189.69 Klage von Karl Kraus gegen Gegen-Angriff (verantw. Red. Marie Schnierer) wegen § 1130 A.B.G.B.. (Zivilbezirksgericht Prag-Ost)

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte
  • Oskar Samek, Bleistift

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
Datum: 21. August 1934
Seite von 5

An dasZivilbezirksgericht Prag-Ost,Prag.

Kläger: Karl Kraus, Eigentümer und Herausgeberder Zeitschrift „FACKEL“ in Wien,vertreten durch:

Beklagte: Dr. Marie Schnierer, Herausgeber undverantwortlicher Redakteur der WochenschriftDER GEGENANGRIFF“, Prag XI., Biskupcova Nc. 1719

KLAGE gemäss § 1330 A.B.G.B.

Wert des StreitgegenstandesKč 5.000.–

Zweifach Vollmacht, Rubrik.

Der Kläger ist Herausgeber der in Wien erschei-nenden Zeitschrift „Die Fackel“. Die in dieser Zeitschrift erschienenen Publikationen sind zum Teil auch in Buchformherausgegeben worden. Diese Bücher wurden vom Kläger einzelnenBuchhandlungen zum Verkaufe in Kommission übergeben. In letzterZeit wurde der Bücherbestand des Klägers, der sich bei einemLeipziger Kommissionär befunden hat, dem Verlage Melantrich A.G., Prag II., in Generalkommission übergeben und dieserVerlag hat in einigen Prager Tageszeitungen der interessiertenOeffentlichkeit durch ein Inserat davon Mitteilung gemacht.

Beweis: Die betreffenden Inserate, Zeugenaussage desVerlagsdirektors, dessen Name und Adressebekanntgegeben werden.

In No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“,deren Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin dieBeklagte ist, wurde in der Rubrik „Bemerkungen“ folgendeNotiz veröffentlicht: „Karl Kraus im Ausverkauf. Nach dempolitischen Freitot von Karl Kraus, über den wir voreiniger Zeit berichteten, wird jetzt sein literarischerNachlass im Ramsch verkauft. Prager Zeitungen bringenfolgendes Inserat: folgt der Wortlaut des Inserates.

Beweis: No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“.

In dieser Notiz wird durch die Behauptung, dieWerke des Klägers würden „im Ramsch“ verkauft, ausgedrückt, dassder Ladenpreis dieser Werke, um sie überhaupt anbringen zukönnen auf einen geringen Teil des ursprünglichen Preisesherabgesetzt werden musste und dass diese Werke regulär d.h.zum ursprünglich festgesetzten Ladenpreise nicht mehr verkauftwerden und verkauft werden können.

Fassung Dr. Samek.

Der Kläger ist Herausgeber der in Wien erscheinen-den Zeitschrift „Die Fackel“ und mehrerer Bücher. Auch diein dieser Zeitschrift erschienenen Publikationen sind zumTeil in Buchform herausgegeben worden. Diese Bücher wurdenvom Verlag „Die Fackel“ und von einem Leipziger Kommissionär an die Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf abgegeben.

In letzterer Zeit wurde der Bücherbestand des Klägers, dersich bei einem Leipziger Kommissionär befunden hat und auchein Groß-Teil des Bücherbestandes des Verlages der Fackel demVerlag Melantrich A.G., Prag II. in Generalkommission überge-ben, der nunmehr an die einzelnen Buchhandlungen diebegehrten Exemplare weiterzuleiten hat. Dieser Verlag hatin einigen Prager Tageszeitungen der interessierten Oeffent-lichkeit durch ein Inserat davon Mitteilung gemacht. EineVeränderung der Verkaufspreise und insbesondere eine Herab-setzung derselben ist nicht erfolgt und auch nicht mitge-teilt worden.

Diese unwahre Behauptung ist geeignet, den Erwerb desKlägers zu gefährden. Der Autor der betreffenden Notiz resp. dieBeklagte als Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin derWochenschrift „Der Gegenangriff“ haben die Veröffentlichungdieser Notiz vorgenommen, trotzdem sie wussten und wissen mussten,dass die Behauptung, die Werke des Klägers würden im Ramsch ver-kauft, unwahr ist. Die Gefährdung des Erwerbes des Klägers liegtdarin, dass durch die Verbreitung dieser unwahren BehauptungInteressenten für die Werke des Klägers zurückgehalten werdenkönnen, diese Werke in den Buchhandlungen zu normalen Preisenzu kaufen, da sie infolge der irreführenden Notiz annehmen müssen,dass diese Werke vom Verlage Melantrich zu reduzierten Preisenlosgeschlagen werden.

Weiters liegt die Gefährdung des Erwerbes des Klägers in dem Umstande, dass das Interesse an seinen Werken bei solchenLeuten, die als Leser in Betracht kommen und andernfalls die Bücherkaufen würden, durch den irreführenden Inhalt dieser Notiz herab-gesetzt werden kann. Ein Autor, dessen Werke nicht anders als zuherabgesetzten Preisen verkauft werden können, verliert bei derLeserschaft Ansehen und Interesse und seine Werke werden nichtgekauft.

Beweis: Sachverständige aus dem Verlagsfache, der Verlags-direktor als sachverständiger Zeuge, Parteienver-nehmung.

Es ist daher der Tatbestand des § 1330 Absatz 2 ABGB gegeben, weswegen die Fällung folgenden Urteiles beantragt wird:

Im Stritte des Klägers Karl Kraus, Herausgebers derZeitschrift „Die Fackel“ in Wien gegen die Beklagte Dr. MarieSchnierer, Herausgeberin und verantwortliche Redakteurin der

Wochenschrift „Der Gegenangriff“ wird die Beklagte schuldigerkannt, die in No. 27 der Wochenschrift „Der Gegenangriff“ veröffentlichte Notiz „Zitierung des ersten Absatzes der Notizzu widerrufen und auf eigene Kosten binnen 14 Tagen unterExekutionsfolgen auf der 4. Seite der Wochenschrift „Der Gegenan-griff“ im gleichen Drucke und unter der gleichen Rubrik, inwelcher diese Notiz veröffentlicht war, folgende Widerrufs-erklärung zu veröffentlichen:

„WIDERRUF. In No. 27 dieser Wochenschrift vom 7. Juli 1934 war unter dem Titel „Karl Kraus im Ausverkauf“ eine Notizveröffentlicht, in welcher behauptet wurde, dass der literarischeNachlass Karl Kraus im Ramsch verkauft werde. Diese Behauptungist unwahr. Wahr ist, dass die Werke Karl Kraus’ vom Verlage Melantrich A.G., Prag, in Generalkommission übernommen worden sind und zumursprünglichen vollen Ladenpreise durch diesen Verlag verkauftwerden. Dr. Marie Schnierer, Herausgeberin und verantwortlicheRedakteurin.“

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Prozess-kosten binnen 14 Tagen unter Exekutionsfolgen zu bezahlen.

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt Kč 5.000.–

Prag, am …

Karl Kraus.

KrausGegenangriff