144.65 Brief RA Viktor Fleischer an Anton Schroll Verlag für Kunst und Literatur

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Viktor Fleischer
Berlin
Datum: 12. Dezember 1931

Empfänger

An: Herrn Fritz Meyer | i.Fa. Verlag Anton Schroll & Co.
Graben
Wien
Seite von 3

Abschrift

Lieber Herr Meyer,

mein anderthalbstündiges Ringen mit Herrn Fischer ist voll-kommen erfolglos verlaufen. Die Erklärung zu Punkt 1 des Vertrages,den Sie mit Kraus geschlossen haben, genügt ihm nicht. Ich habe darumdort eingefügt, dass die Uebertragung des Verlagsrechtes der Zustimmungvon Kraus, Rettungsgesellschaft und Verlag S. Fischer bedarf. DieseWorte habe ich ausserdem am Rande ausdrücklich als meine Ergänzung ge-kennzeichnet mit dem Zusatz Dr. V.F. i.V. Schroll & Co. Leider wares mit der Beseitigung dieses Hindernisses noch immer nicht getan.

Ich habe keine Abschrift Ihres Vertrages mit Kraus und mussdeshalb aus dem Gedächtnis zitieren: in dem Vertrag Schroll / Kraus steht,dass im Fall der Auflösung der Fa. Schroll, „die Rechte an dem Auswahl-band“ an Kraus zurückfallen. Das will Fischer unter keinen Umständengelten lassen. Ich habe vergeblich versucht, ihm klarzumachen, dasszurückfallen“ nur solche Rechte können, die der Betreffende vorhergehabt hat. Da Kraus also nur jenes Urheberrecht hat, das sich auf dieAuswahl und Zusammenstellung gründet, auch nur dieses Recht an ihnzurückfallen könne, die eigentlichen Verlagsrechte Fischers aber nichtweiter berührt würden. Fischer besteht darauf, dass die Rechte an ihn (S.F.)fallen müssten, wenn der Verlag Schroll aufgelöst würde.

Fischer sagt, er verstehe sehr wohl, dass Herr Kraus einen solchenPassus in dem Vertrag haben wollte. (Eben ruft mich Fischer wieder ausseiner Privatwohnung an, um mir nochmals zu erklären, dass es so absolutnicht gehe. Durch die Formulierung in dem Vertrag Schroll / Kraus prätendiereKraus ein Recht für die Ewigkeit, das ihm und Ihnen gemeinsam der S. Fischer

Verlag auf eine genau begrenzte Zeit überlassen will.) Das ist allesetwas wirr und ich habe mich bereits bemüht, es Ihnen wenigstens klardarzustellen. In der Unterhaltung mit Herrn Fischer ist es noch vielwirrer. Ich weiss leider gar keinen Ausweg als den, dass Kraus auf diesenSatz ganz verzichtet. Der Satz ist ja an sich wohl vollkommen überflüs-sig, wenn nicht sinnlos; denn wenn Schroll wirklich Pleite macht, dannwird die Fa. weiter existieren mit anderen Inhabern. Dass die Fa. Schroll verschwindet, ist nicht anzunehmen.

Das Traurige ist, dass Fischer, wie ich immer wieder betonenmuss, durch die ganze vorausgegangene Korrespondenz äusserst miss-trauisch ist und überall „Fallen“ wittert. So kommt er heute plötz-lich im Gespräch auf den von ihm selbst stammenden Satz: „Die Verram-schung ist unbedingt verboten“ und fängt mit mir an zu diskutieren,was unter Verramschung zu verstehen sei. Er selbst würde schon denRabatt von 60% als Ramsch ansehen, sagt im nächsten Augenblick aber,ein Kennzeichen des Verramschens sei es, dass der ganze Restbestandeines Werkes en bloc abgestossen werde.

Endlich will er noch eine Erklärung haben, dass ausser den ihmbekanntlich bekannten, keine andern Abmachungen mit Kraus und Rettungs-gesellschaft getroffen wurden. Um die Sache abzukürzen, habe ich ihm vor-geschlagen, dass er seiner Unterschrift diesen Zusatz beifügen möchteund habe ihm den Satz Zusatz genau formuliert: „Unter der Voraussetzung,dass ausser den in diesem Vertrage und den zwei Nebenverträgen festgeleg-ten, keine anderen Abmachungen getroffen worden sind.“

Vielleicht wäre es mir gelungen, heute noch über die letztenSchwierigkeiten hinwegzukommen, obzwar der alte Herr, der sonst gegenmich immer sehr freundlich ist, sehr gereizt schien. In unsere Unter-redung platzte aber die „Unglücksnachricht“ aus Leipzig hinein: die

Generalstäbler des Verlages Fischer rückten mit den telefonischen Be-richten über die gestrigen Leipziger Beschlüsse an, und Sie könnensich denken, dass in diesem Augenblick die Angelegenheit Altenberg fürFischer ein Staubkorn geworden war, während er das ganze Gebäude seinesin 42 Jahren errichteten Verlags wackeln zu sehen meinte. Es war über-haupt nicht mehr möglich, mit ihm über die Altenberg-Sache weiterzureden.Ich habe zum Schlusse gesagt: „das Buch ist fertig, und wir wollen es aus-liefern “ – und Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Ihnen erzähle,dass mir Fischer geantwortet hat: „es ist ausgeschlossen, dass das Buchfertig ist, denn woher hätten Sie das Recht, das Buch auch nur setzen zulassen, solange Sie keinen Vertrag mit mir geschlossen haben.“ Da nachdeutschem Recht jeder Vertrag, dessen schriftliche Ausfertigung vorgesehenist, alle vorausgegangenen mündlichen Abmachungen ungültig erscheinenlässt, hat sich der Verlag Schroll nach der strengsten Auslegung des Ge-setzes, also wirklich einer Verletzung des Urheberrechts schuldig gemacht,und ich kann Ihnen nur dringendst raten, das Buch nicht auszugeben, be-vor nicht der schriftliche Vertrag abgeschlossen ist. Ich zweifle nichtdaran, dass Fischer sofort einen Prozess beginnen würde; und dass Sie denverlieren müssen, halte ich für absolut sicher. Bei der Verwirrung, diedie Leipziger Beschlüsse, resp. die Notverordnung und ihre Auslegungim Sortiment hervorrufen müssen, scheint es mit auch garnicht wünschens-wert, dass das Buch jetzt noch herausgebracht wird.

Mit herzlichsten GrüssenIhrgez. Fleischer