176.3 Brief Städtische Bühnen Essen (Rudolf Schulz Dornburg) an Kraus

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

schulz-dornbrug | gerneralmusikdirektor
essen
Datum: 15. märz 1932

Empfänger

An: kraus
Lothringerstraße
I., Innere Stadt
Seite von 1

Abschrift

hochgeehrter herr kraus!

herr rechtsanwalt samek telegrafiert mir, dass Siegegen eingriffe in offenbachs werk und in Ihrtextliches Urheberrecht protestieren.

mir ist der sinn des telegramms vollkommen unver-ständlich, auch wer Sie in dieser form orientierthat – ich habe mich mit meinen leuten voll begeiste-rung an das werk gemacht und in größter ehrfurchtvor Ihrer wundervollen arbeit.

leider fiel in unsere probenarbeit eine bedenklichekrankheits-epidemie im personal, durch die ich imletzten augenblick durch einspringende gäste nichtganz erreicht habe, was mir vorschwebte. ich kannauch nicht beurteilen, ob es mir einigermassen ge-lungen ist, das zu bringen, was ich für das werk und Ihre bearbeitung empfinde und was Sie mir inso wundervoller weise in berlin neuerlich suggerierthaben. ich weiss nur, dass ich textlich selbstver-ständlich nichts geändert habe, sondern mich nurim laufe der letzten arbeiten zu einigen kürzungenentschloss, weil sich die aufführung sonst sehr indie länge gezogen hätte. das werk ist sowieso erheb-lich lang und wir sind hier durch schweren abbau impersonal gezwungen, die umbauten allzu sehr auszu-dehnen, sodass die aufführung am tage der premie-re weit über 3 stunden dauerte, trotzdem ich einige,musikalische kürzungen angebracht hatte und zwarfast durchweg nur durch weglassen der reprisen.

die einzige, erhebliche änderung, zu der ich michschweren herzens entschlossen habe, war der schluss.man hat hier im ruhrgebiet seit monaten in albernerweise über die sogenannte offenbach-renaissance ge-spöttelt und ich musste gefahr laufen, dass die vonIhnen eingefügte verherrlichung offenbachs imschluss-finale die wirkung der aufführung wesentlichgeschwächt hätte.

jedenfalls glaube ich, mich völlig von jeder ver-ballhornung freigehalten zu haben.

ich bedaure ausserordentlich, dass Sie das werk hier nicht hören können, die aufführung hat einennachhaltigen erfolg, wenn auch nicht im sinne desüblichen operetten-klamauks, und wir sind glück-lich, ein so bezauberndes stück in seiner urgestaltauf unserem spielplan zu haben.

ich bin mit dem ausdruck meiner vorzüglichstenhochachtungergebenstSchulz-Dornburg