192.15 Brief RA Johann Turnovsky an Max von Lobkowicz

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift
  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Sender

Johann Turnovsky
Prag
Datum: am 10.IX.1935

Empfänger

An: Sr. Durchleucht Dr. Max Prinz Lobkowicz
Schloss Raudnitz a.E
Raudnitz
Seite von 6

D)

Es dürfte Eurer Durchlaucht bekannt sein,dass ich die Ehre habe, Herrn Karl Kraus und den Verlag„Die Fackel“ rechtsanwaltlich zu vertreten.

Ich führe für den Verlag „Die Fackel“ Prozesse gegen denPrager-Verlag „Melantrich“ und zwar auch einen Prozess, in wel-chem vom Verlage „Die Fackel“ auf Bezahlung jenes Betragesgeklagt wird, der auf Grund des zwischen beiden Verlagsan-stalten abgeschlossenen Kommissionsvertrages an meine Man-dantin bar zu bezahlen ist. In diesem Prozesse wurde vomVerlage „Melantrich“ eingewendet, es sei überhaupt keinVertrag zustandegekommen, weswegen die Bezahlung der vomVerlag „Die Fackel“ geforderten Beträge nicht zu erfol-gen habe und der Melantrich-Verlag berechtigt sei, aus demgesamten Verkaufserlöse der von ihm übernommenen Bücherdes Verlages „Die Fackel“ seine mit dem Transport dieserBücher und mit der Propaganda verbundenen Spesen zu decken.Diese Behauptung ist evident unrichtig und wird im Prozesswiderlegt werden.

Nicht genug daran, dass der Verlag „Melantrich“ widerrechtlich die Bezahlung der meiner Mandantin gebührendenBeträge verweigert, hat er zur gleichen Zeit, in welcher erdie Existenz eines zwischen beiden Verlagsfirmen bestehenden

überhaupt Vertrages leugnet, eine Klage gegen den Verlag „Die Fackel“überreicht, in welcher er, diesmal unter Berufung auf denbestehenden Vertrag, den Ersatz sämtlicher Spesen verlangt,die ihm durch das Kommissionsverhältnis entstanden sind.Ich bemerke, dass diese Spesen nach dem zwischen beiden Par-teien abgeschlossenen Vertrage vom Verlag „Die Fackel“ nichtbar zu bezahlen sind, sondern dass zu deren Deckung aus-schliesslich die Hälfte des Anteiles des Verlages „Die Fackel“ an dem Verkaufserlöse verwendet werden darf. Daraus gehthervor, dass die Klage des Verlages „Melantrich“ durchausunbegründet ist.

Wie ich aus den mir vorgelegten Korres-pondenzen ersehe, wurde, ohne Wissen des Herrn Kraus eineBürgschaftserklärung abgegeben, die von Eurer Durchlaucht,Herrn Professor Dr. Jaray und Herrn Redakteur Jan Münzer unterschrieben worden ist und besagt, dass die drei genann-ten Herren für die mit dem Transporte des Lagers der Büchervon Wien nach Prag verbundenen Kosten bis zur Höhe vonKč 6.000.–– garantieren. Diese Garantieerklärung hätte vomVerlag „Melantrich“ schon damals nicht verlangt werdendürfen, da zur Zeit der Ausstellung der Urkunde von diesemVerlage noch keinerlei Kosten aufgewendet worden sind unddie später bezahlten Transportspesen durch den Wert des imBesitze des Melantrich-Verlages befindlichen Bücherlagersmehr als hinreichend sichergestellt sind. Ganz abgesehendavon hätte dem Melantrich-Verlag die Person seines Vertrags-partners eine vollkommene Garantie für die Einhaltung des

Vertrages und die Erfüllung der vom Verlag „Die Fackel“ über-nommenen Verbindlichkeiten bieten müssen.

Aber selbst wenn man davon absehen will, dassdas Begehren des Melantrich-Verlages nach Beibringung einerGarantieerklärung durchaus unbegründet war, so muss man dochfeststellen, dass die Bedeutung dieser Erklärung nur die ist,dass die Garanten zur Bezahlung des garantierten Betrages erstdann herangezogen werden dürften, wenn feststeht, dass derVerlag „Die Fackel“ den Ersatz der Transportspesen in einemZeitpunkte nicht leisten kann, in welchem dieser Ersatz ge-fordert werden darf. Dieser Zeitpunkt ist bisher überhauptnicht eingetreten, noch weniger Zahlungsunfähigkeit des Ver-lages „Die Fackel“. Ausserdem aber wurde, wie aus dem Briefdes Redakteurs Jan Münzer vom 3.7.1934 klar hervorgeht, dieGarantie nur für den Fall verlangt und abgegeben, dass derTransport der Bücher „überhaupt nicht an den Bestimmungsortgelangen würde oder für den theoretischen Fall, dass der Ab-satz der Bücher aus irgendwelchen Gründen / Verbot im Inlande,Vernichtung während des Transportes, u.s.w. / unmöglich wäre“.Wie Herr Münzer in diesem Briefe ausdrücklich bemerkt, wardie Garantie am 3.7.1934, d.i. zur Zeit der Absendung diesesBriefes, bereits überholt, „da die Bücher ja bereits hiersind. … Die Garantiepflicht tritt normalerweise überhauptnicht ein, da ja heute bereits die Bücher selbst eine Garantiedarstellen.

Aus dieser Erklärung des Herrn Münzer, der be-

kanntlich die Verhandlungen für den Melantrich-Verlag geführthat, ist eindeutig ersichtlich, dass dieser Verlag selbst dannnicht berechtigt wäre, die Garanten zur Zahlung heranzuziehen,wenn ihm, was absolut nicht der Fall ist, auch das Recht zustünde,jetzt schon Zahlung zu verlangen und wenn der Verlag „Die Fackel“ nicht in der Lage wäre, Zahlung zu leisten.

Nun wurde Herrn Kraus mitgeteilt, dass derVerlag „Melantrich“ die Kühnheit hatte, Euere Durchlaucht zurBezahlung der garantierten Kč 6.000.–– .au s f zufordern und dassdarauf tatsächlich dieser Betrag überwiesen worden ist. HerrKraus war darüber ausserordentlich bestürzt und da ich als seinAnwalt von dieser Sache Kenntnis erlangt habe, gestatte ich mirdarauf aufmerksam zu machen, dass die erfolgte Bezahlung eineungerechtfertigte Bereicherung des Melantrich-Verlages darstellt,gegen die nicht nur schwerwiegende juristische, sondern auchmoralische Bedenken vorliegen. / Der Melantrich-Verlag zahltnicht, was er zu zahlen verpflichtet ist, klagt den FACKEL-Verlag auf Bezahlung sämtlicher Spesen, die er zum Teil überhaupt nicht,zum Teil noch nicht zu fordern hat, und verlangt noch darüberhinaus weitere 6.000.–– Kč aus dem Titel einer bereits erloschenenGarantie. /

Es wäre also mehr als angebracht, ja es istsogar notwendig, den an den Melantrich-Verlag bezahlten Betragvon 6.000.–– Kč zurückzuverlangen, weswegen ich mir gestattethabe, Euerer Durchlaucht die ganze Sachlage zu schildern und mirerlaube, Ihnen nahezulegen, den Melantrich-Verlag zur Rückerstat-tung des Betrages aufzufordern. Ich bin natürlich mit Vergnügen

bereit, dies für Euere Durchlaucht zu tun und bitte, mich hiezuzu ermächtigen.

Mit dem Ausdrucke der vorzüglichsten Hochachtungergebener:

P.S.Jedenfalls bitte ich um die Mitteilung, wann der Betrag von6.000.–– Kč überwiesen worden ist.

KrausMelantrich