193.89 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
  • Typoskript mit sonstigen Schreibspuren

Schreiberhände:

  • Karl Kraus, Bleistift

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 6.IV.1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Datum: 7.APR.1936
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich danke Ihnen bestens für Ihren frdl.Brief vom 5. d.M. und freue mich, von Ihnen, sehr geehrter HerrDoktor, meine Rechtsansicht bestätigt zu wissen.

Die Einwendung der Verteidigung gemäss§ 18 des Ehrenschutzgesetzes wird in dem Schriftsatze des Dr.Schwelb nur angekündigt, wobei auch noch ein neuer Beweisantrag– allerdings nur in eventum – gestellt wird. Ich glaube, dass esrichtig ist, dass der Richter die Hauptverhandlung abhält underst, nachdem bei dieser die Einwendung vorgebracht werden wird,xdas Verfahren einstellt. Einen Triumpf könnte das für den Ange-xklagten nicht bedeuten, da er ja nicht deswegen freigesprochenwird, weil ihm der Wahrheitsbeweis gelungen ist oder weil dasGericht die inkriminierten Aeusserungen nicht für beleidigendhält, sondern lediglich aus formellen Gründen. Trotzdem wirdsicherlich ein Prozessbericht erscheinen, in welchem sich derSozialdemokrat“ des Freispruches rühmen dürfte. Wenn Dr. Schwelb diesen Bericht kontrollieren oder gar verfassen wird, dann wirder sich wohl hüten, uns die Möglichkeit einer Berichtigung zugeben.

Was nun die Frage betrifft, ob der § 18des Ehrenschutzgesetzes auch auf solche Fälle angewendet werdendarf, in welchen es sich um eine Anklage gemäss § 4 der Press-

gesetznovelle handelt, muss darauf hingewiesen werden, dass dasEhrenschutzgesetz im § 24 auch auf Uebertretungen der Vernach-lässigung der pflichtmässigen Sorgfalt, allerdings nur in denBestimmungen über das Verfahren, hinweist. Ich glaube jedoch,dass Ihre Ansicht, dass bezüglich dieser Uebertretung die Spe-zialbestimmung des § 18 nicht zu gelten hat, und dass daher dasVerfahren bezüglich dieser Uebertretung nicht eingestellt werdenkann, durchaus richtig ist.

Wenn ich darauf bei der Hauptverhand-lung hinweisen werde, kann doch wohl der Angeklagte seine Ver-teidigung und Verantwortung nicht ändern.

Der § 57 St.P.O. gilt heute noch.

Ich glaube, dass die durch Herrn Fischer mitgeteilte Unterredung mit Direktor Frankl noch vor dem 27.I.1936 stattgefunden hat / Herr Fischer hat mich über diese Unter-redung am 4.II. d.J. informiert /. Die Anregung zum Vergleiche?dürfte daher doch vor dem 27.I. stattgefunden haben.

Ich werde Ihnen jedenfalls über dieHauptverhandlung sofort berichten und Sie über den weiteren Ver-lauf der Sache auf dem Laufenden halten.

Mit den besten Grüssen,Ihr sehr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat 7. APR. 1936