173.23 Brief Samek an Universal-Edition

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Materialitätstyp:

  • Kopie

Schreiberhände:

  • Karl Kraus, schwarze Tinte

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 11. März 1932
Betreff: Kraus – Universal Edition
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: die | Universal-Edition A.G.
Karlsplatz Nr. 6
Wien I.
Seite von 2

Sehr geehrte Herren!

Ein Herr Hans Költzsch sagt in deroffiziellen Programmschrift des Essener Stadttheaters, die wiram 10. März erhalten haben, über „Madame L’Archiduce“ aufSeite 6:

Madame Erzherzog‘ steht spät genug in der Reihevon Offenbachs Werken, dass seinem Schöpfer nichtgelegentlich Routine und Handwerk durchging: der(noch immer reizvolle) Leerlauf ganzer Stücke,Couplets, Chöre, melodischer Floskel, Kadenzwendungenist nicht zu verkennen –“.

Diese in entsprechendem Deutsch vorgebrachteDreistigkeit gegen ein Werk, dem derselbe Betrachter mit RechtMozartrang zuerkennt, ist für uns nur durch die freilich i m n hohe n m Grade überraschende Fussnote beträchtlich, welche indem folgenden Satz besteht, aus dem klar hervorgeht, dass dieEssener Bühne diese undiskutierbare Meinung in die ent-sprechende [¿¿¿¿¿¿¿¿¿] Tat umzusetzen gewagt hat. Die Fussnote lautet:

und wurde in der Essener Erstaufführung durchgeschickte Kürzungen auf ein erträgliches Massreduziert.

Auf Seite 7 desselben Artikels spricht derHerr Költzsch davon, dass ein von ihm anerkannter Wertdes Werkes „uns durch die beiden Schlusstücke frivolisierterscheinen muss“. Diese Dreistigkeit hat unverkennbar gleich-falls ihre Umsetzung in eine dramaturgische Tat gefunden, dennauch zu ihr bemerkt man eine Fussnote, die wörtlich lautet:

Ein Grund für die in Essen vorgenommene Aenderung:die Operette mit einem Zurückgreifen auf ein Ensembledes ersten Aktes zu schliessen.

Ich ersuche Sie, mir durch den Boten, derdiesen Brief überbringt, den Vertrag zu übersenden, den Sie mitder Essener Bühne abgeschlossen haben. Ich zweifle nicht, dassdie Prüfung dieses Vertrages ergeben wird, dass er mit unsererVereinbarung, den Bühnen aufzuerlegen, dass Aenderungen imText oder in der Musik nicht ohne Zustimmung des Herrn KarlKraus vorgenommen werden dürfen, im Einklang ist.

Ich zweifle auch nicht, dass Herr Dr.Heinsheimer, als er am 5. März mit uns über die Essener Auf-führung und insbesondere über ein in der Programmschrift ver-öffentlichtes Szenenbild in positivstem Sinn sprach, von demGeständnis des Vertragsbruchs, das in der Programmschrift abge-legt wird, nichts gewusst hat, weil er den Artikel noch nichtgelesen hatte.

Wenn Sie, wie wir selbstverständlich vonvorneherein gerne annehmen, es nicht unterlassen haben, dieBühne entsprechend unserer Vereinbarung vertraglich zu binden,so werden Sie die Konsequenz zu ziehen haben, gegen die Bühne vorzugehen. Unter allen Umständen behalten wir uns den eigenenSchritt nach dem Urheberrecht gegen die Essener Bühne vor, andie wir uns bereits in diesem Sinne telegraphisch gewendet haben.

In vorzüglicher Hochachtung