193.2 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 21.VIII.1934

Empfänger

An: Herrn | JUDr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 14
Wien XIV.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich sende Ihnen in der Beilage das Konzept derKlage gegen Dr. Marie Schnierer wegen der im Artikel „Mut, Feigheitoder Verrat“ enthaltenen Beleidigungen, ferner die Klage aufWiderruf der Notiz, in welcher behauptet wird, die Werke desHerrn Kraus würden im Ramsch verkauft, schliesslich eine Klagegegen den verantwortlichen Redakteur des „Sozialdemokrat wegender im Artikel „Die Fackel als Fascistische Hetzschrift?“ enthal-tenen Beleidigungen. Diesen Klagen schliesse ich zu Ihrer Informa-tion die betreffenden Nummern der beiden Zeitschriften bei undbitte, mir diese wieder zu retournieren, da ich nicht weiss, obnicht eine oder die andere dieser Nummern bereits vergriffen ist.

Herr Kraus hat auch noch gewünscht, dass ich die Be-richtigung einzelner im Artikel „Die Fackel als fascistische Hetz-schrift?“ veröffentlichter Tatsachen verlange. Es waren dies fol-gende Sätze: „Obendrein kann er es den Arbeitern nicht verzeihen,dass sie ihm den elektrischen Strom abgeschnitten haben“ …… versteigt er sich dazu, einen ausgewachsenen Zuchthäuslerüber Lassalle zu stellen“ … „der leitende Gedanke ist ein-fach, die kurzsichtige Erwägung, dass der Fascismus in Österreich

und Italien die Juden ungeschoren lässt und darum das kleinereUebel gegenüber dem Hitlerfascismus darstellt“ … „an einigenStellen seines Pamphlets versucht Kraus auch die čechoslovakischenBehörden gegen die österreichische Emigration und gegen einzelneSchriftsteller aufzuputschen.

Ich habe mir jene Stellen der Fackel, auf welche die hierangeführten Sätze Bezug nehmen wollen, genau durchgesehen und kon-statiert, dass eine Berichtigung dieser Sätze sehr schwer wäre.Da unser Berichtigungsrichter den Berichtigungsparagraphen in derWeise auslegt, dass sich die verlangte Berichtigung auf die Negierungder berichtigten Tatsache sowie auf die Antithese ins Positivebeschränken müsse, wäre die Fassung des Berichtigungsschreibens,wenn der Text der Berichtigung selbst wirksam sein sollte, ausser-ordentlich schwierig. Zum Beispiel „Es ist unrichtig, dass ich esden Arbeitern nicht verzeihen kann, dass sie mir den elektrischenStrom abgeschnitten haben. Richtig ist, dass in dem in der Notiz besprochenen Artikel d. Fackel“ bemerkt wurde, dass am 12. Februar11 Uhr Vorm. in der Minute, da wir den letzten Korrekturstrichanbrachten, derselbe Typus, der gefragt hatte, warum die Fackel nicht erscheint, uns das Licht abgedreht hat.

Diese Form der Berichtigung wäre unwirksam, weil für einenLeser, der weder die Fackel noch den berichtigten Artikel odernur diesen gelesen hat, unverständlich.

Aehnlich wäre es mit der Berichtigung der anderen Behaup-tungen, deren Berichtigung Herr Kraus gewünscht hat. Mit Rücksichtdarauf habe ich Bedenken, die von Herrn Kraus gewünschte Berichti-

gung zu verlangen und bitte Sie, mir hierüber sowie über dieKlagsentwürfe Ihre Meinung bekanntgeben zu wollen.

Wie ich bereits in meinem letzten Briefe erwähnthabe, möchte ich es gerne vermeiden, Herrn Kraus in der Zeit,die seiner Erholung gewidmet sein soll, mit den Angelegenheitender Prager Presse zu befassen.

Ich bin mit dem Ausdrucke vorzüglicher HochachtungIhr ergebenerDr. Turnovsky

6 Beilagen.

23. AUG. 1934KrausGegenangriff u. Sozialdemokrat