189.14 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 29. Dezember 1933
Betreff: Kraus – Gegenangriff
Diktiersigle: Dr.Sa/Ma

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advokat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ihr Schreiben vom 27. Dezember habe ich HerrnKraus, wie angekündigt, gestern zur Kenntnis gebracht.

Um sofort in die Sache selbst einzugehen und zurFrage der Beiziehung eines Sachverständigen Stellung zunehmen, teile ich Ihnen mit, dass Herr Kraus, wie ich ver-mutet habe, mit der Person des Herrn Prof. Otokar Fischer als Sachverständigen einverstanden ist. Er ist überzeugtdavon, dass dieser Sachverständige das in Frage stehendeProblem am besten verstehen und dem Richter klar machenwird können. Vielleicht ist es aber möglich, auch ohneSachverständigen dem Richter zum Bewusstsein zu bringen,welches Missverständnis dem Durchschnittsleser des Satzesohne Beistrich passieren kann und zwar, wie Herr Kraus meint,am leichtesten einem tschechischen Leser, bei dem diemissverständliche Auffassung durch die tschechische Syntaxerleichtert wird. Es besteht nämlich die Möglichkeit, imSatz „Kein Wort das traf“, das Wort „das“ als Accusativ-objekt in der Inversion aufzufassen, sodass das Wort „dassich auf den ganzen vorhergehenden Inhalt der Verse bezöge.Die Auffassung des Lesers müsste also dahingehen, dass keinWort diese Stille, die es gab, da die Erde krachte, treffenkonnte. Herr Prof. Dr. Fischer würde als Sachverständigerwahrscheinlich selbst auf diese beiden Möglichkeiten inder Auffassung draufkommen, man könnte sie aber dem Richter schon vorher vor Augen führen, indem man sie nebeneinanderstellte. Herr Kraus lässt es aber auch Ihrer prozessualenTaktik, den Richter durch eine Fragestellung nach seiner

Auffassung selbst auf diese beiden Möglichkeiten drauf-kommen zu lassen.

Im übrigen teile ich vollständig Ihre Ansicht,dass dieser Umstand überhaupt nicht zu überprüfen ist,weil der Autor ein Recht darauf hat, dass seine Texteunverändert wiedergegeben werden. Ihre juristischen Aus-führungen bezüglich des Wortes „betrifft“ und Ihre Meinung,dass der tschechische Text die Auslegung sowohl im Sinnevon „tangere“ als auch von „an die Ehre“ ermöglicht,muss schon im Sinne des Berichtigungserfordernisse lediglichin erster Hinsicht entschieden werden, denn für dieTangierung der Ehre sind ja eigene Paragraphen geschaffenund die meisten Berichtigungen betreffen ein Tatsachengebiet,welches mit Ehre gar nichts zu tun hat. Wenn man der zweitenAuffassung zustimmte, so könnte man niemals berichtigen, obman einer Partei angehört oder nicht, ob man verheiratetist oder nicht, u. dgl. mehr. Die österreichische Praxisgeht ja in dieser Hinsicht viel weiter als anscheinend dietschechische, da sie sogar nicht physische Tatsachen, Tatsa-chen, die nur der inneren Erkenntnis zugänglich sind, fürberichtigungsmöglich hält. Die nur nebenbei, für den vor-liegenden Fall spielt dies jedoch keine Rolle.

Ich zeichne

mit vorzüglicher kollegialer Hochachtungals Ihr ergebener

KrausGegenangriff / 29.12.1933