193.113 Übersetzung – Aus den Entscheidungen des Kreis-Strafgerichtes in Prag vom 27. April und 18. September 1935

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 5. Mai 1936
Seite von 6

Uebersetzung

Aus Entscheidungen des Kreis-Strafgerichtesin Prag, als Berufungsgerichtes.

1 a/ Eine gegenseitige Klage im Sinne des § 18Abs. 1 Ges.Nr. 108/33 über den Schutz der Ehre ist auch eineweitere Anklage einer Partei gegen eine andere Partei, welcheeinige nach diesem Gesetze strafbare Handlungen begangen hat.

b/ Der ausdrückliche Vorbehalt des Rechtes,eine andere strafbare Handlung zu verfolgen, kann gemäss § 18Absatz 1 Ges.Nr. 108/33 über den Ehrenschutz auch mündlicherfolgen.

Der Angeklagte einer nach dem Gesetze überden Schutz der Ehre strafbaren Handlung hat sich am 6.I.1935 gegen denselben Der Angeklagte hat sich am 6.I.1935 eineweitere nach dem Gesetze über den Schutz der Ehre strafbareHandlung gegen denselben Privatankläger begangen. Am 8.I.1935wurde zwischen denselben Parteien über die nach dem Ehren-schutzgesetze vom Angeklagten bereits früher begangene straf-bare Handlung ein Vergleich vereinbart, allein das über die-sen Vergleich abgefasste Protokoll enthielt keinen Hinweisüber den ausdrücklichen Vorbehalt im Sinne des § 18 Absatz 1.Das Erstgericht hat daher gemäss § 259 Zahl 2 St.P.O. denAngeklagten von der Anklage freigesprochen, wobei es vonder Ansicht ausging, dass diese Bestimmung einen schriftli-chen Vorbehalt erforderlich macht und dass daher die Verfol-gung ausgeschlossen ist, da dies nicht geschehen ist; es hatden Beweis über die Behauptung des Privatanklägers, dass derVorbehalt vor dem Vergleichsabschlusse mündlich erfolgt ist,nicht zugelassen.

Der Privatankläger machte einerseits dieBerufung aus dem Grunde der Nichtigkeit gemäss §§ 468 Z. 3,281 Z. 9b St.P.O. andererseits die Berufung aus dem Nichtig-keitsgrunde gemäss §§ 468 Z. 2, 281 Z. 4 St.P.O. geltend.

a./ Die Ueberschrift des § 18Gegenseitige Klagenkönnte zu dem Schlusse führen, dass auch der Absatz 1 diesesParagrafen sich auf den Fall bezieht, in welchem eine Parteidas Anklagerecht geltendgemacht hat und die andere Parteiauch gegen diese Partei, welche den Antrag auf Verfolgungbereits überreicht hat, ein Anklagerecht wegen eines vorder Vereinbarung des Vergleiches begangenen Deliktes hat,dass somit diese Bestimmung auf den Fall nicht angewendetwerden kann, wenn sich dieselbe Partei gegen dieselbeGegenpartei mehrerer nach dem Ehrenschutzgesetze strafbarerHandlungen schuldig gemacht hat.

Wenn wir jedoch berücksichtigen, dass der § 18Absatz 1 der Gegensatz zu dem § 17 Abs. vorangehenden § 17Abs. 3 ist, der sich auf den Fall der objektiven Konnexitätbezieht, wenn mehrere Personen an einer strafbaren Handlungbeteiligt waren und berücksichtigen wir ferner, dass derAbsatz 3 § 18 eine eigene Bestimmung über „die von der Ge-genseite begangenen Handlungen“ welche in tatsächlichemZusammenhange stehen, enthält, bei welchen sich eben die Parteien-rolle ändert, muss zugestimmt werden, dass sich die Bestim-mung des 1. Abs. § 18 auch auf den Fall der subjektiven Kon-nexität bezieht, wenn sich eine Person mehrerer nach demEhrenschutzgesetze strafbarer Handlungen gegen eine zweitePerson schuldig macht und dass also unter „gegenseitigerKlage“ nach dieser Bestimmung auch eine weitere Anklageeiner Partei gegen die andere Partei zu verstehen ist./ so auch Kallab: Materielles Strafrecht 1935 S. 221 /

Dafür spricht auch die Begründung des Regierungs-antrages / Bogen 830 / 1930 /. Nach dieser verfolgt die Bestim-mung des Absatzes 1 im Gegensatze zur Bestimmung des Absatzes3 § 18 den Zweck, dass „beide“ Parteien, welche sich dasKlagerecht wegen einer zwischen ihnen bis zum Abschlusse

des Vergleiches begangenen und dem Berechtigten bereitsbekannten strafbaren Handlung wahren wollen, gezwungen wer-den, sich bis zu dem erwähnten Zeitpunkte das Recht aufVerfolgung ausdrücklich vorzubehalten.

b./ In welcher Form dieser Vorbehalt erfolgensoll, führt das Gesetz nicht an, es verlangt bloss, dass erausdrücklich zu erfolgen hat. Dies muss so aufgefasst wer-den, dass er in einer Weise erfolgen soll, aus welcher dieAbsicht der berechtigten Partei, die andere Partei zu verfol-gen / 1/ klar hervorgehen muss und dass diese Aeusserungder Gegenpartei zur Kenntnis gebracht wird, sodass sie vor dem Vergleiche / oder vor der Beendigungdes Beweisverfahrens von dem Vorbehalte unterrichtet war / 2/Dieses Erfordernis geht aus der Begründung des Regierungs-entwurfes / b 830 / 1930 / hervor, welche anführt, dass dieTatsache, dass sich die Vorlage im Falle des Abs. 1 § 18 mitdem Vorbehalte des Rechtes auf Verfolgung begnügt „dadurchbegründet ist, dass so die andere Partei und das Gerichtverlässlicher von einer beabsichtigten gegenseitigen Klagerechtzeitig Kenntnis erlangen“.

Da der Absatz 1 § 18 von dem Rechte, die an-dere Partei wegen „einer anderen solchen Handlung“ zu ver-folgen, spricht, kann aus dem Gesetze das zweite formaleErfordernis abgeleitet werden, dass durch den Vorbehalt desVerfolgungsrechtes eine andere solche strafbare Handlunggenügend individualisiert werde / 3/ durch ihre angemesseneBezeichnung, durch konkrete Tatsachen, Anführung des Ortes,der Zeit, etc., insoferne dies dazu notwendig ist, dass dieTatsache von anderen Tatsachen unterschieden werden kann./ Vgl. § 207, Abs. 2 Z. 2. St.P.O. /

Es besteht kein Zweifel, dass die zweck-mässige Art der Erhaltung des Verfolgungsrechtes wegen einesanderen Deliktes die Feststellung dieses Vorbehaltes im Ge-richtsprotokolle sein wird, in welcher Beziehung die Parteien

Ihr Recht gemäss § 271 Abs. 1, letzter Satz St.P.O. geltend-machen können. Aber wenn dies auch nicht geschieht und wennes nicht zur schriftlichen Feststellung dieses Vorbehalteskommt, kann man aus dem Gesetze nicht ableiten, dass der Vor-behalt wirkungslos wäre, wenn er mündlich erfolgt ist. Nichtnur, dass die Parteien verlangen können, dass das betreffendeProtokoll ergänzt werde / Miřička: Berichtigung des Protokol-les über die Hauptverhandlung, Archiv der Rechts- und Staats-wissenschaften 1903 S. 7 /, man kann ihnen auch nicht das Rechtabsprechen, den Beweis darüber zu führen, dass ein solcherVorbehalt vor dem schriftlichen Vergleichsabschlusse münd-lich erfolgt ist. Die Berufung des Privatanklägers war da-aus den Nichtigkeitsgründen des §§ 468 Z. 3, 281 Z. 9b St.P.O.,war daher begründet und damit auch die Berufung aus denNichtigkeitsgründen gemäss §§ 468 Z. 2, 281 Z. 4. St.P.O.

Da bereits bei der nichtöffentlichen Vorberatungdie Notwendigkeit festgestellt wurde, die Hauptverhandlungin erster Instanz zu wiederholen, wurde das angefochteneUrteil gemäss § 470 Abs. 3 St.P.O. aufgehoben.

Entscheidung des Kreis-Strafgerichtes in Prag als Berufungsgerichtes für Übertretungen vom 27. April 1935G.Z. To IV 373/35.

Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 des Gesetzes überden Schutz der Ehre betreffend das Erfordernis des Vorbehal-tes des Verfolgungsrechtes vor Vergleichsabschluss macht kei-nen Unterschied zwischen bereits anhängigen und solchen Fällen,in welchen es bisher zur gerichtlichen Verfolgung nicht ge-kommen ist.

Der Privatkläger macht gegen das freisprechendeUrteil den im § 281 Z. 9 lit b St.P.O. angeführten Nichtigkeits-grund geltend, da das Prozessgericht das Gesetz durch den Aus-

spruch, dass Umstände vorliegen, derentwegen die Tat nichtverfolgt werden kann, angeblich verletzt hat. So hat dasGericht angeblich zu Unrecht den Angeklagten mit Berufungauf die Bestimmung des § 18 Ges. 108/33 deswegen freigespro-chen, weil der Privatkläger mit ihm bereits in der Strafan-gelegenheit G.Z. Tk VI 311/35 des Kreis-Strafgerichtes inPrag einen Vergleich abgeschlossen hat, ohne sich das Rechtvorbehalten zu haben, den Angeklagten wegen des in dieserStrafangelegenheit unter Anklage gestellten Artikels weiterzu verfolgen. Der Privatkläger ist der Ansicht, dass es, wennjener Vergleich in der Sache G.Z. Tk VI 311/35 am 10. Mai 1935abgeschlossen wurde und die Anklageschrift in dieser SacheG.Z. Tk VI 1103/35 bereits am 28. März 1935 überreicht wordenwar, dieses Vorbehaltes nicht bedurfte und dass ein solcherVorbehalt nur dort notwendig ist, wo bisher der Antrag aufStrafverfolgung nicht überreicht wurde.

Das Berufungsgericht stimmt mit einer sol-chen Auslegung des § 18 Ges. über den Schutz der Ehre nichtüberein. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes steht die zi-tierte Gesetzesstelle auf dem Standpunkte, dass alle Deliktegegen die Ehre zwischen den Streitparteien durch den Ver-gleich gleichzeitig liquidiert sein sollen. Einzig dieseAuslegung entspricht auch dem Begriffe des Vergleiches,welcher ein gegenseitiges Nachgeben eine Erneuerung desgegenseitigen ruhigen Zusammenlebens bedeutet. Dieses ange-deutete Ziel könnte nicht erreicht werden, wenn der Vergleichzwischen den Parteien nicht absolut wäre. Nur auf Grund desausdrücklichen Willens der Parteien könnte die Ausnahme ein-treten, dass irgendein den Parteien bereits bekannter Fallseparat liquidiert werden wird ohne Unterschied, ob es zurStrafverfolgung bereits gekommen ist oder nicht. Denn eshätte keinen Zweck und würde dem Gesetze widersprechen, wennein Unterschied gemacht werden sollte zwischen bei Gerichtbereits anhängigen Fällen und solchen, in denen es zur Straf-

Verfolgung noch nicht gekommen ist und wollte man für dieersteren den Vorbehalt nicht fordern, dagegen für die zweitenden Vorbehalt verlangen. Die einzige Ausnahme, welche dasGesetz für die Fälle statuiert, in welchen einer der Parteiendie strafbare Handlung oder die Person des Täters noch nichtbekannt ist, kann auf andere Fälle nicht ausgedehnt werden,insbesondere nicht zu Gunsten der Partei, welcher, da sieselbst die Anregung zur Strafverfolgung gegeben hat, die Um-stände des gestörten Rechtszustandes bereits bekannt sind.Eben von einer solchen Partei darf man umsomehr fordern,dass sie sich das Verfolgungsrecht vorbehält, weil sie,wenn sie sich schon zur Strafverfolgung entschlossen hat,zu beurteilen vermag, ob es mit ihren Interessen vereinbarist, dass auch dieser Fall bei anderer Gelegenheit auf ein-mal liquidiert werde. Im Uebrigen hat auch die erwähnte Aus-nahme keinen anderen Sinn und Zweck, als durch die präventiveEinschränkung eines möglichen Entweichens bessere Voraus-setzungen für den Abschluss eines redlichen Vergleicheszwischen den Gegnern zu schaffen. Daraus geht hervor, dassdie vom Berufungswerber angewendete Auslegung des Gesetzesauch mi weder mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 18 Ges.Nr. 103/33, noch mit Rücksicht auf dessen Tendenz richtig ist.Die Erkenntnis über den Freispruch ist daher richtig unddie Berufung war abzuweisen.

Urteil des Obergerichtes in Prag, als Berufungs-gerichtes in Presseangelegenheiten vom 18. September 1935 G.Z.Tko IVm 4/35.