176.34 Brief RA Otto Elias an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr.jur. Elias | Notar
Hansastr. 50 II
Dortmund
Datum: den 4. August 1932
Diktiersigle: S/II.

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen des Herrn Karl Kraus gegen Stadt Essen dürfen wirjetzt davon ausgehen, dass der Vertrag formell in Ordnung geht.

Nun handelt es sich um die Frage, ob1.) dem Strafverfahren Fortgang gegeben werden soll,2.) der Civilprozess einzuleiten wäre.

Zu 1) verweise ich auf meinen – vor Abgang der Strafanzeige anSie gegangenen – Brief vom 30.5., worin ich meiner Auffassung dahinAusdruck gab, es werde „die Essener Staatsanwaltschaft aus mehrerenGründen von der Strafanzeige nicht gerade entzückt sein“.

Trotzdem hatte ich nicht geglaubt, dass sie den Mut aufbringenwerde, ohne jede Beweiserhebung einfach auf den Weg der Privatklagezu verweisen.

Führen wir die Beschwerde an den Generalstaatsanwalt durch– seit Kriegsverlust haben wir unzählige Beamte und kaufmännischtätige höhere Angestellte mit dem Zusatz „General“, teils mit, teilsohne Gehaltszulage, beglückt – und lehnt der Generalstaatsanwaltdas sogenannte Offizial-Verfahren ebenfalls ab, dann bliebe HerrnKraus immer noch die Möglichkeit, den – m.E. ihm bestimmt zustehendenStrafanspruch durch Durchführung des Privatklageverfahrens zu

verwirklichen.

Denn man kann hier doch nicht ohne weiteres diese vielenÄnderungen als gesetzlich oder auch nur vermutlich statthaftbezeichnen.

Zu 2.) bleibt davon auszugehen, dass es sich bei diesem Auf-führungsvertrag um einen Vertrag eigener Art handelt, so wie dasReichsgericht in Band III S. 51 das des Nähern ausgeführt hat.

Die Hauptleistung für Essen war wohl die Aufführungspflicht(weshalb schon die Natur des Vertrages als eines Pachtvertragesverneint werden musste). Wenn die Pflicht zur weiteren Aufführunggesetzwidrig verletzt wurde – und dieser Auffassung neige ich zu –dann hätte Herr Karl Kraus – sofern er, was ich annehme, jetzt wiederaktiv legitimiert ist – einen Rechtsanspruch auf die weiteren Auf-führungen. Er würde ihn nur verloren haben, wenn nachträglich erselbst – oder vor ihm seine Rechtsvorgängerin – auf das Recht,weitere Aufführungen verlangen zu können, verzichtet hätte.

Mit dem Hauptanspruch auf das Verpflichtetsein zu weiterenAufführungen würde ich gleichzeitig aber auch den Schadensersatz-anspruch als evtl. verbinden.

Die Klage würde ich beim Landgericht Essen zu erhebenanempfehlen: ich würde es also darauf ankommen lassen, ob Essen etwa die Verweisung nach Berlin beantragte.

Ich bitte um Empfehlung an Herrn Karl Kraus.

Mit collegialer Hochachtung!EliasRechtsanwalt.

6. AUG. 1932KrausEssenerBühnen