193.101 Übersetzung Schriftsatz in Sachen Kraus ca. Sozialdemokrat (RA Johann Turnovsky an das Oberste Gericht als Kassationsgericht in Brünn)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 28. April 1936
Seite von 15

Uebersetzung.

An das Oberste Gericht als Kassationsgericht in Brünn

Gegen das Urteil des Kreis-Strafgerich-tes in Prag vom 15. April 1936 G.Z.Tk VI 8789/34 habe ichfristgemäss die Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, welcheich nach der am 24. April 1936 erfolgten Zustellung der Ab-schrift des Urteiles hiemit durch meinen bereits ausgewie-senen Rechtsvertreter innerhalb der gesetzlichen Frist wiefolgt ausführe:

Ich fechte das Urteil wegen Nichtigkeitund zwar seinem ganzen Inhalte nach an und mache die Nichtig-keitsgründe des § 281 Zahl 4, resp. 7 und 9b der St.P.O. geltend. Diese Nichtigkeitsgründe werden im Nachfolgendenausgeführt:

Mit dem angefochtenen Urteile wurde derAngeklagte von der gegen ihn wegen des Vergehens nach § 1 bis 3des Ehrenschutzgesetzes und wegen der Uebertretung nach § 4der Pressgesetznovelle erhobenen Anklage gemäss § 259 Abs. 2St.P.O. freigesprochen.

Wie aus dem angefochtenen Urteile hervor-geht, hat das Erstgericht alle von beiden Parteien angebote-nen Beweise, bis auf den Beweis durch die Akten des Kreis-Strafgerichtes Tk XIX 366/36, als gegenstandslos abgewiesenund sich einzig auf die von der Verteidigung nach § 18 desEhrenschutzgesetzes erhobene Einwendung beschränkt.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass es sich im gegebenenFalle um einen durch den vom Privatkläger bereits am 11.9.1934überreichten Strafantrag anhängig gemachten Pressprozesshandelt. In diesem Prozesse, der insbesondere durch die Be-weisanträge des Beklagten seit beinahe 2 Jahren hinausgezo-gen wurde, welcher erklärte, den Wahrheitsbeweis antreten zu

wollen, wurden auch von mir eben mit Rücksicht auf die Be-hauptungen des Angeklagten Beweisanträge gestellt, alleindas Erstgericht hat über diese Beweisanträge überhaupt nichtentschieden und sich lediglich auf die vom Angeklagten unterBerufung auf § 18 des Ehrenschutzgesetzes erhobene Einwen-dung beschränkt und sodann den Beschluss verkündet, dass alleangebotenen Beweise als gegenstandslos zurückgewiesen werden.Es hat dann in der Hauptsache mit dem angefochtenen Urteilezu Recht erkannt, ohne auf die vom Privatkläger angebotenenBeweise überhaupt Bedacht zu nehmen. Es kann keinem Zweifelunterliegen, dass durch das angefochtene Urteil die Anklagenicht erledigt worden ist, zumal sich das Gericht I. Instanz mit der Anklage überhaupt nicht in dem Masse befasst hat,um über deren einzelne Punkte zu erwägen und festzustellen,ob sich der Angeklagte des ihm zum Vorwurfe gemachten Ver-gehens nach dem Ehrenschutzgesetze, resp. der Uebertretungnach der Pressgesetznovelle schuldig gemacht hat. Dadurch,dass das Gericht die vom Privatkläger angebotenen Beweisenicht durchgeführt und insoferne es den Beweis durch dieVerlesung des inkriminierten Artikels, sowie des Artikelsvom 28.IV.1934 durchgeführt hat, diesen nicht seinem Urteilezugrundegelegt hat, sondern, wie in den Entscheidungsgrün-den zu lesen steht, alle Beweise als gegenstandslos zurückge-wiesen hat, hat es die Nichtigkeit verschuldet und den dasStrafverfahren beherrschenden Grundsatz verschuldet, nämlichden Grundsatz der Verpflichtung zur objektiven Feststellungder materiellen Lage. Es sind sonach die Nichtigkeitsgründedes § 281 Zahl 4 und 7 der St.P.O. gegeben.

Wie aus dem angefochtenen Urteile hervor-geht, hat sich das Erstgericht einzig mit der Frage befasst,ob der Privatkläger mit Rücksicht darauf, dass er sich beimAbschlusse des Vergleiches vom 27. Januar 1936 in einer an-

deren später anhängig gemachten Streitsache die Strafver-folgung des Angeklagten in dieser Pressangelegenheit nichtvorbehalten hat, seines Verfolgungsrechtes verlustig gewor-den ist. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das Erst-gericht diesbezüglich das Gesetz verletzt und auf Grundeiner durchaus unrichtigen Anwendung des Gesetzes, insbesondere des § 18 des Ehrenschutzgesetzes, entschieden hat, insofern es sich um die Beurteilung der Frage gehandelt hat,ob Tatsachen vorliegen, aus welchen die Handlung aufgehörthat, strafbar zu sein, oder aus denen der Angeklagte nichtverfolgt werden darf.

Schon aus der Ueberschrift des § 18des Ehrenschutzgesetzes geht hervor, dass diese Bestimmungnur dann Anwendung finden darf, wenn es sich um gegen-seitige Klagen handelt. Diese Bestimmung hat alsonur in dem Falle Geltung, wenn der Privatkläger in einemProzesse den Angeklagten in diesem Prozesse wegen einer nachdem Ehrenschutzgesetze strafbaren Handlung verfolgt und wennder Angeklagte aus dem ersten Prozesse den Privatkläger ausjenem Prozesse gegenseitig wegen einer solchen Handlung unterAnklage stellt. Schon aus der Ueberschrift dieser gesetzli-chen Bestimmung geht mit absoluter Gewissheit hervor, dassdie Vorschrift des § 18 des Ehrenschutzgesetzes überhauptnicht Anwendung finden kann, wenn es sich nicht um gegen-seitige Klagen handelt, sondern um Klagen desselbenPrivatklägers gegen denselben Angeklagten und zwar auf Grundvon Handlungen, die in beiden Fällen nur vom Angeklagten ge-gen den Privatkläger begangen worden sind. Es kann doch nichtangenommen werden, dass das Gesetz auch jene Fälle unter dieBestimmung des § 18 subsummiert hätte, in welchen es sich nichtum gegenseitige Klagen oder um gegenseitig begangene straf-bare Handlungen handelt, wenn es ausdrücklich diesen Paragra-fen mit der Aufschrift „Gegenseitige Klagen“ versehen hat,wodurch klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass sich dieser Pa-

ragraf und die in ihm enthaltene Bestimmung lediglich aufgegenseitige Klage bezieht. Deswegen ist das Gesetz bereitsdadurch verletzt worden, dass das Gericht überhaupt über dieunter Berufung auf § 18 des Ehrenschutzgesetzes geltendge-machte Einwendung erwogen und nach dieser Bestimmung entschie-den hat, wiewohl es selbst festgestellt hat, dass es sich nichtum gegenseitige Klagen, sondern um zwei Fälle handelt, in denensich der Angeklagte nach dem Ehrenschutzgesetze strafbarerHandlungen gegen den Privatkläger schuldig gemacht hat.

Wenn man jedoch auch von diesem grundsätzlichenVersehen des Erstgerichtes absehen wollte und selbst der An-sicht wäre, dass über die Einwendung der Verteidigung erwogenwerden könne, trotzdem es sich nicht um gegenseitige Klagenoder um gegenseitig begangene Handlungen handelt, so kann esdoch keinem Zweifel unterliegen, dass die Bestimmung des § 18des Ehrenschutzgesetzes aus folgenden Gründen vom Erstgerich-te sinnwidrig angewendet worden ist:

Der § 18 bestimmt, dass, wenn es zu einem Vergleiche oder zueinem Urteile über eine Privatklage wegen einer nach dem Eh-renschutzgesetze strafbaren Handlung gekommen ist, die einePartei die andere wegen einer anderen derartigen strafbarenHandlung, die diese gegen sie bis zum Abschlusse des Verglei-ches oder bis zum Schlusse des Beweisverfahrens begangen hat,nur dann verfolgen kann, wenn sie sich vor dem Vergleiche odervor Schluss des Beweisverfahrens ausdrücklich das Recht ihrerVerfolgung vorbehalten hat. Es ist allgemein bekannt, dass derInhalt und die Textierung dieses Gesetzes Gegenstand eingehen-der und langer Beratungen der gesetzgebenden Körperschaftengewesen ist, dass die Entwürfe dieses Gesetzes zahlreiche Aen-derungen erfahren haben, bevor die Schlussredaktion erfolgtund die endgiltige Fassung des Gesetzantrages stipuliertworden ist, welche dann durch ihre Annahme zum Gesetze wurde.Daraus ist zu schliessen, dass die Textierung des betreffenden

durchaus präzis ist und eine extensive oder sonst freieAuslegung ausschliesst. Wenn der Gesetzgeber bestimmt hat,dass eine Partei die andere wegen einer anderen gegen siebegangenen strafbaren Handlung nur dann verfolgen darf,wenn sie sich vor Abschluss des Vergleiches oder vor Schlussdes Beweisverfahrens ausdrücklich das Recht vorbehalten hat,sie zu verfolgen, so kann es absolut keinem Zweifel unter-liegen, dass damit der Grundsatz ausgesprochen wurde, dass sie, falls siees sich nicht vorbehalten hat, die andere Partei in einem sol-chen Falle wegen einer strafbaren Handlung, wegen welcher sienoch nicht verfolgt oder vor dem Vergleichsabschlusse, resp.vor der Beendigung des Beweisverfahrens noch nicht verfolgthat, nicht mehr verfolgen darf. Der Gesetzgeber dürfte nichtsagen, dass eine derartige Handlung nur dann verfolgen darf,wenn sie sich bis zu dem bezeichnten Augenblicke das Rechtvorbehalten hat, die andere Partei zu verfolgen, wenn er damittatsächlich zum Ausdrucke bringen wollte, dass es dieses Vor-behaltes auch in den Fällen bedarf, in welchen die Gegenparteiwegen der betreffenden Handlung bereits verfolgt wird. Hätteder Gesetzgeber tatsächlich die Absicht gehabt, zu statuieren,dass der betreffende Vorbehalt auch in jenen Fällen erforder-lich ist, in welchen die andere Partei bereits verfolgt wird,und derentwegen das auf Grund dieser Strafverfolgung anhän-gig gemachte Strafverfahren noch im Zuge ist, so hätte erdie Vorschrift des § 18 sicherlich so formulieren müssen,dass er angeführt hätte, dass in den Fällen, in welchen eszu einem Vergleiche oder zu einem Urteile über eine Privat-klage wegen einer nach diesem Gesetze strafbaren Handlunggekommen ist, die eine Partei die andere Partei wegen eineranderen derartigen strafbaren Handlung, die diese gegen siebis zum Abschlusse des Vergleiches oder bis zum Schlussedes Beweisverfahrens begangen hat, nur dann verfolgen darf,wenn sie sich vor dem Vergleiche oder vor Schluss des Be-

weisverfahrens ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, siezu verfolgen, oder, insoferne sie sie bereits verfolgt,die Verfolgung fortzusetzen.Aus der Stilisierung der betreffenden Gesetzesvorschriftgeht jedoch mit unwiderlegbarer Gewissheit hervor, dassdie Absicht des Gesetzgebers nicht darauf gerichtet war,die Verpflichtung zum Vorbehalte der weiteren Verfolgungeiner bereits verfolgten strafbaren Handlung aufzuerlegen,sondern lediglich darauf, zu bestimmen, dass bisher nichtverfolgte, nach dem Ehrenschutzgesetze strafbare Handlun-gen, insoferne sie der verfolgenden Partei bereits bekanntsind, nachträglich nicht mehr verfolgt werden können, wennsich die betreffende Partei vor dem Vergleiche oder vorSchluss des Beweisverfahrens das Recht nicht vorbehaltenhat, die Gegenpartei wegen dieser Handlung nachträglich zuverfolgen.

Dass diese Erwägung unbedingt richtigsein muss und dass der Sinn des § 18 nicht darauf gerich-tet ist, dem an der Ehre Gekränkten die Verpflichtung auf-zuerlegen, einen derartigen Vorbehalt zu machen, geht nichtnur aus der Ueberschrift dieses Paragrafen und aus dem Wort-laute seines ersten Absatzes selbst hervor, sondern auch ausden Materialien zu diesem Gesetze. Aus diesen ergibt sichklar die Absicht des Gesetzgebers, durch welche er überhauptdazu bestimmt worden ist, die Bestimmung in das Gesetz auf-zunehmen. In dem Regierungsentwurfe wird auf Seite 29 ange-führt: „Einer besonderen Regelung bedarf der Fall der ge-genseitigen Klagen. Aus der Praxis ist der beliebte Vor-gang bekannt, dass bei gegenseitigen Beleidigungen bis zumletzten Tage der Frist gewartet wird, damit die andere Par-tei nicht mehr gegenseitig klagen könne.

Das heisst: Die Vorschrift des § 18 kann nur dann Anwendungfinden, wenn es sich um gegenseitige Klagen,

keinesfalls um Klagen, resp. Beleidigungen handelt, welchenur gegen eine der Parteien begangen worden sind. Diese Be-stimmung durfte also in einem solchen Falle Anwendung finden,wenn der Privatkläger sich einer nach dem Ehrenschutzgesetzestrafbaren Handlung gegen den Angeklagten schuldig gemachthätte, wenn in dieser Angelegenheit ein Vergleich abgeschlos-sen oder ein Urteil gefällt worden wäre und wenn dann derPrivatkläger den Angeklagten wegen einer gegenseitigen gegenihn begangenen strafbaren Handlung verfolgen wollte. MitRecht hat der Gesetzgeber für solche Fälle den betreffendenVorbehalt zur Pflicht gemacht und bestimmt, dass, falls derVorbehalt nicht erfolgt ist, gegen die Gegenpartei, mit wel-cher ein Vergleich abgeschlossen wurde, nachträglich keineKlage überreicht werden darf. In solchen Fällen würde derabgeschlossene Vergleich tatsächlich seine Bedeutung ver-lieren, denn es würde sicherlich nicht den Grundsätzen derEhrlichkeit und Aufrichtigkeit entsprechen, wollte man zu-lassen, dass der Täter, z.B. Genugtuung leistet und auf Grunddieser Genugtuung der Strafverfolgung entgeht und nachdemdies geschehen ist, seinen Gegner wegen einer von diesem ge-genseitig begangenen strafbaren Handlung, die bereits vordem Vergleichsabschlusse bekannt war, verfolgen darf.

Handelt es sich jedoch nicht um gegenseitige Klagen und ver-folgt nur eine Partei die andere wegen eines von dieser anihr begangenen Deliktes und kommt es in dem späteren Falle,in dem es sich wiederum um ein an ihr begangenes Delikt han-delt, zu einem Vergleiche, so ist es doch selbstverständlich,dass sie sich da das Recht, die Gegenpartei wegen des erstenFalles zu verfolgen, nicht vorbehalten muss, da sie sie jabereits verfolgt. Sich das Recht zu einer bereits vorgenom-menen Handlung oder zu einer andauernd fortgesetzten Hand-lung vorzubehalten, hat doch gewiss keinen Sinn und ist si-

cherlich nicht notwendig. Aus dem Motivenberichte geht alsomit unleugbarer Klarheit hervor, dass der Gesetzgeber nurnachträgliche und zwar ausschliesslich gegen-seitige Klagen in solchen Fällen ausschliessen woll-te, in welchen es bereits einmal zur Liquidierung, von Hand-lungen gekommen ist, durch welche das zwischen den Parteienbestehende Gleichgewicht gestört worden ist. Er hatte nichtdie Absicht haben und es konnte nicht seine Absicht sein, der ver-letzten Partei die Weiterverfolgung in einer bereits anhän-gigen Ehrenbeleidigungssache deshalb zu verwehren, weil siein der zweiten und später eingeleiteten Angelegenheit einenVergleich akzeptiert hat, durch welchen die zweite Beleidi-gung gesühnt wurde. Nehmen wir einen einfachen Fall: Jemandwurde des Mordes beschuldigt, klagt und der Angeklagte trittden Wahrheitsbeweis an. Später beschuldigt der Angeklagteden Kläger des Diebstahles. Er wird abermals geklagt. ImVerlaufe des II. Prozesses erklärt der Angeklagte, er habesich überzeugt, dass der Kläger nicht gestohlen hat, er wi-derrufe seine Beschuldigung in vollem Umfange, verpflichtesich zur Veröffentlichung einer Satisfaktionserklärung, zurBezahlung der Kosten und eines Sühnebetrages. Der Beleidig-te hält diese Satisfaktion für angemessen und akzeptiertsie deshalb. / wollte er sie nicht akzeptieren, könnte er überAntrag des Gegners vom Gerichte gemäss § 26 des Ehrenschutz-gesetzes hiezu verhalten werden /. Ist es überhaupt vorstell-bar, dass er durch die vorbehaltslose Annahme einer solchenGenugtuung seines Rechtes verlustig werden könnte, die Ver-folgung fortzusetzen, durch welche er wegen der Mordbeschul-digung rehabilitiert werden soll? Kann es wirklich die Ab-sicht des Gesetzgebers gewesen sein, dem Beleidigten zu ver-wehren, sich Satisfaktion zu verschaffen und ihm, damit erdies tun könne, aufzuerlegen, er möge sich etwas vorbehal-ten, worauf er ohnehin besteht?

Aus den Materialien zu § 18 des zitierten Gesetzes kannnichts anderes festgestellt werden, als dass es sich dem Ge-setzgeber nur darum gehandelt hat, die nachträgliche Einbrin-gung gegenseitiger Klagen dadurch zu erschweren, dass er dasVerfolgungsrecht in solchen Fällen von dem Vorbehalte abhän-gig macht. In diesem Zusammenhange wird auf die Analogiedes § 17 des zitierten Gesetzes hingewiesen und bemerkt:Dieselben Grundsätze wie im § 17 bilden auch die Grund-lage für die Fassung des § 18. Durch einen Vergleich oderdurch ein Urteil sollen gemäss § 1 alle Angelegenheitenzwischen den Parteien erledigt sein und die nachträglichen Klagen sind durch den ausdrücklichen Vorbehalt bedingt.Abgesehen also davon, dass sich der § 18 nur auf gegenseiti-ge Klagen bezieht, kann es keinem Zweifel unterliegen, dasser sich auch nur auf nachträgliche Klagen undkeinesfalls auf Klagen beziehen kann, welche bereits frühereingebracht worden sind, bevor es noch zur Strafverfolgungund zum Abschlusse des Vergleiches in der später gegen den-selben Angeklagten anhängig gemachten Strafsache gekommen ist.Wenn man überhaupt darüber erwägen dürfte, ob der § 18 aufden gegenständlichen Fall angewendet werden darf, so könntedies höchstens in dem Falle geschehen, wenn es zum Vergleichein der früher anhängig gemachten Angelegenheit gekommen wäre,und wenn sich der Privatkläger beim Abschlusse dieses Verglei-ches nicht vorbehalten hätte, den Angeklagten wegen der späterbegangenen Beleidigungen zu verfolgen. Es ist jedoch ganz aus-geschlossen, den gegenständlichen Fall nach § 18 zu beurteilen,da noch der Vergleich in der später anhängig gemachten Straf-sache abgeschlossen worden ist, wobei die zuerst begangeneHandlung bereits verfolgt wurde und die Verfolgung andauerndfortgesetz wird. bereits durch zwei Jahre fortgesetzt wird.

Dass die Auffassung des Prozessgerichtes nicht richtig sein kann und dass durch dessen Entscheidungdie Vorschrift des § 18 und das Ehrenschutzgesetz überhauptverletzt worden ist, ergibt sich auch aus der Begründungdes angefochtenen Urteiles selbst. Das Erstgericht weistin seinen Berufungsgründen darauf hin, dass die einzige Aus-nahme, welche der Gesetzgeber für Fälle, in denen der Vor-behalt nicht erforderlich ist, statuiert hat, jene Fällesind, in welchen der Berechtigte von der strafbaren Hand-lung oder von der Person des Schuldigen erst nachträglicherfahren hat. Es führt in diesem Zusammenhange weiter an,dass die erwähnte Ausnahme keinen anderen Sinn und Zweckhat, als durch die präventive Einschränkung eines möglichenEntweichens bessere Voraussetzungen für den Abschluss einesredlichen Vergleiches zwischen den Gegnern zu schaffen.Schon aus dieser Bemerkung allein geht am besten hervor,dass es des Vorbehaltes nur dann bedarf, wenn es sich umgegenseitige Beleidigungen oder Klagen und um nachträglicheKlagen handelt. Welches „mögliche Entweichen“ könnte denndadurch vereitelt werden, dass man den Verletzten die Pflichtauferlegt, den betreffenden Vorbehalt zu machen, wenn er dieVerfolgung des Beleidigers, den er wegen einer vorher be-gangenen Beleidigung geklagt hat und im Zeitpunkte desVergleichsabschlusses weiter verfolgt, fortsetzen will.Die Möglichkeit des „Entweichens“ besteht nur für den,der einen Vergleich unter der Mentalreservation abschliesst,er werde, nachdem er durch den Vergleich dem Strafver-fahren entschlüpft ist, nachträglich seinen Gegner für einegegenseitige Beleidigung verfolgen, derentwegen er ihn bis-her nicht verfolgt hat. Eben, um durch die Vereitelungeines „möglichen Entweichens“ bessere Voraussetzungenfür den Abschluss eines redlichen Vergleiches zu schaffen,hat der Gesetzgeber bestimmt, dass derjenige, der in einer

Sache einen Vergleich abgeschlossen hat, sich die nach-trägliche Verfolgung seines Gegners wegen einer an ihmgegenseitig begangenen strafbaren Handlung vorbehaltenmuss, wenn er ihn trotz dem abgeschlossenen Vergleichenoch verfolgen will. Nur das wäre ein „Entweichenwelches einer Partei den Abschluss eines unredlichen Ver-gleiches möglich machen würde, wenn man ihr nicht die Ver-pflichtung auferlegen würde, deutlich und ausdrücklichkundzutun, dass sie die Absicht hat, ihren Gegner, der sievorher verfolgt hat nachträglich wegen eines an ihrgegenseitig begangenen Deliktes zu verfolgen. Allein diePartei, die, wie der Privatkläger in diesem Falle, in einerEhrenbeleidigungsangelegenheit einen Vergleich akzeptierthat, nachdem sie ebenfalls als Klägerin denselben Angeklag-ten unter Anklage gestellt hat und ihn weiter verfolgt,hat es doch nicht notwendig, durch irgendeine ausdrücklicheErklärung ihren Willen, das Verfahren und die Verfolgungfortzusetzen, kundzutun, weil doch von der Möglichkeit einesunredlichen Vergleiches nicht die Rede sein kann, wenn demGegner nicht nur keine Ueberraschung, sondern auch keinneues Strafverfahren droht, da er bei Abschluss des Ver-gleiches bereits weiss, dass er verfolgt wird und dann einStrafverfahren gegen ihn anhängig ist. Deswegen entbehrtdie Auslegung des § 18 des Ehrenschutzgesetzes durch dasErstgericht jeglicher Logik und widerspricht nicht nur demWortlaute dieses Paragrafen, sondern sichtlich auch der Ab-sicht des Gesetzgebers.

Dem ausdrücklichen Wortlaute des Gesetzeswiderspricht jedoch das angefochtene Urteil auch insoferne,als der Angeklagte von der Anklage wegen der Uebertretungnach § 4 der Pressgesetznovelle freigesprochen wurde.

§ 18 des Gesetzes führt ausdrücklich an: „ist es zu einemVergleiche oder zu einem Urteile über eine Privat-klage wegen einer nach diesem Gesetze strafbaren Handlung gekommen, so kann die eine Parteidie andere Partei wegen einer anderen derartigen strafbaren Handlung … nur dann verfolgen, etc.

Die Vorschrift des § 18 bezieht sich also ausschliesslichauf nach dem Ehrenschutzgesetze strafbare Handlungen undkeineswegs auf Fälle, in denen es sich um Delikte handelt,die nicht nach dem Ehrenschutzgesetze, sondern nach anderengesetzlichen Bestimmungen strafbar sind. Die Uebertretungnach § 4 der ergänzten Pressgesetznovelle ist keine nachdem Ehrenschutzgesetze strafbare Handlung. Daher musstedas Erstgericht, selbst wenn es von der allerdings fal-schen Auffassung ausgegangen ist, dass der Privatkläger durch den Abschluss eines vorbehaltslosen Vergleiches desRechtes, den Angeklagten wegen des Vergehens nach § 1 und2 des Ehrenschutzgesetzes zu verfolgen, verlustig gewordenist, über die Anklage gemäss § 4 der Pressgesetznovelle verhandeln und durfte ihn nicht gemäss § 295 Abs. 2 vonder Anklage der Uebertretung des § 4 der Pressgesetz-novelle mit der Begründung freisprechen, dass der Kläger von der Anklage zurückgetreten ist. Diese Entscheidung be-gründet das Erstgericht damit, dass sich nach § 6 Abs. 5des Ehrenschutzgesetzes die Strafausschliessungsgründeauch auf die für die Vernachlässigung der pflichtmässigenSorgfalt bei der Herausgabe der Druckschrift verantwort-lichen Person beziehen. Daraus schliesst das Prozessge-richt, dass, wenn auch in der Bestimmung des § 18 desGesetzes das Erlöschen des Verfolgungsrechtes nicht aus-drücklich als Strafausschliessungsgrund angeführt ist,dieses Erlöschen doch als Strafausschliessungsgrund des-

halb gewertet werden muss, weil durch die Unterlassungder dort vorgesehenen prozessualen Handlung für den Pri-vatkläger das Erlöschen seines Verfolgungsrechtes eintritt.

Diese Analogie ist unrichtig, ja vollkommenunverständlich. Das Erstgericht übersieht, dass die Straf-ausschliessungsgründe etwas ganz anderes sind, als die Grün-de, aus welchen das Recht, jemanden wegen einer strafbarenHandlung zu verfolgen, erlischt. Einerseits begründet esseine Entscheidung damit, dass die Ausnahme des § 18 nichtauf andere Fälle ausgedehnt werden darf, andererseits wen-det es jedoch die Vorschrift des § 6 zur Begründung seinesUrteiles in der Weise an, dass es diese Vorschrift als Ana-logie zum § 18 bezeichnet, wiewohl es sich um durchaus ver-schiedenartige, nach ihrer Beschaffenheit und gemäss ihrer Be-deutung, sowie bezüglich ihrer Folgen durchaus anderer völlig von einander abweichende Bestimmungen handelt.

Es ist wohl nicht notwendig, im Rahmen dieses Schriftsatzesdarauf hinzuweisen, welche Unterschiede zwischen den Straf-ausschliessungsgründen nach § 6 und dem Erlöschen des Ver-folgungsrechtes nach § 18 bestehen. Sicher ist, dass derGesetzgeber, wenn er die Vorschrift des § 18 auchauf die für die Vernachlässigung der pflichtmässigen Sorg-falt bei der Herausgabe der Druckschrift verantwortlichePerson angewendet wissen wollte, dies ebenso ausdrücklichim § 18 angeführt hätte, wie er es in der Bestimmung des§ 6 getan hat. Diese unzulässige Analogie, mit welchersich das Gericht I. Instanz in der Urteilsbegründung ausder Verlegenheit hilft, ist umso auffallender, als es dieAnalogie zurückweist, insoferne es sich darum handelt, obdie Vorschrift des § 18 Abs. 3 auch auf andere Spezial-fälle Anwendung finden darf. Ist die Analogie in einem

Falle unzulässig, dann kann sie auch im anderen Fallenicht zulässig sein, insbesondere dann nicht, wenn es sichum durchaus unterschiedliche Rechtsfälle handelt, wieStrafausschliessungsgründe und Gründe, aus welchen dasVerfolgungsrecht erlischt.

Wie einseitig das Gericht bei der Ausle-gung des Gesetzes zu Gunsten des Angeklagten vorgegangenist, ist auch aus dem Umstande zu ersehen, dass es den An-geklagten gemäss § 259 Zahl 2 St.P.O. wegen des angeblichenErlöschens des Verfolgungsrechtes des Klägers freigespro-chen hat, weil nach seiner Ansicht durch den später abge-schlossenen Vergleich das gestörte Gleichgewicht wiederhergestellt, das gegenseitige ruhige gesellschaftlicheZusammenleben erneuert und die gegenseitige Achtung zurück-gekehrt sein soll. Es soll kein Schatten zwischen den Par-teien bestehen bleiben, alle Fälle sollen mit einem Schlageliquidiert sein. Diese Erwägung führte zum Freispruch,aber trotz dieser Erwägung hat das Gericht beschlossen,den Privatkläger zur Tragung der Prozesskosten und zumErsatze der Kosten der Rechtsvertretung des Angeklagten zu verurteilen. Das Gericht spricht also einerseits denAngeklagten deswegen frei, weil durch den Vergleich allefrüheren Fälle liquidiert sind, andererseits aber legtes dem Privatkläger den Ersatz der Verfahrens- und Ver-tretungskosten des Angeklagten auf, des Angeklagten, derallein als Täter das Gleichgewicht gestört hat und dernur deswegen freigesprochen wurde, weil der Privatkläger einen Vergleich akzeptiert hat. Diesbezüglich hält esdas Erstgericht nicht für notwendig, alles, was zwischenden Parteien war, mit einem Schlage zu liquidieren, damitkein Schatten bestehen bleibe, sondern erkennt im Gegen-teil, dass der Beleidigte dafür, dass er dem Beleidiger verziehen und den von ihm angebotenen Vergleich akzep-tiert hat, auch noch Kosten zu bezahlen hat. Diese Art von

Logik ist wohl überhaupt nicht zu begreifen und der Aus-spruch über die Kosten, gegen welchen übrigens ein Rekursüberreicht worden ist, beweist am besten, dass die Auf-fassung des Erstgerichtes unhaltbar ist und dem Gesetzevollkommen widerspricht.

Aus dem Vorhergesagten geht hervor, dass dasangefochtene Urteil auch aus dem Grunde des § 281 Zahl 9St.P.O. nichtig ist, denn es wurde durch das Urteil dasGesetz verletzt, indem das Gericht trotz den oben angeführ-ten Tatsachen erkannt hat, dass Umstände vorhanden seien,vermöge welcher die Strafbarkeit der Tat aufgehoben oderdie Verfolgung ausgeschlossen ist.

Es wird daher der Antrag gestellt, das angefoch-tene Urteil möge aufgehoben und die Sache an das Erstge-richt zu neuerlichen Verhandlung und Entscheidung, sowiezur Erledigung der Anklage in allen Anklagepunkten zurück-verwiesen werden, ferner möge der Angeklagte zum Ersatzeder Kosten der Nichtigkeitsbeschwerde verurteilt werden.

An Kosten werden Kč 1000.–– liquidiert.

Prag, am …