189.12 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 27.XII.1933

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

In der Angelegenheit Karl Kraus ca:Gegenangriff bestätige ich den Empfang Ihres Schreibensvom 23. l.M., sowie des beigeschlossenen, von Herrn Kraus abgeänderten Klagsentwurfes. Ich werde für eine sinngemässeund genaue Uebersetzung des Entwurfes Sorge tragen unddie Klage noch im Laufe dieser Woche überreichen.

Wollen Sie Herrn Kraus bitte mitteilen,dass heute die Verhandlung zur Erzwingung der Berichtigunggegen den verantwortlichen Redakteur des „Gegenangriffstattgefunden hat. Frau Dr. Schnierer, so heisst der ver-antwortliche Redakteur, ist nicht erschienen, die Ladungwar nicht ausgewiesen, sodass die Tagsatzung vertagt werdenmusste.

Leider ist die Sache einem Richter zu-gewiesen, der sehr schlecht deutsch spricht und sich dahinäusserte, er könne nicht begreifen, dass an dem Artikel gerade die Tatsache des fehlenden Beistriches berichtigtwerden soll. Ich muss eine beglaubigte Uebersetzung desganzen Artikels vorlegen und der Referent äusserte sichdahin, er werde voraussichtlich gezwungen sein, auch nocheinen Sachverständigen beizuziehen, um zu ermitteln, obdie Auslassung des Beistriches eine solche Bedeutung habe,dass der Autor des Gedichtes eine Berichtigung zu verlangenberechtigt sei.

Nach dem Wortlaute des Gesetzes ist allerdings meiner An-sicht nach dieser Umstand überhaupt nicht zu prüfen. Dertschechische Gesetzes-Text ist allerdings in der Uebersetzung nichtganz genau erfasst. Der erste Satz des § 11 lautet: „weneine in einer periodischen Druckschrift enthaltene Nach-richt betrifft, hat das Recht, die Veröffentlichung ihrerBerichtigung zu verlangen“, etc.… Das Wort „betrifftschöpft den Inhalt des tschechischen Wortes des Legaltextesnicht völlig aus. Das betreffende Wort hat wohl auch dieBedeutung „berührt“ aber nicht nur im Sinne von „tangere“sondern auch im Sinne von „an die Ehre rühren“. Der Mo-tivenbericht sagt jedoch an einer Stelle: Derjenige, derdurch die in einer Druckschrift enthaltene Nachricht betrof-fen wird, ist berechtigt, die Pressberichtigung zu verlangen.Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die betreffendenNachrichten direkt seine Ehre tangieren, oder dass er inder Nachricht ausdrücklich erwähnt wird. Es genügt, wenn erauf deutliche Art in seinem berechtigten Interesse daran,dass das auf Grund der von ihmbehaupteten Tatsachen gebildete Urteil des Lesers nicht aufunwahren Tatsachen basiere, tangiert wird.

Es wird wohl möglich sein, den Richter davonzu überzeugen, dass der Autor eines Gedichtes ein berechtig-tes Interesse daran haben muss, dass sein Gedicht nichtunrichtig wiedergegeben werde. Sollte dies nicht möglichsein, dann müssten allerdings Sachverständige herangezogenwerden und ich bitte, Herrn Kraus zu fragen, ob ich in diesemFalle Herrn Prof. Dr. Otakar Fischer als Sachverständigen

beantragen darf.

Die Tagsatzung wurde zum 3.I.1934 vertagt.Ich erbitte mir bis zu diesem Datum Ihre Rückäusserung.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebener:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff28. DEZ. 1933