144.47 Brief Samek an RA Richard Frankfurter

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 9. September 1931
Betreff: Kraus – Altenbergauswahl.
Diktiersigle: Dr.S/K

Empfänger

An: Herrn | Justitsrat Dr. Richard Frankfurter | Rechtsanwalt
Nikolsburgerplatz 2
Berlin-Wilmersdorf
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ihr Schreiben vom 13. August 1931 mit derAbschrift des vom Verlag S. Fischer angeblich am 17. Juli 1928 anHerrn Kraus gerichteten Briefes habe ich meinem Mandanten, derverreist ist, an seinen Urlaubsort nachgesendet. Gleichzeitig habeich, um alle Eventualitäten erschöpfend zu erforschen, im Verlag„Die Fackel“, bei Herrn Sigismund von Radecki und bei Herrn Dr.Laserstein nachgefragt, ob bei Ihnen das Schreiben vom 17. Juli1928 liegt oder ob sie etwas darüber wissen. Weder Herr Kraus nochdie anderen Befragten können sich überhaupt an ein Schreiben desS. Fischer-Verlages an Herrn Kraus erinnern. Dass ein solches Schrei-ben jemals angekommen, ist daher auszuschliessen; wenn ein solchesangekommen wäre, so hätte es Herr Kraus gewiss sofort beantwortetund auf die Unmöglichkeit hingewiesen, sich Beschränkungen aufer-legen zu lassen, die von anderen als künstlerischen Richtpunktengeleitet werden. S. Fischer hätte ja, da in dem Brief noch erwähntwird, er erwarte mit Interesse die Antwort über die Aufnahme seinesVorschlages, diese betrieben, wenn es sich nicht, wie ich von allemAnfang an vermutete, nur um einen Briefentwurf gehandelt hätte. Siewerden also doch überzeugt sein müssen, dass der Brief nicht in denBesitz des Herrn Kraus gelangt ist. Ihre logische Deduktion, dass

er in den Besitz des Herrn Kraus gelangt sei, weil „Postsendungenerfahrungsgemäss nicht verloren zu gehen pflegen“, ist unhaltbar,Postsendungen werden in der Regel zugestellt, die Erfahrung lehrt,dass dies manchmal nicht der Fall ist. Die Erfahrung kann aber nielehren, dass Postsendungen nicht verloren zu gehen pflegen. Nur einrecommandiert aufgegebener Brief mit erhaltenem Rückschein ist einBeweisstück. Ohne einen solchen könnte auch er verloren gegangensein.

Sie schrieben, dass Ihnen meine „Erwähnung“, dassdas Manuskript des Auswahlbandes Ihrer Mandantin vorgelegen hat,nicht recht verständlich ist. Ich hatte niemals die Absicht, Ihnengegenüber etwas zu „erwähnen“, also Ihnen nebenbei eine Tatsachemitzuteilen, sondern aus einer Tatsache, die Ihnen ja bekannt war,rechtliche Schlüsse zu ziehen. Mein rechtlicher Schluss ist alsoder folgende: Herr Kraus hat das Manuskript des Auswahlbandes demS. Fischer-Verlag seinerzeit übergeben. Dies geschah nicht zur Begut-achtung des Manuskriptes oder zu einer kritischen Aenderung, sondernzum Abdruck. Als der S. Fischer-Verlag die Vervielfältigung nichtbegann, wurde er am 28. März 1930 durch Dr. Laserstein hiezu aufgefor-dert. Als Antwort darauf schrieben Sie, sehr geehrter Herr Kollege, dassSie aus in der Sache vorhandenen Briefen entnehmen, dass es zum Ab-schluss eines Verlags-Vertrages nicht gekommen sei, dass, selbst wennein Verlags-Vertrag abgeschlossen worden wäre, Ihre Mandantin ange-sichts der inzwischen abgelaufenen Zeit nicht verpflichtet und nichtin der Lage sei, das Werk herauszubringen; um aber Herrn Kraus jedesEntgegenkommen zu beweisen, sei Ihre Mandantin bereit, ihm das Rechtzur Herausgabe in einem anderen Verlag frei zu geben. Was also HerrnKraus freigegeben wurde, war das dem S. Fischer-Verlag übergebeneManuskript. Sämtliche, mit der Angelegenheit der Altenbergauswahl

befassten Personen bestätigen, dass Ihnen gegenüber niemals voneiner Beschränkung der Auswahl auf 400 Seiten die Rede war.

Ich kann jetzt, wo ich das Schreiben vom 17. Juli1928 kenne, nur erklären, dass ich, selbst wenn Herr Kraus es erhaltenhätte, daraus niemals den Zwang ableiten würde, der Band „müsse“einen Umfang von 400 Seiten haben, sondern lediglich, dass demS. Fischer-Verlag ein solches Ausmass „vorgeschwebt“ hat. Ich glau-be aber nicht, dass der S. Fischer-Verlag auch auf die Einhaltungeiner solchen Seitenzahl bestanden hätte, wenn Herr Kraus ihm imFalle des Empfanges des Briefes vom 17. Juli 1928 die Unmöglich-keit einer solchen künstlerischen Beschränkung dargetan hätte. Denndamals war für S. Fischer lediglich die Verkäuflichkeit des Buches das Wichtigste, nicht der Umfang. Der Verlag S. Fischer sucht glau-ben zu machen, dass er schon damals das Buch wie ein in einemanderen Verlag erscheinendes betrachtet hat.

Obwohl auch die Beschränkung, dass Ihre Mandantin lediglich bereit ist, die Urheber- und Verlagsrechte für den Aus-wahlband auf die Lebenszeit von Herrn Kraus ihm zu überlassen,mindestens aber auf 10 Jahre von 1. Juli 1931 an gerechnet, der sei-nerzeitigen Bereitwilligkeit in Ihrem Briefe aus dem Jahre 1930widerspricht, ihm die Rechte der Herausgabe in einem anderen Verlagfrei zu geben, wobei eine Einschränkung nicht gemacht wurde, willmein Mandant aus dieser keine weiteren Konsequenzen ziehen und istmit der nunmehr gemachten Zeitbeschränkung einverstanden.

Es erscheint sohin mein Verlangen nicht unbe-rechtigt, dass endlich die verlangte Zustimmungserklärung an dieKinderschutz- und Rettungsgesellschaft abgehen wird und ich ersucheSie, Ihre Mandantin dazu zu veranlassen.

Mit vorzüglicher kollegialerHochachtung

KrausAltenbergauswahl