189.100 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 28.II.1935
Betreff: Kraus – | Gegenangriff – § 1330 A.B.G.B

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18
Wien XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich gestatte mir, Ihnen über den Ver-lauf der gestrigen Streitverhandlung folgendes zu berichten:

Wie Sie wissen, hat sich der Richter in seinem, bei der letzten Streitverhandlung herausgegebenenBeweisbeschlusse auf den Beweis durch die Zeugenschaft des Dr.Fučík beschränkt. Dieser wurde gestern einvernommen und hat, an-geregt durch entsprechende Fragen, folgendes zu Protokoll ge-geben:

Zwischen Herrn Kraus und der Fa. Melan-trich, bei welcher ich als Verlagschef angestellt bin, ist es vorcca. einem Jahre zu einer Vereinbarung über eine Generalkommis-sion gekommen, nach welcher der Verlag Melantrich die Auflagender Bücher des Klägers ausschliesslich für den Verkauf in dertschechoslovakischen Republik übernommen hat. Es handelt sich umdie Bücher, welche bisher durch Vermittlung des Wiener- Verlages„Die Fackel“ und des Leipziger-Kommissionärs verkauft wurden.Sogleich nach dem Abschluss dieses Kommissionsübereinkommens hatder Verlag Melantrich die üblichen Anzeigen an die Buchhandlungenmit Angabe des Ladenpreises der Bücher versendet und im Mai undJuni wurde dann in den Tageszeitungen inseriert und angekündigt,dass die Bücher des Klägers in der Č.S.R. von der Fa. Melantrich in Generalkommission übernommen wurden und durch Vermittlung derBuchhandlungen erhältlich sind. Nach meinen Erfahrungen kann die

Veröffentlichung der Nachricht, dass ein Buch unter dem Preiseverkauft wird, den Autor sowohl moralisch, als auch wirtschaftlichgefährden, weil der innere Wert des Buches im Ladenpreis ausge-drückt wird, wirtschaftlich deshalb, weil der Interessent darüberinformiert wird, dass er die Bücher zu herabgesetzten Preisen er-halten könne. Eine ähnliche Erfahrung habe ich zum Beispiel imFalle des Verkaufes durch die Verlagsanstalten Aventimum, Koči undandere. Ist der Interessent in der Weise informiert, dass einBuch zu herabgesetzten Preisen verkauft wird, wird er von der Er-werbung des Buches abgeschreckt, weil er fühlt, dass der Verlegerdie Auflage des Buches loswerden will und weil er über den Wertdes Buches eine andere Vorstellung erhält. Wird der Preis tat-sächlich herabgesetzt, dann folgt ein erhöhter Absatz, der jedochdann jäh zum Stillstande kommt. Die Bücherpreise der Werke desKlägers wurden im Vorhinein durch die Vereinbarung mit dem Wiener-verlag „Die Fackel“ genau festgesetzt, der Preis ist nicht herab-gesetzt worden und in den Inseraten war auch nirgends angekündigt,dass es zu einer Herabsetzung des Preises gekommen ist.

Die Werke des Klägers waren und sind auch weiterhin bei Buchhänd-lern auf Lager. Die Buchhändler waren gezwungen, sich wegen der Er-werbung dieser Bücher ausschliesslich an den Verlag Melantrich zu wenden, während dieser die Bücher an Privatkäufer nur ausnahms-weise abgibt, was cca. 5% der Auflage und des Umsatzes ausmacht.Der Zeuge gibt über Befragen weiter an, es sei ihm nicht bekannt,dass die Preise der Werke sogenannter linksgerichteter Autoreninfolge der deutschen Ereignisse / Hitler-Umsturz / im Inlande einePreisherabsetzung erfahren haben.

Der Richter hat das Verfahren für beendet er-

klärt und wird das Urteil schriftlich herausgeben.

Ich glaube nicht allzu optimistisch zu sein, wenn ich annehme,dass der Klage stattgegeben werden wird, umsomehr, als ich demRichter verschiedene oberstgerichtliche Urteile vorlegen konnte,aus welchen die Verantwortlichkeit der Beklagten für die veröffent-lichte Nachricht und der Anspruch des Klägers auf deren Widerrufsehr leicht abgeleitet werden kann.

Ich werde nicht ermangeln, Ihnen gleich nachEinlangen des Urteiles Bericht zu geben und bitte, vorläufig dieseMitteilung zur Kenntnis zu nehmen und an Herrn Kraus weiterleitenzu wellen.

Mit vorzüglichster Hochachtung und besten GrüssenIhr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff2. MRZ. 1935