189.29 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 25.I.1934

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
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erklärt, es muss jedoch nach der ständigen Praxis des OberstenGerichtes und in Anwendung der früheren Vorschrift des § 19des Pressegesetzes dieser Begriff so ausgelegt werden, dasses sich um einen Angriff auf die Ehre, verursacht durch denInhalt des inkriminierten Artikels, handeln müsse, woraufaus dem zweiten Absatze des § 11 des zitierten Gesetzes geschlossen werden muss, welcher von dem Rechte auf Privat-anklage wegen strafbarer Handlungen gegen die Ehre handelt.Nach Absatz 1 des § 11 des zitierten Gesetzes können in derPressberichtigung lediglich Tatsachen angeführt werden, welchedie in der Nachricht enthaltenen Tatsachen richtigstellen oderwiderlegen. In diesem Berichtigungsfalle handelt es sichjedoch nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht um die Berichti-gung oder Widerlegung irgendeiner in dem inkriminierten Artikel enthaltenen Tatsache, sondern bloss um eine formelle Richtig-stellung eines Fehlers, nämlich um die Auslassung des Bei-striches zwischen den Worten „Wort das“, wie die Gegnerinrichtig angeführt hat. Dieser formale Fehler hat, wie dasBerufungsgericht feststellt, für die gesamte Sachlage keinewesentliche Bedeutung, insbesondere ist er unwesentlich, wennman seinen Einfluss auf den Inhalt des Gedichtes in Betrachtzieht, zumal der Sinn durch Auslassung des Beistriches nichtgeändert wird. Man kann also nicht annehmen, dass der Antrag-steller durch dieses Versehen irgendwie tangiert worden sei,insbesondere in einem solchen Masse, dass er gezwungen gewesenwäre, zu seinem Schutz das Rechtsmittel der Pressberichtigunganzurufen.

Deswegen hat das Berufungsgericht konform mit dem

Erstgerichte erkannt, dass die Voraussetzungen für eine Press-berichtigung gemäss § 11 Absatz 1 der Pressgesetznovelle nicht gegeben sind und hat der Beschwerde keine Folge gegeben.

Wie Sie aus diesen Entscheidungsgründen ersehen,ist der Beschluss der zweiten Instanz noch unsinniger als derder ersten und man muss tatsächlich daran zweifeln, ob esmöglich ist, bei unseren Gerichten in Pressangelegenheiteneine dem Gesetze entsprechende und vernünftige Entscheidungzu erwirken. Leider ist ein weiteres Rechtsmittel ausgeschlos-sen, sodass man eine Entscheidung des Obersten Gerichtes, diesicherlich anders ausfallen müsste, nicht herbeiführen kann.Den Antrag auf Berichtigung des letzten Absatzesdes Artikels „Lanze für Karl Kraus“ habe ich fertigge-stellt, jedoch bisher nicht überreicht, da seit dem 14. l.M.keine weitere Nummer des Gegenangriff erschienen ist.Ich nehme an, dass die morgen fällige Nummer herauskommenwird und werde den Antrag, falls – wie zu erwarten ist – dieBerichtigung in dieser Nummer nicht enthalten sein sollte,sofort überreichen.

Die in der Ehrenbeleidigungssache von HerrnKraus gestellten Bedingungen habe ich dem Gegenanwalte bekannt-gegeben und ihn zur Aeusserung bis zum 26. l.M. aufgefordert.Sollte er die Bedingungen nicht akzeptieren, dann werde ichdie Fortsetzung des Strafverfahrens gegen Dr. Schnierer bean-tragen. Bisher ist es mir nicht gelungen, den Autor des erstenArtikels zu eruieren, trotzdem ich einige mir bekannte Kommuni-sten, die mit den Prager Mitarbeitern des GEGENANGRIFF verkeh-ren, gefragt habe.

Ich behalte mir vor, Ihnen nach Einlangen derAeusserung des Dr. Stein Bericht zu geben und Sie von derAnordnung und dem Verlaufe der Berichtigungstagsatzung zuverständigen.

Ich bitte Herrn Kraus meine Empfehlungen zu be-stellen und zeichne in vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff26. JAN. 1934