164.4 Brief RA Willy Katz an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte

Sender

Dr. Willy Katz | Rechtsanwalt
Friedrichstraße 204
BERLIN SW 68
Datum: den 12. August 1931

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring
Wien 1
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Mit bestem Dank für Ihre Zuschrift vom 7. August 1921 übersen-de ich Ihnen zwei Strafprozessvollmachten, die Sie freundlichstzwecks Unterzeichnung und Rücksendung an Herrn Kraus weitergebenwollen. In der Berichtigungssache bin ich ganz Ihrer Meinungund überzeugt davon, dass die Berichtigung im Wege des Straf-verfahrens zu erzwingen ist. Angeklagt muss Herr Hildenbrandt als verantwortlicher Redakteur werden. Gegen das Berliner-Tage-blatt oder seinen Herausgeber ist der Prozess nicht zu richten.Ist die mir abschriftlich übersandte Berichtigung von Herrn Kraus unterschrieben und datiert gewesen?

Wie eine Beleidigungsklage ausgeht, lässt sich leider fürden berliner Prozessbetrieb selten ganz genau voraussagen. An sichbin ich durchaus Ihrer Meinung, dass die fraglichen Äusserungendes Herrn Ludwig, besonders aber seine unwahre Bemerkung überdie Notizen auf den Plakaten den Tatbestand einer strafbarenBeleidigung erfüllen. Ich erlaube mir hierzu noch die Anfrage, obHerr Kraus in Wien häufiger bezw. regelmässig den wohltätigenZweck einer Vorlesung auf den Plakaten gekennzeichnet hat? Andas beigefügte Akjektivum „jedes“ oder „jede“ wird man sich nichtklammern können. Hierin könnte das Gericht eine nicht strafbare

oratorische Entgleisung sehen. Immerhin sind diese Angaben zweifel-los zum Zwecke der Herabsetzung gemacht. Ebenso halte ich die Be-merkung: „Als Charakter verliert er die Partie“ für strafbar. MeinerMeinung nach kann sie durch den § 193 des Deutschen-Strafgesetz-buches, der nur tadelnde Urteile über künstlerische oder wissen-schaftliche Leistungen für straffrei erklärt, nicht ge w d eckt werden.Ludwig wird natürlich versuchen, die beleidigende Absicht seinerÄusserungen in Abrede zu stellen und sich als Argument für seiner Auslegung auf das vorangegangene Lob d as er literarischen Gesamt-leistung von Herrn Kraus beziehen. Gelingen dürfte es ihm nicht.Nach alledem glaube ich, dass eine starke Chance besteht, denProzess erfolgreich durchzuführen. Garantieren kann ich das abernicht. Indem ich Sie ergebenst bitte, diese Ansicht Herrn Kraus vorzutragen und ihm meine ergebensten Grüsse auszurichtenbin ich mit

vorzüglicher kollegialerHochachtungDr. Katz

KrausBerliner Tageblatt14. AUG. 1931