168.1 Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Mitte (G.Z. 148 B 808/31, Amtsgerichtsrat […] Bues)

Materialitätstyp:

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Datum: 4. Februar 1932
Seite von 2

148.B.808/31. Abschrift.

Beschluss.

In der Privatklagesachedes Schriftstellers Karl Kraus, Wien III,Hintere Zollamtstrasse 3, Privatkläger,vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Willy Katz,Berlin SW.68, Friedrichstrasse 204,gegenden Rechtsanwalt Otto Landsberg,Berlin W.8, Dorotheenstrasse 29, Beschuldigten,wegen Beleidigung,wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Gerichts-kosten werden nicht erhoben. Die gerichtlichen Ausgaben werdendem Beschuldigten auferlegt. Jede Partei hat ihre eigenen ausser-gerichtlichen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Die Ermittlungen des Gerichts bestätigten die Schilderung desBeschuldigten von dem Verlauf der Berufungsverhandlung vom 19.Oktober 1931. Hieraus war die Erregung des Beschuldigten ohneweiteres zu erklären. Denn er als gewissenhafter Anwalt konnte vonseinem Standpunkte aus die Beweisanträge des Privatklägers alsVerschleppungsanträge und rücksichtslose Ausnutzung der straf-rechtlichen Verfahrensvorschriften empfinden, zumal diese Anträgevon der herausfordernden Miene des Privatkläger begleitet wurden.Die Worte des Beschuldigten, die, wie dem Privatkläger zuzugebenwar, Formalbeleidigungen darstellen, waren aber nur als offen-sichtliche, nicht streng zu ahndende Entgleisungen zu würdigen,wie sie bei grosser Erregung wohl jedem gebildeten und beherrschtenManne einmal unterlaufen können. Diese Meinung gewann das Gericht auch aus der Persönlichkeit des Beschuldigten. Denn der beschließen-de Richter kannte ihn aus zahlreichen anderen Verfahren als zu-rückhaltenden und sich immer beherrschenden Anwalt, der auch ingespannten Prozesslagen sachlich zu verhandeln bemüht blieb.Trotz der den Worten des Beschuldigten innewohnenden Schärfe hielt

hielt es das Gericht bei der Besonderheit des vorliegenden Falles undder daran beteiligten Personen, vor allem angesichts des eigenenVerhaltens des Privatklägers, für zweckmässig, von der Einstellungs-befugnis der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 Gebrauch zu machenund die erstattungsfähigen Auslagen der Sachlage entsprechend zuverteilen.

Berlin, den 13. Januar 1932Das Amtsgericht Berlin-Mitte, Abteilung 148.gez. Dr. Bues,Amtsgerichtsrat

Ausgefertigt:L.S. gez. Unterschrift, Justizangestellterals Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Amtsgerichts.

Berlin, NW.40, den 4. Februar 1932Alt Moabit 11

Kraus Landsberg