164.3 Brief Samek an RA Willy Katz

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 7. August 1931
Betreff: Kraus – Berliner Tageblatt und Emil Ludwig
Diktiersigle: Dr. S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Willy Katz, | Rechtsanwalt
Friedrichstrasse 204
Berlin. SW 68
Seite von 5

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich danke Ihnen, auch im Namen des Herrn Kraus und mitdessen herzlicher Erwiderung Ihrer Grüsse, für Ihre Zuschrift vom1. August, aus der für uns erfreulicherweise hervorgeht, dass Siedoch nicht abgeneigt sind, zu Gunsten der gemeinsamen Vertretungder Sache Wolff das persönliche Moment zunächst zurückzustellenund eine völlige Klärung zu ermöglichen. Es ist daher wohl ambesten, dass diese Affaire bis zum Eintreffen des Herrn Kraus inBerlin ruht.

Ich habe in diesem Sinne auch Herrn Dr. Laserstein ge-schrieben und ihm gleichzeitig mitgeteilt, dass ich Ihnen in seinerAbwesenheit zwei Rechtssachen übertragen habe.

Zur Durchführung der ersten Rechtssache übersende ichIhnen das Schreiben an das Berliner Tageblatt vom 15. Juli 1931 unddie diesem beigelegte Berichtigung, aus denen Sie den ganzen Sach-verhalt entnehmen können. Den Artikel „Welttheaterkongress in Paris“,der in der Abendausgabe des Berliner Tageblattes vom 11. Juli 1931 erschienen ist, besitze ich nicht; wenn Sie ihn benötigen, bitte ichSie ihn zu beschaffen. Die Berichtigung, die nach österreichischemGesetz unbedingt gebracht hätte werden müssen und die nach meinemDafürhalten auch vollständig dem deutschen Gesetz entspricht, wurdevom Berliner Tageblatt nicht veröffentlicht.

neu

Ich ersuche Sie, die notwendigen Schritte ein-zuleiten, damit die Zeitung gezwungen wird, diese Berichtigung zuveröffentlichen, woferne Sie die Sache nicht für aussichtslos halten.Dass Herr Fred Hildenbrandt die Berichtigung erhalten hat, geht ausdem beiliegenden Rückschein hervor.

Bei der zweiten Sache handelt es sich um eineKlage gegen Herrn Emil Ludwig, eventuell auch gegen den ErnstRowohlt-Verlag in Berlin. Ich übersende ihnen eine Abschrift derHerrn Kraus betreffenden Stellen aus dem Buch Emil Ludwig’sGeschenke des Lebens“. Das Buch ist in den ersten Jännertagen 1931erschienen, die bekanntgegebenen Stellen sind Herrn Kraus vor ca.vier bis sechs Wochen zur Kenntnis gekommen.

Nach meinem Dafürhalten ist die auf Seite 291,292 abgedruckte Stelle als ganze eine Beleidigung gegen Herrn Kraus,insbesondere aber die Behauptung, dass Herr Krauswenn er Geld fürarme Menschen und Tiere hergibt, es auf jedes Plakat und jede Nummerseiner Zeitschrift schreibt“. Als genauem Kenner der „Fackel“ dürfteIhnen ja eine weitere Aufklärung des Falles nicht zu geben sein, dochwill ich Sie nur darauf aufmerksam machen, dass es selbstverständ-lich unwahr ist, dass je auf einem Plakat Spenden ausgewiesen wurdenund die Ausweise, die in jeder Nummer der Fackel erscheinen, ent-springen nicht dem reklamehaften Bedürfnis, die Tatsache der Spendeals solche mitzuteilen, sondern – und umsomehr, als in seinem Sinneauch von anderer Seite Spenden gemacht werden, die ausgewiesen werdenmüssen, – einer selbstverständlichen Verpflichtung. Es sind statisti-sche Ausweise, die mit grösster Genauigkeit durchgeführt, sicherlichden ethischen Sinn haben, für andere Menschen richtunggebend zuwirken, Dokumente eines Wirkens, das sich natürlich nicht nur ingeistigen, sondern auch in materiellen Dingen bekunden soll. Es wärebei dieser Gelegenheit höchst wichtig, gerade Herrn Emil Ludwig zu

fragen, welchen Teil von seinen ungleich grösseren Einkünften erbisher heimlich und ohne publizistische Verlautbarung wohltätigenZwecken zugeführt hat. Sicher reicht er nicht an die zirka S 84.000.-heran, die seit dem Zeitpunkt der stablisierten Währung von derFackel ausgewiesen wurden und seit Beginn der Vorlesetätigkeit wohldas Doppelte ausmachen. Der regelmässige Ausweis, der doch lediglichein Beweisdokument dafür sein soll, dass dem angekündigten wohl-tätigen Zweck einer Vorlesung auch wirklich entsprochen wurde, alsAusfluss der Reklamesucht hinzustellen, ist ganz gewiss eine schwereBeleidigung.

Zu erwägen wäre, ob die allgemeinen Verdächtigungen,wie „als Charakter verliert er die Partie“, in Anbetracht der Ufer-losigkeit einer Beweisführung gleichfalls inkriminiert werdensollen, falls Sie der Ansicht sind, dass jener oben besprochene kon-krete Vorwurf eine aussichtsreiche Klage zulässt.

Ich bin mir bewusst, dass diese Ehrenbeleidigungs-klage vielleicht bei den Richtern kein volles Verständnis findenkönnte, und würde, da eine Abweisung dieser Klage von Gegnern in einerWeise ausgebeutet werden könnte, dass eine Erwiderung notwendig würde,die viele kostbare Zeit in Anspruch nähme, die Einbringung der Klagenur dann wünschen, wenn nach Ihrem Dafürhalten sichere Aussicht aufErfolg besteht. Sollte dieser dann eintreten, so wäre, wenn dies nachdeutschen Gesetzen (wie nach den österreichischen) möglich ist, mitder Verfallserklärung der Bücher vorzugehen.

Ich bitte Sie, mir Ihre Rechtsansicht über diese Ange-legenheiten mitzuteilen und zeichne mit

vorzüglicher kollegialerHochachtung

rekommandiert

Kraus Berliner TageblattEmil Ludwigexp. 8.8.31