158.5 Brief Generalintendant der Preußischen Staatstheater an RA Willy Katz

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Der General-Intendant | der Preußischen Staatstheater
Oderwallstraße 22
Berlin W 56
Datum: 10. April 1931

Empfänger

An: Herrn Rechtsanwalt Dr. Katz
hier
Seite von 3

In der Angelegenheit des Herrn Karl Kraus weiseich den zur Begründung des vermeintlichen Erstattungsan-spruchs gemachten Vorwurf, es sei dem Rechtsbeistande desHerrn Kraus, Herrn Rechtsanwalt Dr. Laserstein, von mir einefalsche und irreführende Auskunft über den Aufführungsver-trag gegeben worden, mit aller Schärfe zurück. Ich habeHerrn Rechtsanwalt Dr. Laserstein bei seinem Anruf erwidert,daß grundsätzlich nach den Allgemeinen Bestimmungen, dieVertragsinhalt eines jeden Aufführungsvertrages sind,– also auch des Aufführungsvertrages über „Perichole“ –der Autor Änderungen und Striche sich gefallen lassen muss,soweit er nach Treu und Glauben seine Einwilligung nicht ver-sagen kann, und auf den allgemeinen Theaterbrauch verwiesen.(§ 7 Ziff. 1b der Allgemeinen Bestimmungen). Auf diese inallen Punkten zutreffende Angabe hat Herr Rechtsanwalt Dr.Laserstein ganz folgerichtig und sachlich den Wunsch geäussert,unter Vorbehalt aller Rechte zunächst einmal zu erfahren, umwelche Änderungen es sich denn überhaupt handeln sollte.Darauf bin ich sofort bereitwilligst eingegangen und habe,

zumal Art und Umfang der Änderungen und Striche noch keines-wegs feststand, im Einvernehmen mit der Leitung der Kroll-oper diese veranlasst, Ihrem Herrn Auftraggeber Gelegenheitzu geben, die Frage zu besprechen. Dabei habe ich betont,daß die Bühnenleitung mit etwaigen Änderungsabsichten dochnur das Beste des Werkes und des Autors im Auge habe, aucherwähnt, daß der gewiss in diesen Dingen doch sehr erfahreneVertreter des Verlages nach der Erstaufführung ebenfalls dieMeinung geäussert habe, einige Striche würden der Aufführungzu noch grösserer Wirkung verhelfen.

Wenn auf meine Erklärung hin Ihr Herr Auftraggeber oder sein Vertreter verhältnismässig kostspielige Rückfragenin Wien gehalten hat, so ist das seine oder Ihre Sache. DieAnfrage konnte gespart werden, wenn man bei der in Berlin bestehenden Zentralstelle der Autoren und Verleger Nachfragenach den allgemein üblichen Vertragsbedingungen gehalten hät-te. Auch ich hätte auf Wunsch jede nähere Auskunft über denVertragsinhalt gegeben und wäre zur Vorlegung der Allgemei-nen Bestimmungen gern bereit gewesen.

Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen, um denin Ihrem Schreiben erhobenen Erstattungsanspruch nachdrück-lichst zurückzuweisen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit keinen Zweifeldarüber lassen, daß die Bühnenleitung nach wie vor das unbe-streitbare Recht hat, die Änderungen vorzunehmen, für dienach Treu und Glauben die Zustimmung des Verfassers voraus-gesetzt werden kann. Ich bin weiter überzeugt, daß jedes

Schiedsgericht wie jeder andere Sachkenner mit mir der Mei-nung sein wird, daß bei einer Bearbeitung die Zustimmung desBearbeiters – der ja schließlich auch den ursprünglichengeistigen Urheber nicht befragt hat – nach Treu und Glaubenwohl noch eher ersetzbar ist als bei einem Originalwerke.Man hat die Aufführung bisher noch ohne wesentliche Änderungengebracht. Die Ihrem Herrn Auftraggeber gebotene Gelegenheit,über Änderungsabsichten zu verhandeln, hat er ausgeschlagen.Wenn er nach erneuter Rechtsbelehrung den Wunsch hat, auf et-waige Änderungsabsichten Einfluss zu nehmen, stelle ich an-heim ihn zu bitten, sich mit der Leitung der Oper am Platz derRepublik in Verbindung zu setzen.

In vorzüglicher HochachtungIn Vertretung[Unterschrift]