189.119 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 25. Juni 1935
Betreff: Kraus – | Gegenangriff
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advocat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich bestätige mit bestem Dank den EmpfangIhres freundlichen Schreibens vom 18. Juni 1935 mit dem beigeleg-ten Artikel „Ueber Karl Kraus“. Herr K. ist dafür, dass dieEhrenbeleidigungsklage eingebracht wird, und ich ersuche Siedaher, mir wie Sie vorgeschlagen haben den Entwurf einzusenden.Ich glaube, dass man diese Klage nicht in der sonst üblichenkurzen Form machen soll, sondern einleitend darauf hinweisenmusste, der Gegenangriff habe sich wiederholt mit Beleidigungenhervorgewagt und hiefür zum Teil Ehrenerklärungen abgegeben, zumTeil sei er bestraft worden; jedesmal habe er wegen der Kostengejammert, und es kann doch wohl nicht geduldet werden, dass dieLeute unter solchen Umständen neuerlich frech werden. Ich haltees für sehr gut, dass Sie aus dem Artikel, der ja vom Anfangbis zum Ende eine Beleidigung ist, nur den einen AbsatzOberst Adam“ bis „abgegeben wird“ herausgreifen, möchte Ihnenaber zu bedenken geben, ob nicht doch auch aus dem ersten Absatzunter Anklage gestellt werden sollte, dass Einschüchterungsmethodenangewendet wurden, die mit der „Gestapo“ erfolgreich konkurrieren.Da auf die „Erfahrungen mit Staats- und Kraus-Anwälten“ hingewie-sen wird, könnte man im Zweifel sein, ob Herr K. selbst berechtigt

wäre deshalb die Anklage zu erbeben, weil von der Gegenseite die Auffassung vertreten werden könnte, dass die Beleidigungensich gegen seine Vertreter und deren Methoden richten. Dahermöchte ich Sie fragen, ob nicht Sie und vielleicht auch ich diePrivatanklage wegen dieser Sätze einbringen könnten, was mirallerdings, soweit es meine Person betrifft, auch zweifelhafterscheint, da ich in den Prozessen in Prag offiziell nie hervor-getreten bin.

Was halten Sie, sehr geehrter Herr Kolle-ge, von der Möglichkeit, gegen den verantwortlichen Redakteur,der Rechtsanwaltsanwärter sein soll, eine Disziplinaranzeige zuerstatten? Es müsste doch einmal von der Standesbehörde unter-sucht werden, ob es für einen Rechtsanwalt oder Rechtsanwalts-anwärter vom disziplinären Standpunkt aus erlaubt ist, dieFunktion eines verantwortlichen Redakteurs zu bekleiden, dervon Berufswegen entweder wegen Mitschuld oder wegen Vernach-lässigung der pflichtgemässen Obsorge verurteilt werden muss.

Ferner erlaube ich mir Ihre Aufmerksamkeitauf den vorletzten Absatz des Artikels zu lenken und zu fragen,ob Sie in diesem nicht eine gefährliche Drohung erblicken.

Ich würde es auch für sehr gut halten,auf die Stupidität der Beleidigung schon im ersten Strafantraghinzuweisen. Der Gegenangriff will einen Kausalzusammenhangzwischen der Erscheinungsmöglichkeit der Fackel und dem Lob desObersten Adam konstruieren. Um eine Fackel im Sinne der Regierungerscheinen zu lassen, bedarf es wohl nicht eines Lobes einer derRegierung nahestehenden Persönlichkeit; um ein Heft gegen dieRegierung erscheinen zu lassen, etwa ein solches, wie es demGegenangriff angenehm wäre, dazu könnte auch das Lob dieser

Persönlichkeit nichts helfen, selbst wenn diese einen grösse-ren Einfluss auf die Zensur hätte, als dies tatsächlich derFall ist, da ja Oberst Adam amtlich mit der Presspolizeigar nichts zu tun hat. Daraus geht hervor, dass dieser stupideSachverhalt lediglich, um überhaupt eine Beleidigung anbringenzu können, konstruiert wurde.

Indem ich Ihnen die Grüsse und den bestenDank des Herrn K. übermittle und Sie auch selbst herzlichstgrüsse, bin ich, ihrer Antwort entgegensehend,

mit vorzüglicher kollegialer HochachtungIhr ergebener

KrausGegenangriff25/6.35