189.85 Entwurf der Äußerung zum vorbereitenden Schriftsatz der beklagten Marie Schnierer im Prozess um Widerruf nach § 1330 A.B.G.B.

Materialitätstyp:

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Datum: 4. Januar 1935
Seite von 5

Entwurf der Aeusserung zum vorbereitenden Schriftsatz der beklagtenDr. Marie Schnierer im Prozesse um Widerruf nach § 1330 A.B.G.B.

Zum vorbereitenden Schriftsatz der beklagtenDr. Marie Schnierer überreicht der Kläger in der ihm aufer-legten Frist folgende Aeusserung:

Der Ausdruck „im Ramsch verkaufen“ kann intschechischer Sprache nicht adäquat wiedergegeben werdenund muss daher, damit er in der tschechischen Uebersetzung demSinne der deutschen Wendung gleichkomme, umschrieben werden.Dies ist durch die in der Klage angeführte, übrigens voneinem beeideten Gerichtsdolmetsch beglaubigte Wiedergabe ge-schehen und es ist unrichtig, dass „im Ramsch verkaufen“soviel beueutet, als „in Bausch und Bogen“ oder im „Ausver-kaufe verkaufen“. Die Bedeutung der Wendung „im Ramschverkaufen“ ist die, dass es sich um keinen regulären Ver-kauf handelt, sondern um einen Verkauf, bei welchem eineWare, um überhaupt verkauft werden zu können, zu reduzier-tem Preise losgeschlagen wird. Wesentlich dabei ist, dassein normaler Verkauf einer derartigen Ware, das heisstein Verkauf zu den ursprünglichen Verkaufspreisen, nichtmöglich ist, wenn diese Ware bereits irgendwo im Ramschverkauft wurde oder wird.

Ganz abgesehen davon, dass die Wiedergabedes Ausdruckes in der vorgelegten Uebersetzung den Sinndes zu widerrufenden Artikels richtig reproduziert, kommtes auf den tschechischen Wortlaut der betreffenden Phraseüberhaupt nicht an, da ja doch der Widerruf in derselbenSprache begehrt wird, in der die zu widerrufende Notiz ab-gefasst war. Es wird daher nichts anderes verlangt, alsdass die beklagte Partei dasjenige widerrufe, was sie inder im „Gegen-Angriff“ vom 7.VII.1934 abgedruckten Notiz

behauptet hat und dass hiebei die Ausdrücke dieser Notiz verwendet werden. Es ist daher klar, dass die gegnerischeEinwendung und die Behauptung, in der Klage seien unrich-tige Tatsachen angeführt, nicht nur unrichtig, sondern auchvollkommen irrelevant sind.

Beweis: Der in der Nummer 27 der Zeitschrift „DerGegen-Angriff“ vom 7.7.1934 veröffentlichteArtikel.

Ebenso unrichtig ist die Behauptungder beklagten Partei, dass der Leser der vom VerlageMELANTRICH veröffentlichten Inserate der Ansicht sein konnte,die Bücher des Klägers würden zu herabgesetzten Preisen ver-kauft werden. Die Beklagte ist Herausgeberin und verantwort-liche Redakteurin der Zeitschrift „Der Gegen-Angriff“ undes ist ihre Pflicht, den Inhalt der in dieser Zeitschrift veröffentlichten Artikel zu kennen und vor der Veröffentli-chung zu prüfen. Dass es sich nicht um eine belangloseNotiz handelt, geht schon daraus hervor, dass der Kläger durch diese Notiz veranlasst würde, einen Widerruf der seineInteressen gefährdenden Behauptungen zu begehren. Der Inhaltdes vom Verlage MELANTRICH A.G. veröffentlichten Inseratesgibt keinen Anlass zu der Deutung, dass die Werke des Pri-vatklägers durch diesen Verlag zu reduzierten Preisen ver-kauft werden und jeder, der das Inserat gelesen hat, musserkennen, dass eine derartige Behauptung dem Inhalte desInserates widerspricht. Da die Beklagte für den Inhalt dervon ihr herausgegebenen Zeitschrift als verantwortlicheRedakteurin voll verantwortlich ist und man wohl annehmenmuss, dass nur eine solche Person Herausgeberin und ver-antwortliche Redakteurin einer Zeitschrift sein kann, dieim Besitze wenigstens einer normalen Urteilskraft ist/ dies kann man wohl auch von einer Kandidatin der Advokatieund Doktorin der Rechte voraussetzen /, so kann es keinemZweifel unterliegen, dass die Voraussetzungen des § 1330A.B.G.B. in subjektiver Hinsicht gegeben sind.

Die beklagte Partei bemüht sich vergeblichdas Vorhandensein der Voraussetzungen dieser gesetzlichenVorschrift auch in objektiver Hinsicht zu bestreiten.

Die Zeitschrift „Der Gegen-Angriff“ istin Trafiken bei Kolporteuren und in Zeitungsverschleissenerhältlich und liegt in den Kaffeehäusern auf. Schon darausgeht hervor, dass sie nicht nur von solchen Leuten gelesenwird, die – wie die Beklagte fälschlich behauptet – die Werkedes Klägers infolge der Verschiedenheit der Anschauungenohnehin nicht kaufen würden. Dass gerade die Leser der Werkedes Klägers die Zeitschrift „Der Gegenangriff“ lesen,geht doch schon aus der Tatsache hervor, dass diese Zeit-schrift eben jene Notiz veröffentlicht hat und zwar inder Absicht, den Kläger zu schädigen. Eben, weil dieLeser des „Gegen-Angriff“ für die Werke des Klägers interes-siert sind, hatte es einen Zweck, die irreführende Notiz zu veröffentlichen und die Behauptung des Gegenteiles wirdwohl auch [¿¿¿] von der Gegenseite nicht begründet werdenkönnen und kann sicherlich bei niemandem Glauben finden.Es steht daher fest, dass die Veröffentlichung der den Leserirreführenden Notiz geeignet ist, den Kläger in seinem Er-werbe zu gefährden, sodass die Voraussetzungen des § 1330A.B.G.B. auch in objektiver Hinsicht gegeben sind.

Vollkommen unwahr ist die Behauptung, dassder Verlag MELANTRICH allein die Bücher des Beklagten ver-kauft und dass diese Bücher anderswo nicht zu haben sind.Der Verlag MELANTRICH ist nur Kommissionär der Bücher desKlägers gewesen, dessen Aufgabe es war, Bestellungen derBuchhändler zu erledigen, das heisst, die von diesen ver-langten Bücher an die einzelnen Buchhandlungen vom Kommis-sionslager aus zu liefern. Die Bücher des Klägers wurdenseit jeher und werden, nach wie vor durch Buchhandlungen ver-

kauft und die vom Verlage MELANTRICH A.G. veröffentlichteAnzeige hatte vor allem den Zweck, die Buchhandlungen daraufaufmerksam zu machen, dass diese Bücher nicht mehr vom Ver-lage der FACKEL in Wien bezogen werden müssen, sondern vomVerlage MELANTRICH auf Lager gehalten werden.

Der Privatkäufer bezieht jedoch die Bücher, ebenso wiefrüher, nicht vom Verlage, sondern kauft sie beim Buch-händler. Wenn er jedoch durch die unwahre Behauptung derin der Zeitschrift „Der Gegenangriff“ veröffentlichtenNotiz dahin informiert wird, dass diese Bücher durch denVerlag MELANTRICH im Ramsch verkauft, das heisst:zu billigeren Preisen losgeschlagen werden, als von denBuchhandlungen, verlangt [¿¿¿] dann wird er es natürlichunterlassen, die Bücher beim Buchhändler zu kaufen. Er wirdes jedoch höchstwahrscheinlich unterlassen, die Bücherüberhaupt zu kaufen, weil er aus der behaupteten Tatsache,dass sie vom Melantrich verramscht werden, also zu ermässigtenPreisen abgegeben werden, schliessen muss, dass es sich umBücher eines Autors handelt, dessen Werke im normalen Ver-kaufe unanbringlich, daher nicht lesenswert sind. Darinliegt eine wesentliche Gefährdung des Erwerbes des Klägers,der natürlich von dem Ertrage seiner Werke leben muss unddurch eine Verringerung des Absatzes dieser Werke in seinerExistenz geschädigt wird.

Beweis: Sachverständige aus dem Verlags- und Buchhandlungs-fache, Zeugenaussage des Dr. Bedřich Fučik, Direk-tors des Verlages MELANTRICH, Parteienvernehmung.

Wie bereits erwähnt, wird nichts anderes,als der Widerruf der Notiz und zwar mit ihren Worten verlangt.Da der Widerruf in der deutscher Sprache veröffentlicht werdensoll, ist es vollkommen gleichgiltig, wie der Ausdruck „imRamsch verkaufen“ in der Klage ins Tschechische übersetzt wurde.

Da der § 1330 A.B.G.B. über die Form, in welcherder Widerruf veröffentlicht werden soll, keine Vorschrift ent-hält, so muss eine Form gewählt werden, die die Absicht des dieser gesetzlichen Bestimmung erfüllt, das ist eine Form, die geeig-net ist, den Widerruf einer den Kredit, den Erwerb oder das

Fortkommen eines anderen gefährdenden unwahren Tatsachedenjenigen zur Kenntnis zu bringen, die von dieser Tat-sache erfahren haben.

Es ist daher selbstverständlich,dass der Widerruf in der gleichen Weise erfolgen muss, inwelcher die zu widerrufende Tatsache der Oeffentlichkeitbekanntgegeben wurde, also in derselben Zeitschrift, indemselben Drucke und in der gleichen Art, wie der Artikel,dessen Widerruf begehrt wird.

Wollte man die Wahl der Form, inwelcher der Widerruf erfolgen soll, dem zum Widerrufe Ver-pflichteten überlassen, dann würde wohl der vom Gesetz-geber durch die Bestimmung des § 1330 Absatz 2 A.B.G.B. angestrebte Zweck niemals erreicht werden und der Zustand,durch welchen die Gefährdung des Erwerbes oder Fortkommensdes den Widerruf Begehrenden herbeigeführt worden ist,könnte niemals behoben werden.

Das Klagspetit widerspricht daherkeineswegs den Bestimmungen des § 1330.

Mit Rücksicht darauf beharrt der Klä-ger bei dem Vorbringen und den Anträgen der Klage.

Prag, am