179.1 Brief RA Willy Katz an Samek
Materialitätstyp:
- Typoskript
Materialitätstyp:
- Kopie
Sender
Willy KatzFriedrichstraße
Berlin
Empfänger
An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. SamekSchottenring
Wien
Abschrift.
Sehr geehrter Herr Kollege!
In meiner Sache gegen Sinsheimer ist das Verfahrendurch einen in der Hauptverhandlung abgeschlossenenen Ver-gleich beendet worden, durch den der Angeklagte sich zur Auf-nahme anliegender, inzwischen im Berliner Tagebelatt erschienenenErklärung verpflichtet hat. Ausserdem hat der Angeklagte diegesamten Kosten übernommen.
Ich habe mich zum Abschluss dieses Vergleichs in ersterLinie aus der Erwägung entschlossen, dass seit Wochen eineAmnestievorlage schwebt, deren Gesetzwerdung die Einstellungeines derartigen Beleidigungsprozesses zur voraussichtlichsicheren Folge hätte. Vor den Amtsgericht Charlottenburg hätteich zweifellos eine Bestrafung des Angeklagten durchgesetzt undeine Einrückung des Urteilstenors im Berliner Tageblatt er-wirkt, wahrscheinlich auch eine Busse zugesprochen erhalten.Der die Verhandlung führende Richter, Amtsgerichtsrat Neumann stand nämlich ganz auf meiner Seite. Es war aber damit zurechnen, dass gegen ein solches Urteil von der Gegenseite Beru-fung eingelegt worden wäre, über die eine Hauptverhandlung vorOktober oder November nicht zu erwarten war. Inzwischen wäre
bereits der neu gewählte Reichstag an der Arbeit gewesen, zudessen ersten Aufgaben man die Erledigung der Amnestievorlagerechnet. Bei der sicheren Rechtsorientierung des kommendenReichstags muss mit einer sehr starken Ausdehnung der Amnestiegerechnet werden. Infolgedessen bestand die grösste Wahrschein-lichkeit, dass es dem Berliner Tageblatt gelungen wäre, bei Ver-schleppung des Verfahrens zu seiner Einstellung zu gelangen.Dieser Aussicht gegenüber erschien es mir vorteilhafter, den Ver-gleich abzuschliessen, der ja praktisch eine vollständige Selbst-Desavouierung des Blattes bringt.
Der Angeklagte wurde von dem Kollegen und SchriftstellerDr. Martin Beradt vertreten, der in der Verhandlung durchblickenliess, dass er persönlich vor Herrn Kraus grossen Respekt habe,wenn nicht gar zu seinen Verehrern zu zählen sei. So erwähnteer, als der Name Kerr fiel, es befänden sich in der Redaktiondes Berliner Tageblatts auch Personen, die mit Recht Herrn Kraus Verehrung entgegenbrächten. Ferner deutete er an, – natürlichaus taktisch durchsichtigen Gründen – er hielte mich für ei-nen Jünger des Herrn Kraus, der darum diese Sache mit besondererHeftigkeit verfechte; Herr Kraus hätte eine grosse Anzahl Jünger,und zwar mit Recht.
Bei Abfassung des Vergleichstextes trug er eine grosse Aengst-lichkeit um die Korrektheit des Ausdrucks zur Schau, angeblich,
um nicht der Fackel Anlass zu einer sprachkritischen Glossezu geben.
In der Hoffnung, dass der Ausgang des VerfahrensHerrn Kraus befriedigt, und mit der Bitte, ihm den Aus-druck meiner Verehrung zu übermitteln, bin ich
mit herzlichen GrüssenIhr sehr ergebenergez. Dr. Katz