189.95 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 5.II.1935
Betreff: Gegen-Angriff Klage nach § 1330 A.B.G.B

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek | Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Bei der heutigen Streitverhandlunghat Dr. Stein folgende Ausführungen protokollieren lassen:

Die Beklagte ist Herausgeberin undverantwortliche Redakteurin der Zeitschrift „Der Gegen-Angriff“.An der Verbreitung dieser Zeitschrift ist sie in keiner Weise be-teiligt, bei der Herausgabe der Nummer dieser Zeitschrift vom7.7.1934 war sie nicht anwesend und zwar weder bei Redaktions-schluss noch bei der Redaktion sn der N ummer selbst.

Beweis: Zeuge Dr. Franz Weisskopf, Redakteur in Prag.

Infolge des Hitlerumsturzes inDeutschland ist das Interesse an den Werken jüdisch-deutscherAutoren, auch literarisch bedeutenderer, als der Kläger ist,wesentlich gesunken und deswegen müssen auch ihre Werke zu he-rabgesetzten Preisen verkauft werden. Daher musste auch die Beklagte nicht wissen, dass die im Gegenangriff enthaltene, den Kläger be-treffende Nachricht nicht auf Wahrheit beruht. Beweis: ZeugenFranz Weisskopf, Anton Kuh, Dr. Karl Rosner, Wieland Herzfelde,Jan Fronek / Buchhändler /, Parteienvernehmung.

Die erste Einwendung wurde offensichtlich in der Ab-sicht erhoben, um darzulegen, dass die Beklagte, obzwar sie Heraus-geberin und verantwortliche Redakteurin der Wochenschrift „Der Gegen-Angriff“ ist, mit der Verbreitung dieses Blattes nichts zu tun hat,sondern dass sie nur die Verantwortung für das Blatt vom Standpunktedes Pressgesetzes trägt.

Deswegen habe ich gegen die Zulassung der angebotenenBeweise remonstriert und zu der tatsächlichen Behauptung über denAbsatz der Werke deutscher Autoren und den Einfluss des Hitlerum-sturzes auf diesen Absatz angeführt: Das Interesse an den Werkendeutscher Autoren, insbesondere an denen des Klägers, ist infolgedes Hitlerumsturzes in der tschechoslovakischen Republik nicht ge-ringer geworden. Dies geht aus dem Umstande hervor, dass das Werkdes KlägersDie letzten Tage der Menschheit“, in tschechischerUebersetzung herausgegeben vom Verlage „Družstevní práce“, inkurzer Zeit in 4000 Exemplaren sozusagen ausverkauft war.

Beweis: Zeugenaussage des Verlagsdirektors der družstevní práce,evtl. des Uebersetzers Jan Münzer.

Ich habe dann dargelegt, dass das Vorbringen derBeklagten ganz irelevant ist und ausgeführt, warum die Verteidigungder Beklagten, sie habe an der Verbreitung des Blattes keinen An-teil genommen, nicht standhalten kann. Diese Rechtsausführungenwurden allerdings nicht protokolliert, doch scheinen sie den Richter dazu veranlasst zu haben, keinen anderen Beweis, als die Zeugenaus-sage des Dr. Fučík, Direktors des Verlages MELANTRICH zuzulassen.

Die mündliche Streitverhandlung wurde zum 27. d.M.vertagt.

Ich glaube, dass der Richter, der mir alsguter Jurist bekannt ist, die gegnerische Auslegung des § 1330 A.B.G.B. kaum akzeptieren wird. Denn die Verantwortlichkeit für öffentlichbehauptete Tatsachen könnte in den Fällen, in welchen die Verbrei-tung durch die Presse erfolgt ist, eigentlich nur die Kolporteuretreffen, denn diese allein tragen die Zeitung aus und sind alsobei ihrer „Verbreitung“ als einzige tätig.

Bei dieser Gelegenheit bestätige ich dankendden Empfang Ihrer gesch. Zuschrift vom 1. d.M., sowie des korrigiertenEntwurfes des Schriftsatzes in der Strafangelegenheit „Gegen-Angriffund bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass ich den Schriftsatz in dervon Herrn Kraus gewünschten Fassung fristgemäss überreichen, werde.

Wollen Sie bitte Herrn Kraus meine bestenEmpfehlungen bestellen.

Mit besten Grüssen an Sie bin ichIhr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff6. FEB. 1935