186.6 Erhebung der Privatanklage von Karl Kraus gegen Österreichisches Abendblatt (verantw. Red. Willy Marx) wegen Ehrenbeleidigung begangen durch die Presse
Schreiberhände:
- Oskar Samek, schwarze Tinte
Materialitätstyp:
- Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
2. Oktober 1933.
Dr.S/Fa.
G.Z. 2 U 614/33
An dasStrafbezirksgericht I als PressegerichtWien.
Privatankläger: Karl Kraus, Herausgeber der Zeit-schrift ‚Die Fackel‘, Wien III., HintereZollamtsstrasse Nr. 3,durch:
Beschuldigter: Willy Marx, verantwortlicher Redakteurder Zeitung ‚Oesterreichisches Abendblatt‘Wien IX., Canisiusgasse Nr. 8–10,I. Kumpfgasse 1.
wegen Ehrenbeleidigung begangen durch die Presse
1 fach
Erhebung der Privatanklage.
Da die Vernehmung des Beschuldigten keineAnhaltspunkte dafür ergeben haben, dass er den inkriminiertenArtikel verfasst oder in Kenntnis des Inhaltes zum Druck be-fördert hat, wird gegen ihn die Anklage nur gemäss § 30 Press-gesetz erhoben.
Inkriminiert werden die folgenden Stellendes Aufsatzes:
a) „… des nicht ganz reinrassigen Wiener BolschewikenKarl Kraus.“
b) „… des berüchtigten Wiener Kretzerich.“
Ich stelle die folgendenAnträge:
1.) auf Anberaumung einer Hauptverhandlung;2.) auf Ladung des Beschuldigten;3.) auf Verlesung des inkriminierten Artikels;4.) auf Bestrafung des Beschuldigten;5.) auf Veröffentlichung des Urteiles;6.) auf Verfall der Zeitungsnummer mit dem inkriminiertenArtikel;7.) auf Verpflichtung des Beschuldigten und zur ungeteiltenHand mit ihm des Eigentümers, Herausgebers und Verlegers:Vaterländischer Pressverein in Wien I., Renngasse Nr. 6 zum Ersatz der Verfahrenskosten.
Den Antrag auf Ergänzung der Vorerhebungengegenüber dem Täter und die Anklage gegen ihn behalte ich mirvor.
Karl Kraus.
Österr. Abendblatt II.