich genug, um dieKonventionalstrafe zu rechtfertigen. Anders steht es mit demzweiten Punkt der Klage. Da im Schiedsgericht zwei Mitglie-der des Bühnenvereins sitzen, so wäre aller Voraussicht nachgenau so wie der Vorsitzende es aussprach, entschieden worden.

Ich füge noch hinzu, dass der Wert des Feststellungs-antrags auf 1000,– Reichsmark bestimmt worden ist.

Das Verhalten des Herrn Wenzel Goldbaum ist so ungewöhn-lich, dass es durch eine Anzeige an die Anwaltskammer ver-folgt zu werden verdient. Ich würde vorschlagen, sehr geehrterHerr Kollege, dass Sie diese Anzeige erstatten, werde andern-falls aber auch gern sie selber einreichen.

Mit vorzüglicher Hohachtungund herzlichen Grüssen, sowie der

Bitte, Herrn Kraus den Ausdruck meiner Verehrung zu übermitteln

sehr ergebenstDr. Katz

Kraus städt. Bühnen 4. MRZ. 1932