179.2 Brief RA Willy Katz an Samek

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Materialitätstyp:

  • Kopie

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte

Sender

Dr. Willy Katz
Friedrichstraße 204
Berlin SW. 68
Datum: 23. Juli 1932
Betreff: Kraus – Diverses

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt | Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Auf Ihre Anfrage vom 16. Juli 1932 erlaube ich mir folgen-des zu erwidern:

Ich bin damit einverstanden, dass mein Brief in der Fackel,nach dem Wunsch von Herrn Kraus, ganz oder zum Teil abgedrucktwird. Allerdings ist mir bekannt, dass die hiesige Anwalts-kammer die Veröffentlichung von Prozessberichten durch an demVerfahren beteiligte Anwälte missbilligt. Wird dieses Schreibenunter meinem Namen abgedruckt, so ist eine Beschwerde desHerrn Beradt bei der Anwaltskammer vorauszusehen und ein anmeine Adresse gerichteter Verweis zu erwarten, insbesonderedarum, weil nach Auffassung der Anwaltskammer mein Schreibenals Glossierung eines Kollegen vor der Oeffentlichkeit an-gesehen werden dürfte. Man könnte derartigen Weiterungen aus demWege gehen, wenn beim Abdruck des Briefes nicht ausdrücklichbetont würde, dass ich sein Verfasser sei. Glaubt indessenHerr Kraus, die Wirkung des Abdruckes ohne die Nennung meinesNamens abzuschwächen, so bin ich auch mit dem Abdruck untermeinem Namen einverstanden. Jedenfalls möchte ich aber für denAbdruck einige Stellen wie folgt ändern:

Auf Seite 2, Absatz 2, Zeile 16, müsste es heissen:

auch Personen, die mit Recht Herrn Kraus hochschätzen.Dafür, dass das Wort „Verehrung“ gebraucht ist, kann ich nichteinstehen; auch andere Personen, die der Verhandlung beigewohnthaben, können sich an diesen Ausdruck nicht erinnern, sondernnur daran, dass Herr Beradt die Hochschätzung von Herrn Kraus durch Redaktionsmitglieder hervorgehoben hat. Im nächsten Ab-satz möchte ich die in Parenthese gehaltene Stelle so fassen:

offenbar aus taktischen Gründen.

Der Sinn dieser Bemerkung war, dass meiner Auffassung nachHerr Beradt meine Ergebenheit gegenüber Herrn Kraus hervorhebenund unterstreichen wollte, um die Stichhaltigkeit der von mirvorgebrachten Argumente stärker zu erschüttern. Er wollte mich,um es kurz zu sagen, in dieser Sache als ungewöhnlich befangenhinstellen. Im dritten Absatz auf Seite 2 möchte ich hinterzur Schau“ fortfahren: „was er unter anderem damit begründete, der Fackelkeinen Anlass zu einer sprachkritischen Glosse geben zu wollen.“Mit dem Worte „angeblich“ hatte ich zweierlei zum Ausdruck brin-gen wollen. Einmal, dass er tatsächlich die eben erwähnte Be-sorgnis geäussert hatte, und zweitens, dass mir diese Moti-vierung nicht ganz ernst gemeint erschien. Er gab u.a. auch an,dass er kein schlechtes Deutsch von sich aus in den Druck zugeben gewohnt sei. In der Hauptsache aber hatte ich das Gefühl,dass er unter dem Mantel der Ausdruckskorrektheit gerne eineVerschlechterung des Inhalts durchgeschmuggelt hätte.

Die Verhandlung hat am 4. Juli 1932 stattgefunden. DieBerichtigung ist im Morgenblatt vom 6. Juli 1932 erschienen.In der Abendausgabe vom gleichen Datum ist Kerr’s FeuilletonClarence und die Nutzniesser“ erschienen.

Auf die Frage, ob die von Ihnen angegebene Stelle in IIIdieses Feuilletons eine strafbare Beleidigung des Herrn Kraus enthält, möchte ich mit ja antworten. Dagegen beurteile ichdie Aussichten eines Beleidigungsprozesses gegen Kerr wegendieser Äusserung für ausserordentlich gering, wenn nicht fürhoffnungslos. Ich bin nicht einmal sicher, ob Kerr zu einerÄusserung auf eine zu erhebende Privatklage vom Gericht auf-gefordert werden würde, sondern halte es für denkbar, dassdas Verfahren von Amtswegen eingestellt wird. Die Notver-ordnung vom Oktober 1931 bietet Handhaben genug, um das Ver-fahren einzustellen. Es ist meiner Meinung nach als wahrschein-lich anzusehen, dass das Gericht bei der Unbestimmtheit desAusdrucks und der mangelnden Kenntlichmachung des Adressanten für Unbeteiligteder Beleidigung die Schwere der Ehrenkränkung verneint und dieFolgen als geringfügig bezeichnet. In diesem Fall kann aufGrund der Notverordnung das Verfahren eingestellt werden. Vorallem aber stützt sich mein Bedenken auf die Geistesver-fassung der Richter, mit denen man es bei Erhebung der Klagezu tun hätte, eine Geistesverfassung, die durch die gegen-wärtige politische Situation noch bösartiger geworden ist, undin deren Horizont der Rechtstreit nur als die Austragungeines Literatengezänkes, für das die Zeit zu ernst sei er-scheinen dürfte. Selbst der Charlottenburger-Richter, der sichin dem Verfahren gegen Sinsheimer mir gegenüber so ausser-ordentlich günstig verhielt, dürfte ein tieferes Verständnisfür die Materie nicht aufbringen können. Auch er hatte übri-gens vorher aus Gründen der Notverordnung das Verfahren ein-gestellt und war erst durch den Beschluss des Landgerichts zur Tätigkeit erweckt worden. Sollte Kerr zur Rede gestellt

werden, so wird er meiner Meinung nach sogar nicht einmal diebeleidigende Tendenz der inkriminierten Stelle ableugnen, bezw.um eine Ableugnung herumzugehen versuchen. Vielleicht versuchter es auch mit seinem früheren Trick, dass er kurz vorher erstdas letzte Heft der Fackel vom April 1932 gelesen hätte, in demsich jedenfalls eine Reihe gegen Journalisten und Kritikergerichtete Stellen befinden,und gibt vor, sich dadurch belei-digt gefühlt zu haben. Unter Umständen, denn bei unsererRechtsprechung ist alles möglich, kommt er auch damit durch underlangt so Straffreiheit, weil er eine Beleidigung auf derStelle mit einer anderen erwidert habe.

Ich möchte nochmals nicht im Zweifel lassen, dass ich anund für sich die Kerr’sche Äusserung für eine theoretisch durch-aus fassbare Beleidigung halte. Mein Bedenken richtet sichlediglich gegen die praktische Durchsetzbarkeit des Straf-anspruches. Selbstverständlich bin ich bereit, falls Herr Kraus dies wünscht, die Beleidigungsklage einzureichen und bitte fürdiesen Fall um Angabe der Personen, die jene Äusserung alsgegen Herrn Kraus gerichtet empfunden haben, und die es auchbekunden werden.

In der Anlage übersende ich Ihnen die gewünschte Nummerdes Berliner Tageblatts.

Ich bitte, Herrn Kraus den Ausdruck meiner herzlichenVerehrung zu übermitteln und bin mit herzlichen Grüssen

Ihr sehr ergebenerKatz