168.7 Schriftsatz [sofortige Beschwerde] in Sachen Kraus ./. Landsberg (RA Willy Katz an das Amtsgericht Berlin-Mitte, G.Z. 148 B 808/31)

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift
  • schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
Datum: 15. Februar 1932
Seite von 4

Abschrift.

Berlin, den 15. Februar 1932

An dasAmtsgerichtBerlin-Mitte

In SachenKraus ./. Landsberg 148.B.808/31

lege ich, namens des Privatklägers,gegen den Beschluss des Amtsgerichts BerlinMitte, vom 13. Januar 1932, durch den dieVerfahren wegen Geringfügigkeit eingestelltwird, hiermitsofortige Beschwerde ein.

Ich beantrage:den Beschluss aufzuheben und der Pri-vatklage stattzugeben.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat dasVerfahren eingestellt, weil nach seinerBegründung die Ermittlungen, die Schilderungdes Beschuldigten, von dem Verlauf der Be-rufungsverhandlung vom 19. Oktober 1931 be-stätigt hätten. Hieraus wäre die Erregung desBeschuldigten ohne weiteres zu verstehengewesen. Denn er als gewissenhafter Anwalthätte von seinem Standpunkt aus die Erregungdes Beschuldigten oh die Beweisanträge des

Privatklägers als Verschleppungsanträge und rücksichtsloseAusnutzung das strafrechtlichen Verfahrensvorschriften empfindenmüssen, zumal diese Anträge von der herausfordernden Mienedes Privatklägers begleitet worden seien.

Nach dieser Begründung haben die angestellten Ermittlungs-versuche nicht den Erfolg gehabt, den objektiven Tatbestand klar-zulegen, sondern haben vielmehr das Gericht in die Irre geführt.Die Anträge, von denen das Gericht spricht, können garnicht von derherausfordernden Miene des Privatklägers begleitet gewesen sein,weil diese Anträge, über die sich der Beschuldigte entrüstet hatteund mit denen er seine latente Erregung zu erklären versucht,in einem Schriftsatz enthalten waren, der länger als ein zwei Jahre (24.X.29)vor der Berufungsverhandlung verfasst war. Inzwischen waren aberdiese Anträge fallen gelassen, insbesondere waren die Zeugen Weismann,Frau Nielson garnicht geladen, auf Frau Kerr war verzichtetworden. Der Privatkläger kann daher zu Anträgen, die in der Haupt-verhandlung überhaupt nicht gestellt waren, keine, wie immer ge-artete, Miene gemacht haben, und die Schlüsse, die das Amtsgericht aus dem erfundenen und konstruierten Zusammenhang zieht, brechnenin sich zusammen. Ebenso unhaltbar ist die Auffassung des Ge-richts, dass das Verhalten des Privatklägers, nämlich die in Wahr-heit garnicht gestellten Anträge, einer Verschleppungsabsichtdes Privatklägers gedient hätten. Das Gericht verwechselt dabeidie Rolle und das Interesse der Parteien. Derjenige, welcherBerufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Mitte eingelegthatte, war der Privatkläger. Er fühlte sich durch das Urteil derersten Instanz ins Unrecht gesetzt und, wie das Urteil des Beru-fungsgerichts gezeigt hat, mit gutem Grunde. Die Berufung wurdeeingelegt im November 1929. Unzählige Versuche, eine Hauptver-handlung herbeizuführen, scheiterten immer wieder daran, dassZeugen, die in der ersten Instanz günstig für den Angeklagten ausgesagt hatten, wie Professor Reinhardt, der inzwischen ver-

storbene Schriftsteller Felix Holländer, oder und auch der Ange-klagte Wolff selber absagten. Etwa ein halbes Jahr lang war eineDurchführung der Berufungsverhandlung unmöglich, weil der ZeugeKerr ernstlich erkrankt war. Wie man da von Verschleppungsabsichtendes Privatklägers sprechen kann, muss dem Amtsgericht überlassenbleiben. Schliesslich blieb, um zur Hauptverhandlung zu gelangen,nichts weiter übrig, als eine Reihe der immer wieder absagendenZeugen in Einzelterminen kommissarisch zu vernehmen, während ausdemselben Grunde der Privatkläger auf die Ladung einer grossenAnzahl anderer Zeugen verzichtete. So kam die Hauptverhandlungzu stande. Dafür, dass diese Angaben zutreffend sind, beziehe ichmich aufdas Zeugnis des Herrn Landgerichtsrat Dr. Paulus,des Vorsitzenden des Berufungsgerichts.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte gibt zu, dass die inkriminiertenÄusserungen des Beschuldigten Formalbeleidigungen darstellen. DieGründe, aus denen das Gericht versucht, jene Beleidigungen alsnicht streng zu ahndende, offenbare Entgleisungen, zu kenn-zeichnen, entstammen, wie eben dargelegt, einem in der Wirklich-keit überhaupt nicht vorhandenen Sachverhalts. Damit ist derobjektive Teil der Begründung für die Einstellung des Verfahrensgegen den Beschuldigten fortgefallen. Was die subjektiven Momenteangeht, die das Gericht in der Persönlichkeit des Beschuldigten erblickt, so ist zu sagen, dass aus dem Umstand, dass das Gericht ihn sonst als zurückhaltenden und sich immer beherrschendenAnwalt kennen will, nicht gefolgert werden darf, dass er auchin jener Berufungsverhandlung zurückhaltend und beherrschtgewesen sein muss, und wenn er es, wie ja feststeht, nicht ge-wesen ist, durch seine sonstige Zurückhaltung, die dem Privat-kläger ja schliesslich keine Genugtuung für die ihm angetaneEhrenkränkung bietet, nicht entschuldigt werden kann. Abschliessend

ist zu sagen, dass die „Ermittlungen“, auf deren Ergebnis dasGericht seinen Einstellungsbeschluss aufgebaut hat, ungenügendgewesen sind, und dass nicht der mindeste Anlass vorliegt, derPrivatklage nicht stattzugeben.

gez. Dr. Katz Rechtsanwalt

Begleitbrief im Akt. – K.F.St.B.

Kraus Landsberg.