175.16 Brief Verlag Die Fackel an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

VERLAG „DIE FACKEL“
HINTERE ZOLLAMTSSTR. 3
WIEN, III.
Datum: 8. April 1932

Empfänger

An: Herrn Rechtsanwalt | Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Seite von 4

Hochgeehrter Herr Doktor!

Leider gelangt Herr Karl Kraus erst jetzt dazu, auf Ihrefreundliche Übermittlung des Schreibens vom 23. III., das der Herr Chef-redakteur der Wiener Mittagszeitung und der Wiener Allgemeinen Zeitung an Sie gerichtet hat, zu antworten. Er hat den Sachverhalt geprüft undist nunmehr der Ansicht, daß sich prozessual weder ein neuer Abdruck derErklärung noch auch nur deren Ergänzung erzwingen lassen dürfte. IhrVerlangen erscheint durchaus begründet durch den Hinweis, daß der Leserder Erklärung ohne Sperrdruck des Klägernamens nicht wissen konnte, fürwelche der dort genannten Personen sie eigentlich ausgestellt sei, undselbstverständlich hätte eine Zeitung, die sich so lebhaft befliß, vondem Rotzbuben, dem sie ihre Spalten geöffnet hatte, wieder abzurücken,nicht zögern dürfen, das Versehen, wofern der Fehler nur ein solcheswar, gutzumachen. Aber Ihr Verlangen beruht auf der Meinung, daß dieSperrung des Namens in der Schreibmaschinschrift als solche eine hinrei-chende graphische Anweisung sei. Das ist leider nicht der Fall, da sichein Sperrdruck gemeinhin nur durch Unterstreichung sichern läßt. Die Re-daktion könnte trotz der mündlichen Weisung, die der gegnerische Anwalt übermittelt hatte, sich auf ihren damaligen guten Glauben berufen, daßdie von ihr dem Druck übergebene Schrift, die ja wie sich herausstellt,später als die Mitteilung des Anwalts eintraf, eo ipso die gewünschteForm aufweise. Die Meinung des Herrn Chefredakteurs allerdings, daß HerrKarl Krausebenso gut“ einen nochmaligen Druck verlangen könnte, wennder Name gesperrt erschienen wäre, „weil dies im Manuskript nicht so an-geordnet worden war“, ist hinfällig. Der Leser des Manuskripts konnte,wenn er mit Bewußtheit zu entscheiden hatte, nicht zweifeln, daß eherder Sperrdruck gewünscht werde, den zu verpönen ja sicherlich kein Grundvorlag. Für einen Prozeß wäre die Sache des Herrn Chefredakteurs gewißaussichtsvoller, wenn er sich nicht auf eine Erwägung, die vor dem Druckerfolgte, sondern auf guten Glauben, Betriebseile und Druckerbrauch be-riefe.

Wie immer aber dem sein mag, und wenn Herr Karl Kraus sonst

für den Prozeß gewesen wäre, so möchte er nun doch von diesem abstehen,und zwar wegen der Eröffnung des Herrn Chefredakteurs, daß er, fallsHerr Kraus auf seinem Recht beharrt, sich vorbehalte, „die ganze Sachepublizistisch zur Austragung zu bringen“. So wenig Herr Kraus wissenkann, wie weit da die Mittagszeitung gehen und ob sie den Wunsch, daßsie seinen Namen in Sperrdruck bringe, bloß als die Absicht einer Schi-kane oder auch als einen Beweis der Reklamesucht und Eitelkeit enthüllenkönnte, so ist Ihnen doch bekannt, daß er jede Art von Polemik scheut.Er kennt sich in diesen Dingen, wie Sie wissen, nicht sehr gut aus, under wird sich hüten, mit Kräften der Mittagszeitung und des 6 Uhr Blatts anzubinden. Er fürchtet die Presse wie ein Schauspieler, Bankdirektor,Ehebrecher oder sonstiger Prominenter, und wiewohl er weiß, daß speziellden Blättern, denen der Herr Chefredakteur vorsteht, nur jene geringfü-gige textliche Gelegenheit offen bleibt, die ihnen die Herrenschneiderund die Schönheitspflegerinnen übrig lassen, und selbst diese noch vonden Theateraffären in Anspruch genommen wird, so scheut er doch nichtsmehr als mit der Öffentlichkeit zu tun zu haben. Wir können Ihnen auchanvertrauen, daß die Drohung des Herrn Chefredakteurs, die ganze Sachepublizistisch auszutragen, sie also ungeachtet des Zivilrechtswegesgleich vor die höchste Instanz, die es im Staatswesen gibt, zu bringen,Herrn Kraus dermaßen konsterniert hat, daß er sich nicht sogleich dazuäußern konnte. Nervöse Erscheinungen, darunter ein Lachkrampf, der sichseiner bemächtigte und dessen Folgen noch immer nicht ganz verschwundensind, haben – nebst Verhinderung durch sonstige Arbeit – die ErledigungIhres Wunsches, sich zu dem Schreiben des Herrn Chefredakteurs zu stellen,verzögert, und er darf wohl vermuten, daß dieser die Nichtbeantwortungbereits darauf zurückgeführt habe, daß seine Drohung gewirkt und HerrKraus klein beigegeben hat. Das ist ja nun tatsächlich der Fall undjetzt, da Herr Kraus sich beruhigt hat und der ganzen Sache objektivergegenübersteht, möchte er Sie bitten, sich gleich ihm mit dem Erfolgezu begnügen, daß die Mittagszeitung Abbitte geleistet und eine Ehrener-klärung abgegeben hat (mögen auch nicht alle Juden verstanden haben, fürwessen Ehre); daß sie die Kosten bezahlt, den Täter, wie versprochenwurde, zur Verantwortung gezogen, und vor allem damit, daß sie die Bußeauf sich genommen hat, blinden Kindern zu einem Radioapparat zu verhel-fen – alles anerkennenswerte Leistungen, die das Ehrgefühl gebot, wäh-rend sie „zeitungsmäßig bei einer Verurteilung bedeutend besser abge-schnitten hätte“.

Mit dem wiederholten Dank des Herrn Karl Kraus für Ihre

Bemühungen um dieses Resultat und mit dem Ausdruck unserer

vorzüglichsten HochachtungVERLAG „DIE FACKEL“

KrausWr Mittags Ztg