176.18 Brief RA Otto Elias an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Otto Elias, schwarze Tinte

Sender

Dr.jur. Elias
Hansastraße 50
Dortmund
Datum: den 6. Juni 1932

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen des Herrn Karl Kraus gegen Schulz-Dornburg darf ich zu Ihrem Brief vom 2.6. wie folgt Stellung nehmen:Der Inhalt des Uebereinkommens vom 21.8.31 ist mir noch unbekannt.Ob nach seinem Inhalt ein Rechtsanspruch auf weitere Aufführungenbesteht, entzieht daher sich noch meiner Kenntnis. Ist solcher Rechts-anspruch gegeben, dann wäre er ja wohl auch durch Civilprozess durch-zusetzen und zu verwirklichen. Wir haben jüngst gerade in Dortmund einen solchen Prozess des kommunistischen Schriftstellers Meinberg gegen die Dortmunder städtische Bühnen erlebt.

Frage bleibt nur, ob nicht in der Rückgabe des Werkes inVerbindung mit einer – anscheinend ohne Protest gebliebenen – Rück-nahme durch die Herrn Kraus vertretende Verlagsgesellschaft ein soge-nanntes stillschweigendes Einverständnis auf weitere Aufführungs-Ansprüche liegt; ferner ob die Stadt Essen sich nicht mit Erfolgdarauf wird berufen können, dass der Vertrag vom 21.8.31 als solcherrechtsunwirksam ist, weil, wie Sie mir jetzt sagen, er nur die Unter-schrift des städtischen Beigeordneten trägt:

Erklärungen von Kommunalbehörden müssen bei uns, soweit sie rechtlich

verpflichtender Natur sind, die Unterschriften des Oberbürgermeisters (oder seines Stellvertreters) und eines zweiten Mitglieds desMagistrats tragen. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts legt dazueinen sehr engen Maßstab an und erklärt verpflichtende Abmachungen,die nur eine Unterschrift tragen, als imperfekt und unverbindlich.

Es könnte für Herrn Kraus keineswegs erwünscht sein, aussolchen formellen Erwägungen abgewiesen zu werden. Das ist fürmich der Grund, von Erhebung der Klage zunächst abzuraten: Ich will zumindest erst noch den Vertrag prüfen.

Für einstweilige Verfügung aber bleibt, nach deutschem Civil-prozessrecht, kein Raum, wenn, wie ich von Ihnen jetzt hörte, dieEssener Bühne zurzeit zu einer Aufführung in entstellter Fassunggarnicht in der Lage wäre.

Elias Rechtsanwalt.

KrausEssener städt.Bühnen 8. JUNI 1932