193.78 Übersetzung der Einvernahmsprotokolle in der Angelegenheit Kraus – Sozialdemokrat/Dr. Strauss

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 7. Februar 1936
Seite von 4

Uebersetzung

der Einvernahmsprotokolle in der Angelegenheit KrausSozial-demokrat / Dr. Strauss /.

Dr. Emil Franzel : „Es ist richtig, dass ich den Artikel zum60. Geburtstag des Privatklägers am 28.IV.1934 geschrieben habe.Als ich diesen Artikel verfasste, war mir der Inhalt des ArtikelsHüben und Drüben“ vom Oktober 1932 bekannt, in welchem Kraus insbesondere den Umstand kritisierte, dass die Sozialdemokratenim Kampfe gegen die Reaktion nicht genügend radikal und Kompro-missen zugänglich waren. Es war mir jedoch nicht bekannt undkonnte mir nicht bekannt sein, was der Kläger über die Feber-Ereignisse im Jahre 1934 schreiben wird und dass aus dem ehe-maligen Kritiker der sozialdemokratischen Partei, vom Standpunkteder Linksgerichteten, ein eifriger / wörtlich eigentlich zäher /Gegner der Sozialdemokratischen Partei vom Standpunkte der Rechts-parteien und ein Fürsprecher des heutigen österreichischen Regimeswerden wird. Ein so gerichteter Artikel ist zum erstenmal imAugust 1934 veröffentlicht worden. Ich habe zwar in früherenJahren mit dem Kläger verkehrt, jedoch seit Dezember 1933 habeich mit ihm nicht gesprochen. Nach den Feberereignissen habeich erfahren, dass Kraus mit meiner Einstellung zu den österrei-chischen Ereignissen nicht übereinstimmt und wurde von seinerneuen Stellungnahme in politischen Dingen durch Prof. Jaray, Dr.Erich Heller und Heinrich Fischer informiert.

Dass Kraus ein positiver Anhänger des österrei-chischen Regimes ist, wurde mir jedoch nicht mitgeteilt. Es istAutor mir auch bekannt, dass der Angeklagte von diesen privat geäusser-ten Ansichten nichts wusste. Von den wirklichen Ansichtenvon Karl Kraus habe ich zum erstenmal Ende Juli 1934 Kenntniserlangt.

Heinrich Fischer: „Ich kann bestätigen, dass der Privat-kläger führende Mitglieder des Blattes des Angeklagten überseine die Sozialdemokratie betreffenden Ansichten schon imJahre 1930 im Artikel „Weg damit“, im Jahre 1932 im Arti-kel „Hüben und Drüben“ in Kenntnis gesetzt hat, was schoneine grosse Polemik gegen die sozialdemokratischen Führerwar.

Im Juli 1934 haben die Sozialdemokratendie Ansichten des Klägers bereits gekannt und konnten dahernicht provoziert worden sein. / Gemeint ist jedenfalls durchdas Fackelheft aus dem Juli 1934 / Ob die Ansichten des Klä-gers über die Sozialdemokratie dem Angeklagten aus persön-lichen Rücksprachen bekannt waren, weiss ich nicht, abersie waren sicherlich aus dem Artikel „Hüben und Drübenbekannt.“

Dr. Johann Brügel: „Ich bestätige den Inhalt der EingabeBl.Zl. 20 und folgende. Ich kann sagen, dass sich der Privat-kläger den Verhältnissen in Oesterreich gleichgeschaltet hat,weil er immer ein fanatischer Gegner des österreichischenMonarchismus war. Nach dem Umsturz im Jahre 1934 hat ersich den bestehenden Verhältnissen gleichgeschaltet und isteifrig insbesondere in seiner Zeitschrift für die Rück-erstattung des Vermögens an die Habsburger eingetreten, wel-ches nach dem Umsturze konfisziert war und den Kriegsbeschädigtenund Kindern übergeben worden ist. Dieser Artikel erschienim August 1935. Er hat sogar das tschechoslovakische Aussen-ministerium und zwar in Nummer 909 bis 911 Seite 59 seinesBlattes angegriffen und dies aus dem Grunde, weil diesesMinisterium mit einem Wiener-Tagesblatte in Verbindung seinsoll, welches die Rede eines Heimwehrführers nicht miteiner solchen Ausführlichkeit veröffentlicht hat; wie es der

Privatkläger gewünscht hätte. Er hat hiebei die Ansicht ausge-sprochen, dass die tschechoslovakische Politik noch die Politikder englischen Labour Party überragt, die er als beispielloseDummheit charakterisiert.

Ich kann auf Grund des Studiums der Schriftendes Klägers bestätigen, dass sich seine Ansichten über die öster-reichischen Verhältnisse, den Sozialismus und überhaupt diegesamte Weltanschauung von der Zeit der österreichischen Feber-ereignisse im Jahre 1934 an diametral geändert haben.“

KrausSozialdemokrat 8. FEB. 1936