193.44 Brief Samek an RA Johann Turnovsky
Materialitätstyp:
- Durchschlag
Sender
Oskar SamekReindorfgasse
XIV., Penzing
Empfänger
An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | AdvocatVodickova 33
Prag II.
Sehr geehrter Herr Kollege!
Ich bestätige Ihnen mit bestem Dank denEmpfang Ihres freundlichen Schreibens vom 20. Februar 1935. Ichglaube, dass man vorerst riskieren soll, ob das Gericht einevollständige Uebersetzung des Aufsatzes „Hüben und Drüben“verlangt und erst versuchen soll, in eigener Uebersetzung dieprozessrelevanten Stellen zur Kenntnis des Gerichtes zu bringen.Ich glaube, dass das Gericht sich umsomehr mit dieser Auswahlbegnügen wird, wenn auch die Gegenseite nicht alle Uebersetzungenzum Termin vorlegen kann. Sollte das Gericht gleichwohl auf dieUebersetzung des Aufsatzes Wert legen, so wäre ich eher dafür,eine solche anfertigen zu lassen, als ein Sachverständigengutachtenzu beantragen. Dies in der folgenden Erwägung: Alle Sachver-ständigen, die in Betracht kämen, auch Herr Professor OttokarFischer, könnten durch eigenes Dazwischenreden die Meinung derRichter über den Aufsatz beeinflussen und es ist zu erwarten,dass sie dies tun werden, dass sie vielleicht auch ihre eigeneEnttäuschung über die Stellungnahme Kraus’ für die RegierungDollfuss zum Ausdruck bringen werden. Diese Gefahr besteht beider Vorlage einer Uebersetzung nicht. Allerdings besteht auchbei dieser die Möglichkeit, dass der Uebersetzer die kräftigstenStellen abschwächt, doch sind Sie ja dann gewiss in der Lage, bei
Ihrer ausgezeichneten Beherrschung beider Sprachen, einemsolchen Versuch entgegenzutreten. Dass vielleicht durch dasVerlangen auf Vorlage einer Uebersetzung die Verhandlung neuer-lich vertagt werden muss, erscheint Herrn K. als das kleinereUebel. Sollte dennoch ein Sachverständigenbeweis in Betrachtkommen, so könnte man vielleicht Herrn Heinrich Fischer alsKenner der Werke des Herrn K. als Sachverständigen vorschlagen,wenn er sein Gutachten in tschechischer Sprache abzugeben im-stande ist. Als Uebersetzer käme ja, wenn Sie niemanden neutra-leren wissen, Herr Professor Otokar Fischer oder Herr Jan Münzer in Betracht, doch musste, wie erwähnt, ihre Uebersetzung genauüberprüft werden. Sie haben nun die Erwägungen, die wir zu IhrenFragen angestellt haben. Die Entscheidung müssen wir selbstver-ständlich Ihnen überlassen, die Sie in der so oft bewährten Um-sicht sicher richtig treffen werden.
Indem ich Sie herzlichst grüsse, zeichne ichmit vorzüglicher kollegialerHochachtungals Ihr ergebener
Betr. Kraus – Sozialdemokrat exp. 23.2.1935.