192.14 Brief Verlag Die Fackel an Melantrich-Verlag

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Kopie
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  • Kopie

Schreiberhände:

  • Karl Kraus, schwarze Tinte
  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Sender

Verlag Die Fackel (Wien)
Hintere Zollamtsstraße
III., Landstraße
Datum: 4. Juni 1935

Empfänger

An: den Verlag Melantrich
Husova 20
Prag XVI.
Seite von 11

Sehr geehrte Herren!

Wir gelangen leider erst heute dazu, auf Ihr an Herrn KarlKraus gerichtetes Schreiben vom 22. Mai zu antworten. Die Antwort isteine Richtigstellung sämtlicher in Ihrem Schreiben enthaltenen Be-hauptungen.

Es ist zwar richtig, daß Herr Advokat Dr. Turnovsky Sie inunserem Auftrag aufgefordert hat, über den Absatz der Bücher unseresVerlages, welche Sie in Generalkommission haben, Rechnung abzulegen.Unrichtig ist aber jedoch , daß Sie seinem Wunsche nachgekommen sind, ebensowie Sie dies schon früher über Aufforderung unseres Wiener Rechts-anwalts, Herrn Dr. Samek, getan haben. Auch dies haben Sie nicht ge-tan, vielmehr in diesem wie in jenem Falle sich damit begnügt, einevon uns zu beanstande te nde Endsumme mitzuteilen. Es ist richtig, daß sichHerr Dr. Turnowsky weigert, diese Verrechnung anzuerkennen, und aufeine von uns gestellte Forderung verweist, eine Forderung, die wirnicht, wie Sie schreiben, „angeblich“, sondern tatsächlich stellen.Es ist unrichtig, daß sie diese sich auf einen „Vertragsentwurf“ bezieht,der „weder von uns noch von Ihnen akzeptiert und unterschrieben wor-den ist“. Richtig ist, daß sie sich auf einen von Ihnen wie von unsakzeptierten Vertrag bezieht, der zwischen uns abgeschlossen und vonIhnen ausdrücklich bestätigt worden ist. Es ist unrichtig, daß wirso viele Einwände erhoben haben, daß jener Entwurf illusorisch ge-worden ist“. Richtig ist, daß wir in der Hauptsache nur Einwände gegen den Versucheines Ihrer untergeordneten Organe erhoben haben, einen wesentlichanders gearteten Vertrag zu unterschieben, und daß nach ausdrückli-cher Anerkennung dieser Einwände, die wir erheben mußten, und nach IhrerBitte um Entschuldigung der Vertrag von Ihnen bestätigt wurde und hiemit somit in Geltung getreten ist. Es ist unrichtig, daß „inzwischendie bei Ihnen „übliche Form für Generalkommissionen nach den Usancenam tschechoslowakischen Büchermärkte“ in Geltung trat, „ohne Rück-sichtnahme auf den früheren Entwurf und ohne abzuwarten, bis diesernach beiderseitiger Korrektur genehmigt und unterzeichnet war“. Rich-tig ist vielmehr, daß wir unsererseits abgewartet haben, bis Sie den

Versuch Ihres untergeordneten Organs ausdrücklich widerrufen hatten,und daß uns von der bei Ihnen üblichen Form für Generalkommissionen nachden Usancen am tschechoslowakischen Büchermärkte nichts bekannt ist,von Ihnen selbstverständlich nichts bekannt gegeben wurde und daß der „frühere Entwurfals solcher nach einer von Ihnen anerkannten Korrektur wie nach Zurück-ziehung dessen, was das untergeordnete Organ versucht hatte, – offenbarjener Form nach den Usancen – in Geltung trat, was ja nicht nur durchIhre Bestätigung, sondern selbst in der so unvollständigen Verrechnungklar zum Ausdruck kommt. (Wie nicht minder recht durch das Faktum, daß der Ersatz für Propagandaspesen verlangen, die Sie doch ohne unsere Empfehlung erst aufwenden dürften wenn der Vertrag zustandegekommen wäre. Wozu allerdings noch zu bemerken wäre, daß diese im Sinne des abgeschlossenen Vertrages von Ihnen zu leisten sind, von uns jedoch nur dann, wenn wir den Vertrag aufzulösen wünschten.) Es ist unrichtig, daß Schuld an irgendetwas,wovon uns gar nichts bekannt ist, „die Verhältnisse ha b tt en“, die HerrnKarl Krausdamals schwere Sorgen bereiteten und sein in den Werkenseines Verlags investiertes Vermögen gefährdeten“. Richtig ist, daßdiese Verhältnisse zwar an dem Zustandekommen des Vertrags, aber keines-wegs an dem angeblichen Nichtzustandekommen schuld trugen. Richtig ist,daß ihm, selbst zu der Zeit, als durch Herrn Münzer die Anregung zu demVertrag erfolgte, die Verhältnisse keine „schweren Sorgen“ um sein angeblich in den Werken in-vestiertes Vermögen bereitet haben, sondern daßer einer von Herrn Münzer geäußerten freundlichen Besorgnis, die er in jenem Zeit-punkt durchaus nicht für unberechtigt hielt, gerne nachgab. Richtig ist,daß die Verhältnisse, auf die Sie anspielen und die heute auch für an-dere Länder in gleichem Maße gelten, nicht die geringste Schuld darantr a u gen, daß sich ein der Vertrag verzögert hat oder gar daran, daß er angeb-lich nicht zustandegekommen ist, sondern logischer Weise nur an dem Ent-schluß, Ihnen die Werke in Generalkommission (mit Ausnahme Österreichs)zu übergeben, nach welchem Entschluß der Vertrag, der durch keinerleiVerhältnisse mehr behindert war, zustandekam. Wir glauben nicht, daß esIhnen nach genauer Durchsicht Vorweisung der Korrespondenz bei welcher Instanzimmer gelingen könnte, den Eindruck zu erzielen, daß kein Vertrag zu-standegekommen sei und daß, weil er nicht zustandekam und Sie doch einRettungswerk durchführen wollten, Hals über Kopf, gleichsam im Weg der einer Notverordnung, Ihre Usancen in Geltung treten m ü u ßten, von denen in demumfänglichen Briefwechsel auch nicht ein Jota vorkommt. Daß Herr Münzer,welcher Ihnen die schweren Sorgen des Herrn Karl Kraus um sein gefähr-detes Vermögen sowie dessen „Bitte“, Sie möchten „die Rettungsaktionübernehmen“, übermittelt haben soll, dies tatsächlich getan hat, können

wir natürlich nicht bestreiten. Wir können nur behaupten, daß HerrKarl Kraus Herrn Münzer weder solche Sorgen noch solche Bitte zwecksWeitergabe anvertraut hat, was ja schon aus dem Grunde nicht gut derFall sein konnte, weil ihm Ihr Verlag völlig unbekannt war. Die Sacheverhält sich vielmehr so, daß Herr Münzer selbst in dankenswerter WeiseBesorgnisse aussprach, deren Berechtigung nach dem deutschen UmsturzHerr Karl Kraus nicht bestreiten konnte und nicht bestritten hat und deren Problem er die Herr Münzer spontan mit Ihrem Wunsch in Übereinstimmung brachte,namhafte europäische Autoren in Kommission zu nehmen. Diesen Wunsch hater, offenbar mit der besten Absicht für beide Teile, Herrn Karl Kraus übermittelt, der gegen die Transaktion grundsätzlich nicht das Gering-ste umfangreicher einzuwenden hatte als er [¿¿¿] jeder [¿¿¿] Verständnis selbst für die Angelegenheiten der deutschen gefunden hat als bei dem offiziellem Deutschthum. Er hatte weder einen Grund, das Wohlwollen desHerrn Münzer für sein Werk anzuzweifeln, noch seine Legitimation, ihmIhren Wunsch mitzuteilen, während er ihn mit keinem Wort ermächtigthat, Ihnen etwas wie seine Bitte um eine Rettungsaktion zu übermitteln.Ob Herr Münzer bei Ihnen „darauf drängte, daß mit der Ausführung nichtgezögert würde, damit es am Ende nicht zu spät würde“, entzieht sichnatürlich wieder unserer Kenntnis, da Herr Karl Kraus ja nur bei seineneigenen Unterredungen mit Herrn Münzer zugegen war. Sollte dieses Drän-gen, das der freundlichen Absicht des Herrn Münzer zuzuschreiben ist,tatsächlich erfolgt sein, so wäre zu sagen, daß der Aufenthalt die Verzögerung durchdas widerstrebende untergeordnete Organ umso beklagenswerter wäre, wennnicht die Erfüllung schon zu einer Zeit erfolgt wäre, wo die Gefahr ge-bannt schien. Daß aber jenes Drängen die Ausarbeitung Nichtvollendung des Vertrags ver-schuldet hätte, davon kann für denjenigen, der die Korrespondenz liest,nicht die Rede sein. Was wir wissen, ist, daß sich die Gespräche über Erörterungen des Projektes durch die Prager Besuche des Herrn Kraus und die Korrespon-denzen zwischen uns durch Monate hingezogen ausgedehnt haben, bis der Vertrag inaller Ruhe perfekt wurde (vgl. die Ihnen in Abschrift eingesandten Briefe der Herrn Münzer vom 5. u. 9. Februar 1934), und daß danach die Übersiedlung der Bücher zueiner Zeit erfolgte, als die Besorgnisse des Herrn Münzer, die HerrKraus im Anfang durchaus geteilt hat, nicht kaum mehr aktuell schienen waren . WennSie versichern, daß nicht, wie wir bisher vermuten mußten, der Wunsch,die Werke des Herrn Karl Kraus in ihrer Kollektion europäischer Autorenzu führen, sondern „Verständnis für das ihm möglicherweise drohende Un-recht und Rechtlosigkeit“ und außerdem Rücksicht auf die von ihm „ge-leistete Kulturarbeit“ zu dem mäzenatischen Schritte (wenngleich auch ohne Garantie) bewogen haben, sosind wir Ihnen natürlich sowohl für die Hilfe wie für die Anerkennung

dankbar, möchten Sie aber bitten, doch berücksichtigen zu sollen, daßdieser Dank unmöglich so weit gehen könnte, den Schutz gegen drohendesUnrecht mit geschehendem Unrecht zu erkaufen. Wenn Sie „ohne gewinnsüch-tige Absichten, bloß in der Erwartung, daß ihnen die Auslagen zurücker-stattet werden“, gehandelt haben, so wird es uns natürlich nicht einfal-len, Sie um diesen sittlichen und rechtlichen Anspruch zu verkürzen. Wirkönnen keineswegs ersehen, was Sie berechtigt, uns eine so unsittlicheund rechtswidrige Absicht zuzutrauen, da wir uns doch im Gegenteil aufeinen Vertrag stützen, der Ihnen über die Rückerstattung Ihrer Auslagenhinaus einen Gewinn sichert. Daß dieser Vertrag freilich von einer unsverborgenen Erwartung abhängig sein sollte, binnen einer Ihnen erwünschten Frist auf ihre Spesen zu kommen, waruns bisher nicht bekannt. Sie haben auch nicht – was zwar dem eigentli-chen Sinn einer „Rettungsaktion“ entspräche – der „augenblicklichen Über-führung“ unseres Verlagslagers „in Ihre Prager Lagerräume zugestimmt“,wofür Ihnen natürlich sofortige Entschädigung gebührte, was wir aberauch bei einem Prager Spediteur, wenngleich ohne Anerkennung unsererKulturarbeit, erreicht hätten. Unverständlich ist uns aber auch, wiesomit der Einlagerung in Ihre Lagerräume „der Zustand eines normalen Han-delsabkommens nach den bei ihnen bei generalkommissionellem Verkauf gel-tenden Usancen eingetreten“ sein soll – ohne Verständigung und gleichsam automatisch – und warum wir „daher“ uns nich-auf die Gültigkeit eines „Vertragsentwurfes“, den „wir selbst in wesent-lichen Punkten ablehnten“, berufen sollten. Richtig ist vielmehr, daßSie diesem Vertragsentwurfe, der nicht die Einlagerung, sondern dasKommissionsverhältnis regelt, in jenen wesentlichen Punkten zugestimmthaben, die ein Unbefugter Organ , für dessen Intervention Einmischung Sie um Entschuldigungbaten, abgelehnt hatte. Wir wären fast versucht zu glauben, daß auchdieses Ihr letztes Schreiben von jenem diesem Organ verfaßt ist sei , wenn wir unsnicht doch der Ansicht zuneigen müßten, daß Sie sich inzwischen mitseinen Anschauungen befreundet haben. Wie Sie dazu imstande sind berechtigt wären , istuns unbegreiflich, noch unbegreiflicher, daß Sie noch die Unkosten eineranwaltlichen Vertretung riskieren, um den Umstand die Tatsache , daß wir auf Einhaltungeines Vertrags bestehen, als Grund für dessen Auflösung geltend zu ma-chen. Am unbegreiflichsten, wie sich ein Jurist finden kann, der Sie ineiner Rechtsansicht unterstützt, die doch bei der oberflächlichstenLektüre unserer Korrespondenz sich als unhaltbar herausstellen müßte. (Ein gründliches Studium in der Rechtslage können wir bei einem Berater nicht annehmen, der auf den ersten Blick die von Ihnen zurückgezogene Forderung der 60 % Rabatt geltend macht, welche Ihr Organ für die statuierten 50 % einzusetzen versuchte.) WollenSie es uns nicht übelnehmen, daß wir Ihre freundliche Sorge für unserVermögen wenigstens in dem Punkte erwidern, daß wir Sie vor Schaden be-wahren möchten. Wenn Sie den Umstand, daß wir unser auf einem abgeschlos-senen Vertrag fußendes Recht in Anspruch nehmen, für einen juristischen

Grund halten, die Geschäftsverbindung mit uns unerträglich zu finden,so können wir Sie freilich nicht hindern, gemäß dieser Empfindung einen gericht-lichen Versuch zu unternehmen. Wir haben auch nichts dagegen, daß der Sach-verhalt durch ein zweifaches Verfahren umso klarer vor aller Welt, die sich für den Fall interessiert, herausgestellt wird,in völligem Vertrauen darauf, daß in der Tschechoslowakei die gleichenRechts- und Moralbegriffe in Geltung sind wie in ganz Europa mit Aus-nahme des heutigen Deutschland. Wenn Ihnen das Faktum, daß Herr Karl Kraus Sie das Vorgehen des Herrn Karl Kraus, nämlich sein Bestehen auf Erfüllung eines Vertrags besteht, unverständlich ist und Sieaufsäußerste befremdet“, so ist das eine Privatempfindung, die er selbst-verständlich respektiert, die ihn aber von seinem Rechts standpunkt anspruch nichtabzubringen vermöchte, bei völligem Verzicht, seinem eigenen Empfindenüber Ihr Vorgehen Ausdruck zu geben. Im Gegenteil möchten wir Ihnen versichern, daß wirIhr Unterfangen Unbehagen über die nun einmal vertraglich eingegangene Geschäfts-verbindung durchaus nicht teilen können. Sie scheinen enttäuscht zusein, daß diese – unbeschadet des Umstands, daß der Vertrag ein solchesResultat nicht vorsieht – Ihnen nicht schon nach einem halben Jahrvolle Entschädigung oder vielleicht gar Gewinn abwirft, und der geringenZugkraft eines Autors, dessen kulturelle Leistung Sie im übrigen aner-kennen, die Schuld zu geben. Wir da hin gegen sind mit Ihrer Geschäftsführungdurchaus zufrieden, von dem relativ hohen Ertrag des ersten HalbjahresIhrer Geschäftsführungangenehm überrascht und denken gar nicht daran,die Geschäftsverbindung mit Ihnen aufzulösen, sondern nur daran, denvertragsmäßig auszuzahlenden Gewinnanteil, der sich aus ihr ergibt, zu beanspruchen. Wir wollenIhnen unser Bedauern nicht verhehlen, daß wir genötigt in die Lage versetzt sind, diesen Anspruch beiso klarer Sachlage im Gerichtswege tun zu müssen durchsetzen zu müssen . Wir bedauern diesschon um des Herrn Münzer willen, dem wir um seiner ursprünglichen Hal-tung willen dankbar sind und den wir, da er, wie der von Ihnen unter-schriebene Vertrag beweist, in Ihrem Sinne gehandelt hat, gegen Unan-nehmlichkeiten schützen möchten und schützen werden, falls ihm selbstder Anschluß an Ihre Sinnesänderung zum Nachteil gereichen sollte.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Sehr geehrte Herren!

Wir gelangen leider erst heute dazu, auf Ihr an Herrn KarlKraus gerichtetes Schreiben vom 22. Mai zu antworten. Die Antwort isteine Richtigstellung sämtlicher in Ihrem Schreiben enthaltenen Be-hauptungen.

Es ist zwar richtig, daß Herr Advokat Dr. Turnovsky Sie „inunserem Auftrag aufgefordert“ hat, über den Absatz der Bücher unseresVerlages, welche Sie in Generalkommission haben, Rechnung abzulegen.Unrichtig ist jedoch, daß Sie seinem Wunsche nachgekommen sind, „eben-so wie Sie dies schon früher über Aufforderung unseres Wiener Rechts-anwalts, Herrn Dr. Samek, getan haben“. Auch dies haben Sie nicht ge-tan, vielmehr in diesem wie in jenem Falle sich damit begnügt, einevon uns zu beanstandende Endsumme mitzuteilen. Es ist richtig, daß sichHerr Dr. Turnowsky weigert, diese Verrechnung anzuerkennen, und aufeine von uns gestellte Forderung verweist, eine Forderung, die wirnicht, wie Sie schreiben, „angeblich“, sondern tatsächlich stellen.Es ist unrichtig, daß diese sich auf einen „Vertragsentwurf“ bezieht,der „weder von uns noch von Ihnen akzeptiert und unterschrieben wor-den ist“. Richtig ist, daß sie sich auf einen von Ihnen wie von unsakzeptierten Vertrag bezieht, der zwischen uns abgeschlossen und vonIhnen ausdrücklich bestätigt worden ist. Es ist unrichtig, daß wirso viele Einwände erhoben haben, daß jener Entwurf illusorisch ge-worden ist“. Richtig ist, daß wir in der Hauptsache nur Einwände gegenden Versuch eines Ihrer untergeordneten Organe erhoben haben, einenwesentlich anders gearteten Vertrag zu unterschieben, und daß nach ausdrücklicher Anerkennung dieser Einwände, die wir erheben mußten, und nach Ihrer Bitte um Entschuldigung der Vertrag von Ihnen bestätigt wurde und somit in Geltung getreten ist. Es ist unrichtig, daß „inzwi-schen“ die bei Ihnen „übliche Form für Generalkommissionen nach denUsancen am tschechoslowakischen Büchermärkte“ in Geltung trat, „ohneRücksichtnahme auf den früheren Entwurf und ohne abzuwarten, bis die-ser nach beiderseitiger Korrektur genehmigt und unterzeichnet war“.Richtig ist vielmehr, daß wir unsererseits abgewartet haben, bis Sie den Versuch Ihres untergeordneten Organs ausdrücklich widerrufen

hatten, und daß uns von der bei Ihnen üblichen Form für Generalkommissi-onen nach den Usancen am tschechoslowakischen Büchermärkte nichts be-kannt ist, von Ihnen selber auch nachträglich nichts bekannt gegeben wurde und daß der „frühere Entwurf“ als solcher nach einer von Ihnen anerkann-ten Korrektur wie nach Zurückziehung dessen, was das untergeordnete Or-gan versucht hatte, in Geltung trat, was ja nicht nur durch Ihre Bestä-tigung, sondern selbst in der so unvollständigen Verrechnung klar zum Ausdruck kommt. (Wie nicht minder [¿¿¿] durch das Faktum, daß Sie von dem Ersatz für Propagandaspesen verlangen aufgewendet haben , die Sie doch ohne unsere Genehmi-gung wohl nicht aufwenden dürften, wenn kein Vertrag zustandegekommen wäre. Wozu allerdings noch zu bemerken wäre, daß diese im Sinne des ab-geschlossenen Vertrages von Ihnen zu leisten sind, von uns jedoch nurdann, wenn wir den Vertrag aufzulösen wünschten.) Es ist unrichtig, daßSchuld an irgendetwas, wovon uns gar nichts bekannt ist, „die Verhält-nisse hatten“, die Herrn Karl Krausdamals schwere Sorgen bereitetenund sein in den Werken seines Verlags investiertes Vermögen gefährdeten“.Richtig ist, daß diese Verhältnisse zwar an dem Zustandekommen des Ver-trags, aber keineswegs an dem angeblichen Nichtzustandekommen Schuldtrugen. Richtig ist, daß ihm, selbst zu der Zeit, als durch HerrnMünzer die Anregung zu dem Vertrag erfolgte, die Verhältnisse keineschweren Sorgen“ um sein angeblich in den Werken investiertes Vermögenbereitet haben, sondern daß er einer von Herrn Münzer geäußertenfreundlichen Besorgnis, die er in jenem Zeitpunkt durchaus nicht für un-berechtigt hielt, gerne nachgab. Richtig ist, daß die Verhältnisse, auf die Sie anspielen und die heute auch für andere Länder in gleichem Maßegelten, nicht die geringste Schuld daran trugen, daß sich der Vertragverzögert hat oder gar daran, daß er angeblich nicht zustandegekommenist, sondern logischer Weise nur an dem Entschluß, Ihnen die Werke inGeneralkommission (mit Ausnahme Österreichs) zu übergeben, nach welchemEntschluß der Vertrag, der durch keinerlei Verhältnisse behindert war,zustandekam. Wir glauben nicht, daß es Ihnen nach Vorweisung der Korres-pondenz bei welcher Instanz immer gelingen könnte, den Eindruck zu er-zielen, daß kein Vertrag zustandegekommen sei und daß, weil er nicht zu-standekam und Sie doch ein Rettungswerk durchführen wollten, Hals überKopf, gleichsam im Weg einer Notverordnung, Ihre Usancen in Geltungtreten mußten, von denen in dem umfänglichen Briefwechsel auch nicht einJota vorkommt. Daß Herr Münzer, welcher Ihnen schwere Sorgen des Herrn

Karl Kraus um sein gefährdetes Vermögen sowie dessen „Bitte“, Siemöchten „die Rettungsaktion übernehmen“, übermittelt haben soll, diestatsächlich getan hat, können wir natürlich nicht bestreiten. Wir kön-nen nur behaupten, daß Herr Karl Kraus Herrn Münzer weder solche Sor-gen noch solche Bitte zwecks Weitergabe anvertraut hat, was ja schon aus dem Grunde nicht gut der Fall sein konnte, weil ihm Ihr Verlagvöllig unbekannt war. Die Sache verhält sich vielmehr so, daß Herr Münzer selbst in dankenswerter Weise Besorgnisse aussprach, deren Be-rechtigung nach dem deutschen Umsturz Herr Karl Kraus nicht bestrei-ten konnte und nicht bestritten hat und die Herr Münzer spontan mitIhrem Wunsch in Übereinstimmung brachte, namhafte europäische Autorenin Kommission zu nehmen. Diesen Wunsch hat er, offenbar mit der besten Absicht für beide Teile, Herrn Karl Kraus übermittelt, der gegen dieTransaktion grundsätzlich umsoweniger einzuwenden hatte als er nieein Hehl daraus machte, daß er – mit aller Antipathie gegen Politikerund Literaten jeder Nation – bei den tschechischen Vertretern geisti-ger Bestrebungen mehr Verständnis selbst für die Angelegenheiten derdeutschen Sprache gefunden hat als bei dem offiziellen Deutschtum. Erhatte weder einen Grund, das Wohlwollen des Herrn Münzer für sein Werkanzuzweifeln, noch seine Legitimation, ihm Ihren Wunsch mitzuteilen,während er ihn mit keinem Wort ermächtigt hat, Ihnen etwas wie eineBitte um eine Rettungsaktion zu übermitteln. Ob Herr Münzer bei Ihnendarauf drängte, daß mit der Ausführung nicht gezögert würde, damites am Ende nicht zu spät würde“, entzieht sich natürlich wieder unse-rer Kenntnis, da Herr Karl Kraus ja nur bei seinen eigenen Unterredun-gen mit Herrn Münzer zugegen war. Sollte dieses Drängen, das derfreundlichen Absicht des Herrn Münzer zuzuschreiben ist, tatsächlicherfolgt sein, so wäre die Verzögerung durch das widerstrebende unter-geordnete Organ umso beklagenswerter, wenn nicht die Erfüllung schon zu einer Zeit erfolgt wäre, wo die Gefahr gebannt schien. Daß aber jenes Drängen die Nichtvollendung des Vertrags verschuldet hätte, da-von kann für denjenigen, der die Korrespondenz liest, nicht die Redesein. Was wir wissen, ist, daß sich die Erörterungen des Projektesdurch die Prager Besuche des Herrn Kraus ausgedehnt haben, bis derVertrag in aller Ruhe perfekt wurde (vgl. die Ihnen in Abschrift ein-gesandten Briefe der Herrn Münzer vom 5. u. 9. Februar 1934),unddaß danach die Übersiedlung der Bücher zu einer Zeit erfolgte, als die

Besorgnisse des Herrn Münzer, die Herr Kraus im Anfang durchaus ge-teilt hat, kaum mehr aktuell waren. Wenn Sie versichern, daß nicht,wie wir bisher vermuten mußten, der Wunsch, die Werke des Herrn KarlKraus in ihrer Kollektion europäischer Autoren zu führen, sondernVerständnis für das ihm möglicherweise drohende Unrecht und Rechtlo-sigkeit“ und außerdem Rücksicht auf die von ihm „geleistete Kulturar-beitsie zu dem mäzenatischen Schritte (wenngleich nicht ohne Garantie)bewogen haben, so sind wir Ihnen natürlich sowohl für die Hilfe wiefür die Anerkennung dankbar, möchten Sie aber bitten, doch berücksichti-gen zu wollen, daß dieser Dank unmöglich so weit gehen könnte, denSchutz gegen drohendes Unrecht mit geschehendem Unrecht zu erkaufen.Wenn Sie „ohne gewinnsüchtige Absichten, bloß in der Erwartung, daß Ihnendie Auslagen zurückerstattet werden“, gehandelt haben, so wird es unsnatürlich nicht einfallen, Sie um diesen sittlichen und rechtlichenAnspruch zu verkürzen. Wir können keineswegs ersehen, was Sie berech-tigt, uns eine so unsittliche und rechtswidrige Absicht zuzutrauen, dawir uns doch im Gegenteil auf einen Vertrag stützen, der Ihnen über dieRückerstattung Ihrer Auslagen hinaus einen Gewinn sichert. Daß dieserVertrag freilich von einer uns verborgenen Erwartung abhängig seinsollte, binnen einer Ihnen erwünschten Frist auf ihre Spesen zu kommen,war uns bisher nicht bekannt. Sie haben auch nicht – was zwar demeigentlichen Sinn einer „Rettungsaktion“ entspräche – der „augenblick-lichen Überführung“ unseres Verlagslagers „in Ihre Prager Lagerräumezugestimmt“, wofür Ihnen natürlich sofortige Entschädigung gebührte,was wir aber auch bei einem Prager Spediteur, wenngleich ohne Anerken-nung unserer Kulturarbeit, erreicht hätten. Unverständlich ist unsaber auch, wieso mit der Einlagerung in Ihre Lagerräume „der Zustandeines normalen Handelsabkommens nach den bei Ihnen bei generalkommissi-onellem Verkauf geltenden Usancen eingetreten“ sein soll – ohne Ver-ständigung und gleichsam automatisch – und warum wir „daher“ uns nichtauf die Gültigkeit eines „Vertragsentwurfes“, den „wir selbst in we-sentlichen Punkten ablehnten“, berufen sollten. Richtig ist vielmehr,daß Sie diesem „Vertragsentwurfe“, der nicht die Einlagerung, sonderndas Kommissionsverhältnis regelt, in jenen wesentlichen Punkten zuge-stimmt haben, die ein Organ, für dessen Einmischung Sie um Entschuldi-gung baten, widerrufen hatte. Wir wären fast versucht zu glauben, daßauch dieses Ihr letztes Schreiben von dem Organ verfaßt sei, wennwir uns nicht doch der Ansicht zuneigen müßten, daß Sie sich inzwischen

mit seinen Anschauungen befreundet haben. Wie Sie dazu berechtigt wären,ist uns unbegreiflich, noch unbegreiflicher, daß Sie noch die Unkosteneiner anwaltlichen Vertretung riskieren, um die Tatsache, daß wir aufEinhaltung eines Vertrags bestehen, als Grund für dessen Auflösung gel-tend zu machen. Am unbegreiflichsten, wie sich ein Jurist finden kann,der Sie in einer Rechtsansicht unterstützt, die doch bei der oberfläch-lichsten Lektüre unserer Korrespondenz sich als unhaltbar herausstellenmüßte. (Ein gründliches Studium in der Rechtslage können wir bei einemBerater nicht annehmen, der auf den ersten Griff die von Ihnen zurück-gezogene Forderung der 60 % Rabatt geltend macht, welche Ihr Organ fürdie statuierten 50 % einzusetzen versuchte.) Wollen Sie es uns nichtübelnehmen, daß wir Ihre freundliche Sorge für unser Vermögen wenigstensin dem Punkte erwidern, daß wir Sie vor Schaden bewahren möchten. WennSie den Umstand, daß wir unser auf einem abgeschlossenen Vertrag fußen-des Recht in Anspruch nehmen, für einen juristischen Grund halten, dieGeschäftsverbindung mit uns unerträglich zu finden, so können wir Siefreilich nicht hindern, gemäß dieser Empfindung einen gerichtlichen Ver-such zu unternehmen. Wir haben auch nichts dagegen, daß der Sachverhaltdurch ein zweifaches Verfahren umso klarer vor aller Welt, die sich fürden Fall interessiert, herausgestellt wird, in völligem Vertrauen darauf,daß in der Tschechoslowakei die gleichen Rechts- und Moralbegriffein Geltung sind wie in ganz Europa mit Ausnahme des heutigen Deutschland.Wenn Sie das Vorgehen des Herrn Karl Kraus, nämlich sein Bestehen aufErfüllung eines Vertrags „aufs äußerste befremdet“, so ist das einePrivatempfindung, die er selbstverständlich respektiert, die ihn abervon seinem Rechtsanspruch nicht abzubringen vermöchte, bei völligem Ver-zicht, seinem eigenen Empfinden gegenüber Ihrem Vorgehen Ausdruck zu geben. ImGegenteil möchten wir Ihnen versichern, daß wir Ihr Unbehagen über dienun einmal vertraglich eingegangene Geschäftsverbindung durchaus nichtteilen können. Sie scheinen enttäuscht zu sein, daß diese – unbeschadetdes Umstands, daß der Vertrag ein solches Resultat nicht vorsieht –Ihnen nicht schon nach einem halben Jahr volle Entschädigung oder viel-leicht gar Gewinn abwirft, und der geringen Zugkraft eines Autors, des-sen kulturelle Leistung Sie im übrigen anerkennen, die Schuld zu geben.Wir hingegen sind mit Ihrer Geschäftsführung durchaus zufrieden, von demrelativ hohen Ertrag des ersten Halbjahres angenehm überrascht und den-ken gar nicht daran, die Geschäftsverbindung mit Ihnen aufzulösen,

sondern nur daran, den vertragsmäßig auszuzahlenden Gewinnanteil, dersich aus ihr ergibt, zu beanspruchen. Wir wollen Ihnen unser Bedauernnicht verhehlen, daß wir in die Lage versetzt sind, diesen Anspruchbei so klarer Sachlage im Gerichtswege durchsetzen zu müssen.

Mit vorzüglicher Hochachtung